| # taz.de -- Neuer Präsident von Hertha BSC: Bundesliga lernt Demokratie | |
| > Auch mit seiner Ultra-Vergangenheit ist Kay Bernstein noch kein linker | |
| > Systemkritiker. Die Fußballkultur könnte der Hertha-Präsident aber schon | |
| > ändern. | |
| Bild: Der frisch gewählte Präsident von Hertha BSC, Kay Bernstein | |
| Berlin taz | Was ist nicht schon alles über den neuen | |
| [1][Hertha-Präsidenten Kay Bernstein] geschrieben worden. Eine „Zäsur im | |
| deutschen Fußball“ soll seine Wahl sein, er soll eine „kleine Revolution“ | |
| bringen oder, wie die BZ journalistisch extraklassig hofft, „vom wilden | |
| Tiger zum zahmen Bettvorleger“ werden. Eine Erinnerung zur Güte: Bernstein, | |
| am vergangenen Wochenende als erster ehemaliger Ultra auf den | |
| Präsidentenstuhl eines Männer-Bundesligisten gewählt, hatte zwar mal | |
| Stadionverbot, aber ist kein Che Guevara. Der mittlerweile sehr bürgerliche | |
| 41-Jährige leitet eine Eventagentur, fährt, wie die BZ weiß, Porsche, und | |
| er wird Investor Lars Windhorst auch nicht vor die Tür setzen. Vorbild ist | |
| er trotzdem. | |
| Zunächst mal, ganz banal, eines für Demokratie. Die Mitsprachemöglichkeiten | |
| im deutschen Fußball der Männer sind sehr limitiert, aber es gibt sie noch. | |
| Bei der historischen Wahl [2][bei Hertha BSC] haben die Mitglieder | |
| entschieden, nicht den skandalumwehten, von der Vereinsführung protegierten | |
| Kandidaten – [3][CDU-Mann Frank Steffel] – zu wählen, sondern den | |
| ehemaligen Ultra-Capo Bernstein. Der sich übrigens mit seiner Initiative | |
| die Mühe machte, ein Wahlprogramm aufzustellen; leider auch eher nicht die | |
| Regel im deutschen Fußball. So geht Demokratie. | |
| Bernstein ist nun kein linker Systemkritiker. Seine Initiative „Wir | |
| Herthaner“ schreibt viel im nervigen Ultra-Duktus von „Stolz“, „Emotion… | |
| oder „Fresse halten, arbeiten und Ergebnisse liefern!“, eine Art | |
| Maloche-Kapitalismus. Aber ein paar interessante Forderungen hat sie. Eine | |
| transparente Kommunikation solle Hertha von nun an pflegen, die | |
| Verantwortlichen sollen sich regelmäßig den Fragen der Mitglieder stellen | |
| müssen. 50 Prozent der Erlöse aus dem Trikotverkauf sollen in Berliner | |
| Bolzplätze investiert werden. Und alle Mitglieder die Sitzungen von | |
| Präsidium und Aufsichtsrat live online verfolgen können. | |
| Etwas überraschender kommt ein ökologischer Schwenk: Ab 2025 soll Herthas | |
| gesamte Spielkleidung recycelt sein, CO2-Emissionen sollen erfasst, | |
| reduziert und kompensiert werden, zu einem Sonderspieltag sollen Fans mit | |
| dem Rad kommen und „alles Sponsoring auf Ethik und Zukunftsfähigkeit | |
| überprüft werden“. Wettanbieter werde Hertha nicht mehr als Sponsoren | |
| haben. Das wäre tatsächlich vorbildhaft. | |
| Vielleicht wird Hertha BSC also endlich, was die Verantwortlichen der | |
| Vergangenheit immer verkrampft sein wollten, nämlich zeitgemäß. | |
| Widersprüche stecken im Entwurf durchaus drin. Bei Transparenz schränkt die | |
| Initiative gleich vorauseilend wie vage ein, bei „hochsensiblen Themen“ | |
| könne das „minimal angepasst“ werden. Neben den Umweltversprechen will man | |
| mehr Trikots verkaufen und „nicht zu Öko-Hipstern erziehen“. Und Fußball | |
| der Frauen findet immer noch mit keinem Wort statt. | |
| Verändern dürfte sich eher ein Stückchen Kultur als die Ökonomie. Das ist | |
| nicht nichts. „Die Fußstapfen sind groß, aber ich gebe mein Bestes, dass | |
| meine kleinen Füße mit Größe 42 da vernünftig reinpassen“, hat Bernstein | |
| dem rbb gesagt. | |
| Auch Understatement war zuletzt ein rares Gut. Oder, um mit Lars Windhorst | |
| zu sprechen: „Es kann ja nur besser werden.“ | |
| 1 Jul 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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