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# taz.de -- Völkische Siedler in Niedersachsen: Die Rechtsradikalen vom Immenh…
> Ein Anwesen in Niedersachsen wird wohl versteigert. Die Interessenten für
> den Kauf sind zwischen Reichsideologie und Anastasia-Bewegung zu
> verorten.
Bild: Sie pilgern Richtung „Immenhof“-Anwesen: Ein Teilnehmer-Camp am Rande…
Hützel taz | Wulf Hemmerle von den Grünen ging auf dem „Immenhof“ in Hüt…
in der Heide noch zum Kindergarten. Jetzt verfallen viele Gebäude auf dem
weitläufigen Anwesen, sind asbestverseucht. Der Eigentümer Helmut Bierwirth
wird von der [1][Süddeutschen Zeitung] als vielfach vorbestrafter,
insolventer Hamburger Kaufmann bezeichnet. Die Hützeler erzählen, Bierwirth
habe Kontakte ins Rotlichtmilieu, es seien auch Schüsse auf dem Gelände des
„Immenhofs“ gefallen.
An der Zufahrt warnen Schilder: „Privatgelände! Unbefugten ist das Betreten
verboten! Widerrechtliches betreten wird zur Anzeige gebracht“. Am
kommenden Mittwoch ist vor dem Amtsgericht Soltau ein Versteigerungstermin
für das Anwesen anberaumt. Und Hemmerle ist besorgt, weil sich jetzt
offenbar Rechte für das Gelände interessieren.
Am Samstag der vergangenen Woche ist der Schlagbaum zur Hintereinfahrt
geöffnet, um Interessierte aus einem esoterisch geprägten Milieu zwischen
Reichsideologie und Anastasia-Bewegung durchzulassen. Über 60 Menschen
reisen nach einer Anmeldung im geschlossenen „Immenhofkanal“ beim
Messengerdienst Telegram an. Sie alle treibt die Sehnsucht nach einem neuen
Lebensmodell.
Ihr Habitus und die bunten Öko-Outfits legen nahe, dass die Ankommenden
nach einem Leben im Einklang mit sich selbst, der Gemeinschaft und der
Natur streben. Viele kommen aus Hamburg und Nordrhein-Westfalen. „Geist
formt Materie – freie Energietechnologie, Coaching, Geomantie,
Radiästhesie“ steht auf einem Fahrzeug aus Wien.
## Eng mit Corona-Verschwörungskanälen verbunden
Im großen Kreis versammelt sich die Gruppe in einem Innenhof nahe der
Deutschlandfahne und singt gemeinsam: „Lasst uns auf die Reise gehen,
Neuland zu finden“ und „einen Samen zu pflanzen, der zum Leben gedeiht in
Freude, in Liebe, in Freiheit“. Einige schaukeln beseelt mit. Doch
Feindseligkeit schwingt auch mit, als ein österreichischer Sprecher
klarstellt, dass „die da draußen gegen uns sind“.
Es steckt mehr hinter der bunten Fröhlichkeit – das hat die
Antifaschistische Recherche Oberberg (Arob) recherchiert. Bereits in der
internen Einladung fiel auf, dass die Hauptdrahtzieher des
Siedlungsprojektes eng mit Corona-Verschwörungskanälen wie „Oberberg
bewegt!“ und „DasSindWIROberberg“ verbunden sind.
Um auf der „echten Oase mit wirklich unbegrenzten Möglichkeiten“ ab Juli
ein Dorfleben zu beginnen, schreiben Myriam, Christoph und Helmut, haben
sie „die Möglichkeit, hier etwas zu entwickeln, was es in dieser Form noch
nicht gegeben hat und jeder ist eingeladen, sich einzubringen mit Tatkraft,
Inspiration und anderen Ressourcen“. Sie bitten darum, mit „nur wirklich
engen Trauten über das Wochenende zu sprechen und ggf dann den Kanallink zu
teilen“. Eine geschlossene Gemeinschaft.
Einer der Einladenden, Christoph Schäl, hat Erfahrung mit Siedlungsideen
fernab von staatlichen Strukturen und Kontrollen. Der frühere Berufssoldat
hat mehrere Solidarische Landwirtschaften im Oberbergischen Kreis
mitgegründet. Im „Immenhofkanal“ wirkt er eng mit Peter Kittl zusammen. Der
Wiener betreibt mehrere Telegram-Kanäle und hat jüngst von einem Treffen
mit dem Allgäuer „Anastasia-Guru“ und Betreiber des „Mutterhofs“, Robe…
Briechle, berichtet.
## Noch ist unklar, wie es mit dem „Immenhof“ weitergeht
Schwärmerei für die Anastasia-Bewegung und die sogenannte russische
„Landsitzbewegung“ prägt das ganze Netzwerk um den „Immenhofkanal“. In
Niedersachsen hat der Verfassungsschutz „Anastasia“ im Jahresbericht unter
„Völkische Personenzusammenschlüsse“ aufgelistet.
Schäl meidet offene Provokation. Kittl weniger. Auf seinem Wohnmobil prangt
ein SHAEF-Aufkleber. Das Kürzel stammt von der Bezeichnung der Alliierten
für das 1943 entstandene „Oberkommando/Oberste Hauptquartier der Alliierten
Expeditionsstreitkräfte“, das diese 1945 nach der Kapitulation der
Wehrmacht allerdings schnell wieder auflösten. [2][Reichsideologen
glauben], das SHAEF bestehe weiter und sei die einzige Rechtsautorität auf
deutschem Boden, dessen Grenzen nicht den Grenzen der von ihnen sogenannten
„BRD-GmbH“ entsprechen.
Beim Wochenendprogramm geht es um die „Vision Immenhof“, österreichisches
Vereinsgesetz, [3][freies Lernen] und ein alternatives
Genossenschaftsmodell. Am Samstag werden die Dorfgründer, die sich ihrer
Sache sehr sicher scheinen, von einem Helfer des Eigentümers herumgeführt.
Doch noch ist unklar, wie es mit den Besitzverhältnissen des Immenhofs
weitergeht. Das Gelände, das 1927 der AWO als Reformprojekt für Mädchen und
junge Frauen und ab 1933 von der Hitler-Jugend zur Schulung und
Wehrertüchtigung genutzt wurde, könnte für 320.000 Euro unter den Hammer
kommen. „Oder der Eigentümer treibt vorher Geld auf. Woher auch immer“,
warnt Wulf Hemmerle. „Jetzt hilft nur noch öffentlicher Protest“, sagt der
Grünen-Politiker. Er ruft [4][zur Demo am Dienstagabend] nach Bispingen
auf.
27 Jun 2022
## LINKS
[1] https://www.sueddeutsche.de/kultur/konflikt-um-suhrkamp-verlag-wenn-trennun…
[2] /Reichsbuergerinnen-der-SHAEF-Szene/!5847766
[3] /Voelkisch-inspirierte-Seminare/!5848465
[4] https://twitter.com/WulfHemmerle/status/1541363638518403072
## AUTOREN
Andrea Röpke
Andreas Speit
## TAGS
Völkisch
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Siedler
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