Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Rolle der Türkei im Syrien-Krieg: Keine Entwarnung für Rojava
> Das autonome nord- und ostsyrische Gebiet feiert den zehnten Jahrestag
> der Rojava-Revolution. Viele Feiernde sorgt der
> Iran-Türkei-Russland-Gipfel.
Bild: Die Feierlichkeiten in Qamishlo
Qamishlo taz | Am Abend des 19. Juli feiern in der nord-syrischen Stadt
Qamishlo tausende Menschen den [1][zehnten Jahrestag der
„Rojava-Revolution“] – die kurdisch-dominierten Regionen im Nordosten des
Landes erklärten damals ihre Autonomie vom syrischen Staat. Zeitgleich
kamen im rund 900 Kilometer entfernten Teheran die Staatschefs von
Russland, Iran und der Türkei zusammen. Die beiden Veranstaltungen sind eng
miteinander verbunden – während der Feier im reich geschmückten Stadion in
Qamishlo blicken viele Menschen immer wieder auf ihr Smartphone. Sie warten
auf Neuigkeiten aus Teheran.
Denn ganz oben auf der [2][Tagesordnung des trilateralen Treffens] zwischen
dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinen iranischen und
türkischen Amtskollegen Ebrahim Raisi und Recep Tayyip Erdoğan stand der
seit 11 Jahren andauernde Konflikt in Syrien. Moskau und Teheran sind die
beiden wichtigsten Unterstützer des syrischen Machthabers Bashar al-Assad.
Ankara hingegen unterstützt islamistische Rebellengruppen, die gegen das
Regime – aber vor allem auch gegen die kurdisch geprägte Selbstverwaltung
Rojava – vorgehen.
Neu entfacht wurde der Interessenskonflikt in der Region durch Erdoğans
Ankündigung im Mai dieses Jahres, einen erneuten Vorstoß in Syrien zu
starten und eine 30 Kilometer tiefe „Sicherheitszone“ auf der syrischen
Seite der türkischen Grenze zu errichten. Genau dort liegt das
Autonomiegebiet Rojava, das von den sogenannten Demokratischen
Streitkräften Syriens (SDF) verteidigt wird – die Ankara als Ableger der
als [3][terroristisch eingestuften Kurdischen Arbeiterpartei PKK] einstuft.
Die Türkei beschießt regelmäßig die Grenzgebiete mit Drohnen und schwerer
Artillerie. In bisher drei Angriffskriegen hat die Türkei seit 2016 bereits
große Teile Rojavas besetzt. Erdoğan hatte zuletzt wiederholt erklärt, die
nordwestsyrischen Städte Minbij und Tel Rifaat von den „Terroristen“ der
SDF zu „säubern“. Vom Treffen in Teheran versprach er sich dafür
Rückendeckung – doch die scheiterte weitgehend.
## Rojava hat den Ausnahmezustand ausgerufen
Denn ein Ziel der Türkei wäre der syrische Ort Tel Rifaat – in der Nähe
liegen die vom Iran unterstützten schiitischen Siedlungen Nubl und Zahraa.
Auch nach einem bilateralen Treffen mit Putin deutete Erdoğan an, dass er
es nicht geschafft habe, Putin von einem Angriff zu überzeugen. Dieser
sagte, dass die Syrer „ohne Einmischung von außen über ihr eigenes
Schicksal entscheiden“ sollten. Das sehen auch die USA so und haben sich
ebenfalls gegen einen Angriff ausgesprochen.
Für Rojava bedeutet das aber keine Entwarnung. Vor knapp zwei Wochen hat
die Selbstverwaltung den Ausnahmezustand ausgerufen. Es bereitet sich auf
einen [4][erneuten Krieg] vor.
Den Jahrestag der Revolution am 19. Juli feierte man aber trotzdem. Genau
vor zehn Jahren übernahmen bewaffnete kurdische Einheiten die Kontrolle
über die nordsyrische Stadt Kobane. Von dort breitete sich die Revolution
in den nächsten Tagen auf weite Teile Nordsyriens aus. Dabei kam es zu
keiner größeren militärischen Auseinandersetzung, da sich Assads Armee ohne
nennenswerten Widerstand zurückzog.
An die Entwicklungen der letzten zehn Jahre erinnerte zunächst ein
internationales Forum, das in der Nähe der Stadt Amude stattfand. Mehrere
Dutzend Teilnehmende aus Politik, Gesellschaft und Wissenschaft
diskutierten unter dem Motto „Leistungen, Herausforderungen, Perspektiven“
die Entwicklungen der Gesellschaft Rojavas – unter ihnen der Co-Vorsitzende
der in Rojava regierenden Partei der Demokratischen Union, Salih Muslim,
und Amina Omar, Co-Vorsitzende des Demokratischen Rates Syriens, der
politische Arm der SDF.
