| # taz.de -- SPD nach Angriff mit K.o.-Tropfen: Schweigen und weiterverweisen | |
| > Nach einer K.o.-Tropfen-Attacke bei einem SPD-Fraktionsfest sucht die | |
| > Polizei weiter nach den Täter:innen. Die SPD zeigt sich entsetzt und | |
| > hilflos. | |
| Bild: Die SPD fragt sich weiterhin, wer für die Attacke mit den K.o.-Tropfen v… | |
| BERLIN taz | Die Substanzen sind geschmacklos, farblich nicht erkennbar. | |
| Die Stoffe sind quasi unsichtbar. Doch sobald sie im Getränk sind, sind | |
| Konsument:innen der Wirkung ausgeliefert. Betroffene, die gegen ihren | |
| Willen Knockout-Tropfen, kurz [1][K.o.-Tropfen], gereicht bekommen haben, | |
| berichten von Übelkeit, Schwindel und Erinnerungslücken. | |
| Von solchen Erfahrungen berichten Betroffene, die an einem [2][internen | |
| Hoffest der SPD-Bundestagsfraktion am 6. Juli] teilgenommen haben. Eine | |
| 21-jährige Teilnehmerin spürte am Abend des Mittwochs gegen 21:30 Uhr | |
| Schwindel und Unwohlsein, am nächsten Morgen hatte sie Erinnerungslücken. | |
| Nachdem sie den Vorfall befremdlich fand, ließ sie sich im Krankenhaus | |
| toxikologisch untersuchen. | |
| Eine andere junge Fraktionsmitarbeiterin erklärt, dass ihr eine halbe | |
| Stunde, in der sie „einen totalen Blackout“ hatte, fehlt. „Meine | |
| Kolleginnen haben mir berichtet, ich sei erst noch ansprechbar gewesen, und | |
| dass mir schwindelig war, aber ich kann mich daran nicht erinnern“, sagte | |
| sie der dpa. | |
| An dem Hoffest im Tipi-Zelt am Kanzleramt nahmen nach Fraktionsangaben rund | |
| 1.200 Menschen teil – Abgeordnete, Mitarbeiter:innen aus dem Bundestag | |
| und den Wahlkreisen. Der Fall wurde öffentlich, nachdem der Tagesspiegel | |
| davon am 8. Juli berichtet hatte. Die Zeitung hatte eigenen Angaben zufolge | |
| Informationen aus einem SPD-internen Chat. | |
| In einem Schreiben an die SPD-Bundestagsabgeordneten teilte | |
| Fraktionsgeschäftsführer Mathias Martin mit: „Auf unserem Sommerfest gab es | |
| offenkundig Angriffe auf Kolleginnen mit K.o.-Tropfen. Dies ist ein | |
| ungeheuerlicher Vorgang, der unsererseits sofort bei der Bundestagspolizei | |
| gemeldet wurde.“ | |
| Auf Twitter zeigte sich die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der | |
| SPD-Fraktion, Katja Mast, „entsetzt über den Vorgang“ und wies Betroffene | |
| darauf hin, dass die gesamte Fraktionsgeschäftsführung ansprechbar sei. Der | |
| taz gegenüber äußerte Mast, dass „man ein verbessertes Sicherheits- und | |
| Präventionskonzept erarbeiten und sich dazu auch externen Sachverstand | |
| holen“ werde. | |
| ## Laut Polizei bisher 14 Betroffene | |
| Den Angaben einer Sprecherin der Polizei Berlin zufolge haben bis zum | |
| Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieses Textes 14 Gäste von ähnlichen | |
| Symptomen berichtet, zwölf davon sind Frauen. Insgesamt wurden zehn | |
| Anzeigen erstattet wegen gefährlicher Körperverletzung mit Verdacht auf die | |
| Verwendung v[3][on K.o.-Tropfen]. Weitere Straftaten wie Diebstahl oder | |
| sexuelle Übergriffe sind nicht bekannt. Die Polizeisprecherin erklärte, | |
| dass eine Ermittlungsgruppe eingerichtet wurde, um Foto- und Videomaterial | |
| auszuwerten und Personen zu befragen. Es wird weiterhin gegen eine | |
| unbekannte Person ermittelt. | |
| Laut Katja Mast habe es einen solchen Fall zuvor noch nicht gegeben. „Man | |
| fühlt sich normalerweise sicher auf so einer Veranstaltung, zumal diesmal | |
| keine Gäste von außen eingeladen waren“, sagte die SPD-Politikerin der | |
| taz. Es habe eine Gästeliste gegeben und man könne „mittlerweile | |
| präzisieren, dass rund 1.200 Gäste anwesend waren“, erklärt der | |
| stellvertretende Leiter der Pressestelle der SPD-Bundestagsfraktion, | |
| Dominik Dicken. | |
| Abgesehen von medialer Aufmerksamkeit am darauffolgenden Wochenende blieb | |
| eine öffentliche und mediale Auseinandersetzung mit dem Fall jedoch | |
| weitestgehend aus. Fast alle von der taz Angefragten verwiesen auf die | |
| SPD-Pressestelle. Dabei beziehen sich die gestellten Fragen nicht | |
| ausschließlich auf das Hoffest, sondern auch um diese Fragen: Ob die | |
| Politiker:innen den Eindruck haben, dass sich die Fraktion ausreichend | |
| um eine Aufklärung bemüht, und was sie sich in Zukunft für | |
| Vorsorgemaßnahmen wünschen, damit ein zweiter Fall dieser Art vermieden | |
| werden kann. | |
| ## Selbst die Jusos bleiben still | |
| Auch die Jusos halten sich sowohl auf Twitter als auch auf Anfragen via | |
