Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Sanktionen gegen Russland: Pipelines als Druckmittel
> Seit Mitte Juni fließt kein Gas mehr von Russland nach Frankreich. Das
> Land setzt deshalb vermehrt auf die Lagerung von Flüssiggas.
Bild: Gazprom hat Frankreich den Hahn zugedreht, weil es sich weigerte, in Rube…
Paris taz | Seit dem 15. Juni bekommt Frankreich kein russisches Erdgas
mehr per Pipeline via Deutschland. Gazprom hat angeblich den Hahn
zugedreht, so wie zuvor schon für andere Länder, die sich weigerten, für
deren Lieferungen in Rubel zu bezahlen. Nicht ganz zufällig begann der
Lieferstopp, als der französische Staatspräsident Emmanuel Macron zusammen
mit dem italienischen Regierungschef Mario Draghi und dem deutschen Kanzler
Olaf Scholz [1][nach Kiew] reiste, um vor Ort ihre Solidarität für die
Ukraine zu bekräftigen.
Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Der französische
Gasverteiler [2][GRTgaz] meldete zwei Tage danach, dass aus Deutschland
kein Gas mehr aus der Leitung kommt. Offiziell wurde dies von Gazprom mit
„technischen Problemen“ begründet. In Wirklichkeit bestehen kaum Zweifel,
dass der plötzliche Stopp der Lieferungen eine politische Entscheidung war.
Moskau zögert nicht, die Abhängigkeit vom russischen Erdgas als politisches
Druckmittel einzusetzen. Gazprom hatte bereits vorher angekündigt, dass die
Gasexporte via Nord Stream 1 nach Deutschland um 40 Prozent reduziert
werden.
Die französische Energieministerin Agnès Pannier-Runacher möchte dagegen
lieber keinen Zusammenhang zwischen Macrons Reisediplomatie und den
verschärften Versorgungsschwierigkeiten mit Erdgas sehen. „Seit Monaten
schon erhält Europa immer weniger russisches Gas. Die Verringerung der
Lieferungen stellt die Versorgung unseres Landes nicht in Frage“, glaubt
sie zuversichtlich. Denn Frankreich sei viel weniger von russischem Erdgas
abhängig als andere Länder.
Derzeit bezieht das Land sein Erdgas hauptsächlich aus Norwegen. Auch hat
Frankreich die Importe aus Algerien bereits gesteigert. Laut den amtlichen
Angaben machen die Lieferungen von Gazprom nur 17 Prozent der gesamten
Einfuhr aus.
Flüssiggas aus Russland
Zudem will Frankreich für den kommenden Winter, wenn der Verbrauch massiv
ansteigen wird, mit der Lagerung von Flüssiggas vorsorgen. Diese
Lagerbestände reichen laut Le Monde für rund ein Viertel des jährlichen
Bedarfs aus. Da die Lieferungen aus Russland noch auf längere Zeit
ausbleiben dürften, hat Frankreich wegen des Ukrainekriegs und der damit
einhergehenden Sanktionen begonnen, sich viel früher als sonst auf den
steigenden Energieverbrauch im Winter vorzubereiten. Seit März ist der
Füllstand der Gaslagerung von 19 auf 56 Prozent gestiegen. Das ist deutlich
mehr als in normalen Zeiten, denn zur Jahresmitte wären laut GRTgaz
höchstens 50 Prozent üblich.
Auch Frankreich hat in diesem Jahr vor allem aus den USA viel mehr
Flüssiggas importiert. Der französische Energiekonzern spricht von einer
Zunahme von 66 Prozent in den ersten fünf Monaten des Jahres. Aber auch
Frankreichs Importe von russischem Flüssiggas stiegen in dieser Zeit so
massiv, dass laut dem Energiemarktexperten Lauri Myllyvirta vom Center für
Research on Energie and Clean Air (Crea) Frankreich zu Russlands weltweit
wichtigsten Kunden für Flüssiggas (GNL) geworden sei.
Nun ist Frankreich, das bekanntlich mehr auf die Elektrizität und Atomstrom
setzt, zwar im Gesamtenergieverbrauch weit weniger vom Gas abhängig als
Deutschland, doch gegenwärtig sind in den französischen Atomkraftwerken 29
von 56 Reaktoren für Wartungsarbeiten oder wegen technischer Probleme
stillgelegt. Frankreich ist deshalb gezwungen, elektrischen Strom, auch aus
den verpönten Kohlekraftwerken der Nachbarländer, zu importieren.
Die Versorgungsschwierigkeiten, die durch den Ukrainekrieg verursacht
wurden, sind laut dem Spezialisten Philippe Vié von der Beratungsfirma
Capgemini nur ein zusätzlicher Faktor, der eine allgemeine Problematik in
der Planung der französischen Energiepolitik offenlegt.
1 Jul 2022
## LINKS
[1] /Scholz-Macron-und-Draghi-in-der-Ukraine/!5861688
[2] https://www.grtgaz.com/en
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Russland
Gazprom
Schwerpunkt Frankreich
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
## ARTIKEL ZUM THEMA
Diskriminierung in Frankreich: Platzverweis für Ukrainer
Der Chef eines Pariser Restaurants setzt zwei Gäste vor die Tür und brüllt
dabei: „Lang lebe Putin!“. Die Aktion löst Entrüstung in sozialen Medien
aus.
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++: 38 Tote in Odessa
Bei einem Raketenangriff sind mindestens 38 Menschen ums Leben gekommen.
Das ukrainische Außenministerium distanziert sich von Äußerungen des
Botschafters Melnyk.
Reduktion bei Nord Stream 1: Gazprom senkt Lieferungen abermals
Auch Frankreich und Italien sollen weniger Erdgas erhalten. Die
Energiebörsen reagieren prompt auf Ankündigungen aus Moskau.
Energie aus Russland: Das europäische Gas-Dilemma
Die EU will sich nicht von Russland erpressen lassen. Doch viele der
Mitgliedstaaten sind noch immer stark von russischen Lieferungen abhängig.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.