## Rojava sei „ein Beispiel für die ganze Welt“
Aus Europa war unter anderem der ehemalige französische Außenminister und
Mitbegründer von Ärzte ohne Grenzen, Bernard Kouchner, zugegen und erklärte
seine Solidarität. Zu den Anwesenden sagte er: „Sie sind nicht allein. Sie
sind ein Beispiel für die ganze Welt. Wir werden die Rojava-Revolution
niemals vergessen.“
Viele Teilnehmende betonten die Bedeutung Rojavas für eine demokratische
Entwicklung der Region: “Die Revolution unterscheidet sich grundlegend von
anderen Revolutionen. Uns ging es nicht darum, einen neuen Staat
aufzubauen, sondern die Mentalität der Menschen zu ändern“, so Muslim. Man
wolle eine demokratische und freie Gesellschaft für alle Menschen in Syrien
aufbauen.
Bei Musik und Feuerwerk konnten viele die Gefahr eines Kriegsausbruchs für
eine kurze Zeit vergessen. Um gemeinsam zu tanzen, steckten viele Anwesende
ihre Smartphones in die Taschen – und ließen für einen Moment Teheran
einfach Teheran sein.
20 Jul 2022
## LINKS
[1] /10-Jahre-Revolution-in-Rojava/!5865567
[2] /Putin-und-Erdogan-zu-Besuch-im-Iran/!5869276
[3] /Nato-Beitritt-von-Schweden-und-Finnland/!5865153
[4] /Gefechte-in-Nordirak-und-in-Nordsyrien/!5849400
## AUTOREN
Christopher Wimmer
## TAGS
Türkei
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Iran
Rojava
Schwerpunkt Kobanê
Türkei
Kurdistan
Türkei
Türkei
Türkei
Irak
taz Plan
Kurdistan
Schwerpunkt Syrien
## ARTIKEL ZUM THEMA
In Rojava getöteter Kieler: Eltern allein gegen die Türkei
Der Kieler Konstantin Gedig starb vor fünf Jahren durch türkische Bomben.
Seine Eltern kämpfen noch immer um seinen Leichnam.
Eltern eines YPG-Kämpfers über Klage: „Wir wollen unseren Sohn beerdigen“
Der Kieler Konstantin Gedig starb im Kampf gegen Islamisten durch türkische
Bomben. Seine Eltern klagen beim Generalbundesanwalt gegen die Türkei.
Wahlen in der Türkei 2023: Machterhalt mit allen Mitteln
Im kommenden Jahr stehen in der Türkei Wahlen an. Gewinnt Erdoğan, wird
sich das Land wohl weiter zu einer islamischen Autokratie entwickeln.
Angriffe in Nord- und Ostsyrien: „Krieg niedriger Intensität“
Im kurdisch geprägten Nord- und Ostsyrien sterben immer wieder Menschen
durch Drohnenangriffe. Als Quelle der Attacken gilt die Türkei.
Konflikt zwischen Kurden und Türkei: Rojava bereitet sich auf Krieg vor
In dem kurdisch-dominierten Gebiet in Syrien wächst die Sorge vor weiteren
Angriffen der Türkei. An Rojavas Seite steht die syrische Regierungsarmee.
Luftschlag auf Ferienort im Nordirak: Schuldzuweisungen nach Angriff
Im kurdisch regierten Nordirak sterben acht Menschen. Der Irak beschuldigt
die Türkei, diese die kurdische Organisation PKK.
Bewegungstermine in Berlin: Rojava und Regenbogen
Die queeren Bewegungen und die Revolution in Rojava machen es vor: Auch
wenn der Weg steinig ist, kann es gesellschaftlichen Fortschritt geben.
Kämpfen für Kurdistan: Tod für die gute Sache?
Mit 21 Jahren verlässt Konstantin Gedig Kiel und zieht nach Kurdistan in
den Krieg. Dort stirbt er. Zurück bleiben seine Eltern mit vielen Fragen.
Gefechte in Nordirak und in Nordsyrien: Türkei greift PKK-Stellungen an
Die Angriffe in Nordsyrien und -irak sind eine Luft- und Bodenoffensive.
Man gehe „gegen Terroristen“ vor, sagt Türkeis Verteidigungsminister Akar.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.