| E-Mail mit einem Statement zurück. Fragen wie die, warum die | |
| Jugendorganisation nicht öffentlich ihre Betroffenheit äußert oder wie der | |
| Fall intern diskutiert wird, blieben unbeantwortet. Eine Kritik nach dem | |
| Vorbild der Linksjugend Solid bleibt bisher aus. Letztere hatte sich nach | |
| Bekanntwerden von Vorwürfen sexualisierter Übergriffe innerhalb der | |
| Linkspartei vor wenigen Wochen lautstark auf Twitter geäußert und die | |
| Linke-Parteivorsitzende Janine Wissler zur transparenten Aufklärung | |
| aufgefordert. | |
| Anders als im sogenannten LinkeMeToo-Skandal sind bei den Vorfällen auf dem | |
| SPD-Hoffest jedoch keine Tatverdächtigen bekannt. Die Ermittlungen der | |
| Polizei laufen derzeit noch. Doch gerade bei Aufklärung und Umgang mit | |
| K.o.-Tropfen ist ein schnelles Vorgehen entscheidend, da die Substanzen | |
| nicht für einen langen Zeitraum im Körper nachgewiesen werden können. | |
| „K.o.-Tropfen verflüchtigen sich schnell im Körper“, erklärt Kirsten | |
| Reinhard auf Anfrage der taz. „Bereits nach kurzer Zeit ist die Einnahme | |
| nicht mehr nachweisbar.“ | |
| Kirsten Reinhard ist stellvertretende Leiterin des Arbeitsstabs der | |
| Bundesdrogenbeauftragten. Ihr zufolge gäbe es mehrere Stoffe, die für einen | |
| Missbrauch zur Erleichterung von Straftaten mittels Betäubung in Frage | |
| kommen. Céline Sturm, Referentin für Kriminalprävention beim Verein Weißer | |
| Ring, ergänzt: „Es gibt tatsächlich über 100 Substanzen, die unter den | |
| Sammelbegriff K.o.-Tropfen fallen und berauschend, enthemmend oder | |
| einschläfernd und betäubend wirken. Dazu gehören Medikamente und Drogen.“ | |
| Die beiden bekanntesten Stoffe sind Gamma-Hydroxybuttersäure, bekannter | |
| unter der Abkürzung GHB, und Gamma-Butyrolacton (GBL). Im schlimmsten Fall | |
| kann die Einnahme der Substanzen zum Tod führen. 2021 verzeichnete der | |
| Arbeitsstab der Bundesdrogenbeauftragten 15 Fälle, die auf GHB und GBL | |
| zurückzuführen sind. Einzelne Opfer, die möglicherweise mit K.-o.-Tropfen | |
| vergiftet worden sind, berichten von völliger körperlicher Lähmung bei | |
| gleichzeitig vollem geistigen Verstand. | |
| ## Keine Statistik zum Gebrauch von K.o.-Tropfen | |
| Abgesehen von den verzeichneten Todesfällen wird in Deutschland bisher | |
| keine Statistik oder Forschung spezifisch zu K.o.-Tropfen und den Gebrauch | |
| der Stoffe für Missbrauchszwecke geführt. Ein Pressesprecher des | |
| Bundeskriminalamtes äußerte gegenüber der taz, dass keine verlässlichen, | |
| statistischen „Aussagen zur Verwendung von Substanzen“ zur Verfügung | |
| stünden. Auch die Sprecherin vom Bundesverband Frauen gegen Gewalt beklagt | |
| auf Anfrage, dass es „schlicht gar nichts“ gebe. Die Opferhilfsorganisation | |
| Weißer Ring geht deshalb von einer hohen Dunkelziffer aus. | |
| In einem Forderungspapier kritisiert der Bundesverband Frauen gegen Gewalt, | |
| dass Betroffene für eine Analyse der Laboruntersuchungen für | |
| K.-o.-Tropfen entweder an andere Stellen weiterverwiesen werden oder die | |
| Kosten selbst tragen müssen. Zusätzlich sind die aktuellen Tests nicht | |
| sicher: „Diese testen nur auf eine einzige Substanz und vermitteln | |
| potenziellen Betroffenen dadurch eine falsche Sicherheit“, ergänzt Céline | |
| Sturm vom Weißen Ring. „Der beste Schutz ist weiterhin, über die Thematik | |
| aufzuklären und dafür zu sensibilisieren.“ | |
| Der SPD-Bundestagsabgeordnete Daniel Baldy findet, dass der Vorfall bei dem | |
| fraktionsinternen Sommerfest zeige, dass K.o.-Tropfen hierzulande noch ein | |
| Problemfeld seien. Der 27-jährige Politiker, der auch im Ausschuss für | |
| Frauen und Jugend ist, erklärt, dass er an dem Abend selbst an der | |
| Veranstaltung teilgenommen habe, aber keine Auffälligkeiten beobachten | |
| konnte. Von den Vorfällen habe er erst am nächsten Morgen durch eine | |
| Kollegin erfahren. | |
| Baldy hat aufgrund der internen Gespräche den Eindruck, dass es der | |
| Fraktion „um eine echte Aufklärung geht“, um auch zukünftig ein | |
| Sicherheitsgefühl sicherstellen zu können. Die SPD-Fraktion arbeite | |
| weiterhin an der Verbesserung eines Sicherheitskonzeptes, bestätigte auch | |
| der stellvertretende Pressesprecher Dicken. | |
| 25 Jul 2022 | |
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| [1] /Folgen-von-Ko-Tropfen/!5846419 | |
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| ## AUTOREN | |
| Shoko Bethke | |
| Anne-Frieda Müller | |
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