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# taz.de -- Über die Maskenpflicht im Nahverkehr: Corona und Ordnung samt
> Kontrollen? Fehlanzeige! Die taz-Kolumnistin hätte da ein paar Vorschläge
> zum Umgang mit Corona im ÖPNV.
Bild: Eigentlich doch ganz einfach: die Maskenpflicht im Berliner ÖPNV
Prenzlauer Allee/Metzer Straße, vormittags um halb 12. Als die M2 anhält,
steigt eine mehrköpfige Streife uniformierter Mitarbeiter*innen der
BVG ein. „Fahrscheine, bitte!“ heißt es sogleich. Von einer
[1][geldeintreibenden Schlägerbande] kann diesmal zum Glück keine Rede
sein. Unter uns knapp 40 Seelen in Richtung Alex gibt es eh keine
Schwarzfahrenden. Eine Win-win-Situation, oder? Allerdings schaue ich
erstaunt zu, wie der Stadt 300 Euro durch die Lappen gehen.
Die Kontrolleur*innen stoßen auf ein halbes Dutzend Erwachsene, die
ohne die vorgeschriebene Mund-Nasen-Bedeckung unterwegs sind. Die in
flagranti ertappten Fahrgäst*innen befinden sich alle seit etlichen
Minuten in der Tram. Deswegen hatten eine Greisin und eine Schwangere mit
Kind – wie ich auch – bis dahin laufend nach einer wenig kontaminierten
Ecke gesucht.
## Blitzartige Reaktion
Die meisten der Erwischten holen blitzartig ihre Masken hervor und setzen
sie auf. Einer jedoch, der mit benetztem Stirnband neben dem
Fahrkartenautomaten hockt, keucht immer wieder, als hätte er es auf der
Plauze. Widerwillig wickelt er die Bandana um das Gehege seiner Zähne, so
darf er an Bord bleiben, auch wenn seine blähenden Nasenlöcher über den
oberen Rand gucken. Er und die anderen Maskenverweigerer*innen
kommen mit einer mündlichen Verwarnung davon, ohne Erhebung einer
Geldstrafe. Pro Kopf wären das 50 Euro gewesen.
Ähnliches erlebe ich anderntags in derselben Linie. Drei Kleiderschränke in
der Montur des Ordnungsamtes sitzen mit gekreuzten Armen nebeneinander.
Eine Viertelstunde lang verweilen sie da, ohne wahrzunehmen, dass am Ende
des Doppelzuges ein Picknick, natürlich ohne Masken, munter weiter
vonstattengeht.
„Oje, das tut mir leid“, vertröstet mich wenig später ein
BVG-Servicemitarbeiter. Ich bin nun in der Hotline, weil bei mir die Drähte
glühen. Mein Anruf ist eine verzweifelte Kurzschlusshandlung, der Mann am
anderen Ende bewahrt Langmut. „Wir legen Wert auf die Sicherheit“,
bestätigt er, weitgehend vom Blatt lesend: „Unser Ziel ist und bleibt, die
Mobilität für alle bequem zu gewährleisten. Wir wollen ganz Berlin bewegen,
also rund um die Uhr, Tag für Tag, heute und in der Zukunft …“
„Husten, wir haben ein Problem!“ unterbreche ich, ehe er etwas über Alpha
und Omega herunterbeten kann. Denn es geht um etwas, das zugleich als akut
und chronisch einzustufen ist: Covid-19.
Weiß man noch? Ventilatoren, überfüllte Intensivstationen, Lockdown.
Warn-Apps flimmerten über unsere Handybildschirme. Test- und Impfzentren
entsprossen dem Boden. Querdenker sind stur Heil aufmarschiert. Attila
Hildmann, der mit den heilbringenden Initialbuchstaben, gesellte sich zu
den Reichsbürgern und wollte bis zum letzten Atemzuge kämpfen. Hier eine
kurze Durchsage: „Lieber Attila, Zyankali ist immer noch vegan und
glutenfrei“. Allerdings ist der Schwurbler nicht über den Jordan gegangen,
dafür aber über den Bosporus.
Hierzulande wird das Coronavirus mittlerweile wie ein lästiger Ex-Geliebter
abgetan, der uns nicht stalken könnte, solange wir seinen Namen nicht mehr
über die Lippen bringen würden … Einlasskontrollen vor den Kaufhäusern?
Fehlanzeige. Man beschäftigt sich eher mit 5G statt 3G – und die
Maskenpflicht wurde weitgehend abgeschafft. Aber nicht überall. In Berlin
gilt sie im öffentlichen Verkehr weiterhin. Sowohl in der BVG als auch in
den S-Bahnen und Regionalzügen der DB gibt es Hinweise an den Eingängen
sowie akustische Erinnerungen, und zwar zweisprachig. Aber selten werden
[2][die Rücksichtslosen zur Rechenschaft gezogen].
Solange die „Ordnung samt“ herrscht, empfehle ich die Einrichtung separater
Covid-Abteile in den Fahrzeugen. Da könnten sich die Maskenverweiger*innen,
die seit der Einführung des 9-Euro-Tickets exponentiell zunehmen, sich mit
dem Virus in all seinen Varianten gegenseitig anstecken. In ihren Kabinen
könnte man die Junge Freiheit auslegen und dank eines Kaffeedispensers
Bleichmittel kostenlos anbieten. „Aluhüte an Bord“, Rotzfatz ans Ziel“,
„Maskenlos durch die Metropole“, das sind nur einige der Werbeslogans, von
denen man Nießbrauch – Gesundheit! – machen könnte.
28 Jun 2022
## LINKS
[1] /Rassismus-bei-BVG-Ticketkontrollen/!5837151
[2] /Mit-Maskenmuffeln-in-der-Strassenbahn/!5820535
## AUTOREN
Michaela Dudley
## TAGS
Kolumne Frau ohne Menstruationshintergrund
ÖPNV
Coronaleugner
Schwerpunkt Coronavirus
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