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# taz.de -- Saudischer Kronprinz in der Türkei: Vom Paria zum politischen Makl…
> Der saudische Kronprinz Bin Salman besucht die Türkei. Seine Strategie:
> Loyalität kaufen, Iran isolieren und den Kashoggi-Mord hinter sich
> lassen.
Bild: Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (l.) und der türkische Präs…
Kairotaz | Eines der Fotos des offiziellen Handshakes zwischen dem
türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und dem saudischen Kronprinzen
Mohammad bin Salman (MBS), sagt mehr aus als tausend Worte. MBS grinst
breit und zufrieden in die Kamera und Erdogan sieht aus, als habe er eine
Kröte verschluckt.
Es war der erste Besuch des saudischen Kronprinzen in der Türkei, seit der
saudische [1][Dissident Jamal Khashoggi] 2018 im saudischen Konsulat in
Istanbul ermordet wurde.
Eine von der UNO geleitete Untersuchung schlussfolgerte später, dass
Saudi-Arabien ein 15-köpfiges Killerteam geschickt hatte. Grundlage dieses
Fazits waren Tonaufnahme des türkischen Geheimdienstes von Gesprächen im
Konsulat. Erdoğan selbst sprach davon, dass der Auftrag von „höchster
saudischer Stelle“ gekommen sei. Auch der US-Geheimdienst machte den
Kronprinzen als Auftraggeber verantwortlich.
Dass Erdoğan und MBS sich zu Beginn des Treffens herzlich umarmten, zeugt
davon, dass beide Seiten das Khashoggi-Kapitel hinter sich bringen wollen.
Der eine möchte seine internationale Isolation beenden, der andere braucht
nach dem [2][Verfall der Türkischen Lira] dringend Geld. Mit einer Reise
Erdoğans nach Saudi-Arabien letzten April hatte diese pragmatische
Annäherung bereits begonnen.
## Kritik setzt MBS den Ölreichtum entgegen
Auf dem Programm standen nun bessere Handelsbeziehungen und mehr
Kooperation bei Verteidigung, Energie und Tourismus. Erdoğan lud die Saudis
ein, in türkische Start-ups zu investieren.
Mit einer Inflation von teilweise über 70 Prozent hat das Land eine
saudische Finanzspritze bitter nötig.
Die Methode des saudischen Kronprinzen, seiner internationalen Isolation zu
entkommen, ist so einfach wie bestechend: Kritik setzt er den Ölreichtum
seines Landes entgegen.
Das hat selbst mit US-Präsident Joe Biden funktioniert, der bald nach
Saudi-Arabien reisen wird. Der Westen braucht Ersatz für die Ausfälle
russischen Öls, Saudi-Arabien bietet sich an.
## MBS investiert auch in Ägypten
Doch MBS will höher hinaus: Er möchte sich als Architekt einer neuen
Sicherheitsordnung im Nahen Osten inszenieren. Dafür dienten vor allem
seine beiden Reisestationen vor der Türkei-Visite – Ägypten und Jordanien.
Die funktionieren nach dem gleichen Prinzip: MBS verteilt saudische
Investitionen und versucht sich damit zum wichtigsten politischen Makler
der Region zu machen.
Bei seinem Besuch in Kairo zu Beginn der Woche unterzeichneten MBS und der
ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi 14 Investitionsabkommen im Wert
von 7,7 Milliarden Dollar in den Bereichen Fast Food, Windenergie und
Luxus-Immobilien.
Die Regionalmächte Türkei und Ägypten wollen ihre jüngst turbulenten
Beziehungen hinter sich lassen, MBS weiß das zu nutzen. Da sind etwa die
angeschlagenen Beziehungen zwischen Ägypten und der Türkei. Erdoğan hat
2013 die Machtübernahme des ehemaligen ägyptischen Militärchefs und
heutigen Präsidenten al-Sisi heftig kritisiert. Der von diesem politisch
verfolgten ägyptischen Muslimbruderschaft gewährte Erdğgan in der Türkei
Exil. In Libyen unterstützte al-Sisi General Haftar im Osten, die Türkei
wiederum die Regierung in Tripolis im Westen.
Mit der Reise von MBS nach Ägypten und in die Türkei wurden einige Zäune
geflickt: Erdoğan hat die Aktivität der ägyptischen Muslimbruderschaft in
der Türkei eingeschränkt. Das Al-Sisi-Regime scheint hinter den Kulissen
über die Möglichkeit der Freilassung einiger Muslimbrüder aus ägyptischen
Gefängnissen zu verhandeln.
## MBS' Trumpfkarte
Die neue Rolle von MBS als Regional-Architekt dient gleich mehreren seiner
Zielen: Er isoliert damit seinen größten Rivalen Iran, außerdem macht er
sich so auch im Westen wieder zu einem wichtigen Partner.
Seine größte Trumpfkarte, die [3][Normalisierung der Beziehungen mit
Israel,] hat er damit noch nicht ausgespielt. Spätestens dann würde MBS vom
westlichen Paria zum Darling. Und dann hieße es auf dem internationalen
diplomatischen Parkett endgültig: Jamal Khashoggi, wer war das gleich noch
mal?
23 Jun 2022
## LINKS
[1] /Saudis-zu-totem-Journalisten-Kashoggi/!5543248
[2] https://www.ecb.europa.eu/stats/policy_and_exchange_rates/euro_reference_ex…
[3] https://www.jpost.com/middle-east/article-708095
## AUTOREN
Karim El-Gawhary
## TAGS
Türkei
Saudi-Arabien
Mohammed bin Salman
Diplomatie
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Schwerpunkt Emmanuel Macron
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