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# taz.de -- Russischer Eishockeystar im Zwangsdienst: Buße im ewigen Eis
> Der russische Eishockeytorwart Fedotow will in die amerikanische Liga
> NHL. Doch die Militärpolizei hat ihn verschleppt – in eine
> Ex-Gulag-Siedlung.
Bild: Soldat oder Sportler? Iwan Fedotow wird wohl zum Dienen gezwungen
Das Bild, das der russische Sportjournalist Alexei Schewtschenko am Montag
in seinem Telegram-Kanal postet, zeigt einen müde dreinschauenden Mann mit
blassem Gesicht, einem Käppi in Tarnfarben und einem schwarzen Shirt.
Hinter ihm ein gelbes Gebäude, ein paar Birken, weiß gestrichene
Bordsteine. Es soll als Beweisfoto dienen, dass Iwan Fedotow, der Torwart
der russischen Eishockey-Nationalmannschaft, aufgetaucht ist: [1][in
Sewerodwinsk, einer einstigen Gulag-Siedlung am Weißen Meer], in der ein
wichtiger Marine-Stützpunkt der russischen Nordmeerflotte liegt.
Wie es mit dem 25-jährigen Sportler, der in der vergangenen Saison mit ZSKA
Moskau russischer Meister und KHL-Torwart des Jahres wurde und im Februar
in Peking mit dem Nationalteam Silber gewann, ist ungewiss. Fedotows
Vertrag mit ZSKA war im April ausgelaufen. Im Mai hatte er [2][bei den
Philadelphia Flyers] unterschrieben und war auf dem Sprung in die NHL. Doch
statt in die USA zu fliegen, sitzt er nun im hohen russischen Norden fest.
Eingezogen zum Wehrdienst. Womöglich soll es noch weiter nördlich gehen:
auf Nowaja Semlja, eine fast unbewohnte Insel im Nordpolarmeer.
Fedotow war am Freitag an einer Sankt Petersburger Eissporthalle von
Vertretern der russischen Militärpolizei abgeführt und in ein
Einberufungsamt gebracht worden. Dem Spieler wird vorgeworfen, sich dem
Wehrdienst entzogen zu haben. Das russische Strafgesetzbuch sieht bei
solchen Verstößen eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren vor.
Bei der Befragung auf dem Amt, so wird es später sein Anwalt Alexei
Ponomarjow russischen Medien berichten, bricht Fedotow zusammen, wohl wegen
stressbedingter Magenverstimmung. Ein Krankenwagen bringt den Sportler in
eine Klinik, lässt aber weder Familie noch Anwalt zu ihm. Fedotow ist
bereits da in den Fängen des Militärs, eines geschlossenen Systems, das ein
eindeutiges Signal an alle russischen Sportler sendet: Bis zum Alter von 27
seid ihr wehrpflichtig!
## Mehr Eisbären als Menschen
Russische Einberufungsämter bestellen seit Monaten Männer in wehrfähigem
Alter quer durchs Land ein. Viele junge Männer verstecken sich vor den
Behörden, um nicht in den Krieg in der Ukraine geschickt zu werden. Die
Festnahme und die Verschickung Fedotows sehen viele Beobachter*innen
in Russland als gezielte Bestrafungsaktion für einen, der dem Land den
Rücken kehren wollte.
Der Fall erinnert an die Festnahme von Ruslan Schaweddinow, eines
Mitstreiters des inhaftierten russischen Oppositionspolitikers Alexei
Nawalny. Vor zweieinhalb Jahren hatte die Militärpolizei den damals
23-Jährigen ebenfalls nach Nowaja Semlja geschickt. Damit brach die
Verbindung zum Aktivisten praktisch ab. „Das Einzige, was ich dort gelernt
habe, war das schnelle Wegrennen vor Eisbären. Es ist ziemlich
beängstigend, einsam und traurig dort“, erinnert sich Schaweddinow, der
Russland mittlerweile verlassen hat.
Mancher in Russland geht davon aus, dass Fedotow unter Druck gesetzt werde,
seinen Vertrag bei ZSKA zu verlängern. Seit 2021 war der Keeper beim
Verein, der 1946 als Sportableger der Roten Armee gegründet worden war.
Bereits als Kind trainierte er immer wieder in der Eishockeyschule von
ZSKA. Bis heute sind alle Athleten in dem Armeeverein formal gesehen
Soldaten. Darauf bezieht sich nun die russische Militärstaatsanwaltschaft
und zwingt den Torwart zum Ableisten seines Wehrdienstes.
4 Jul 2022
## LINKS
[1] https://www.workuta.de/aktuelles/bilder/Solovki.pdf
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Philadelphia_Flyers
## AUTOREN
Inna Hartwich
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