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# taz.de -- Studie zeigt gestörte Wärmeregulierung: Glyphosat beeinträchtigt…
> Das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat kann Honigbienen stark zusetzen.
> Nun haben Biologinnen den Effekt des Herbizids auf Erdhummeln untersucht.
Bild: Besser ohne Glyphosat: Erdhummel beim Sammeln
Konstanz/Ulm dpa | Das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel [1][Glyphosat]
könnte den Bruterfolg von Hummeln gefährden. Einer deutschen Studie zufolge
kann das Herbizid dazu führen, dass Erdhummeln die Temperatur im Nest
schlechter aufrechterhalten, wenn das Nahrungsangebot knapp ist. Ohne
ausreichende Wärme sei die Brut in Gefahr und damit das Überleben des
gesamten Wildbienenvolkes, schreibt das Team im Fachblatt Science.
In den vergangenen Jahren haben Studien wiederholt Hinweise darauf ergeben,
wie [2][Glyphosat auf Honigbienen] wirkt – etwa auf die kognitiven
Fähigkeiten oder auf das Immunsystem. Aber wenig ist bislang über die
Auswirkungen des Herbizids auf die fast 20.000 Wildbienen-Arten bekannt.
Nun untersuchte das Team um die Biologin Anja Weidenmüller von der
Universität Konstanz Dunkle Erdhummeln, eine der größten und häufigsten
Hummelarten in Deutschland. Es richtete im Labor 15 Hummelkolonien ein, die
jeweils durch ein Netz in zwei Hälften geteilt waren: Die Futterbox der
einen Hälfte enthielt reines Zuckerwasser, während das Zuckerwasser der
anderen Hälfte mit Glyphosat versetzt war.
Wie die Gruppe beobachtete, wirkte die Glyphosat-Exposition nicht direkt
tödlich auf die Insekten. Allerdings waren diese Kolonien schlechter darin,
die Wärmeregulierung im Nest aufrechtzuerhalten, wenn das Nahrungsangebot
eingeschränkt war. Für eine optimale Entwicklung der Brut müssen die
Temperaturen im Nest zwischen 28 und 35 Grad Celsius liegen.
„Hummelkolonien stehen unter einem sehr hohen Druck, in kurzer Zeit
möglichst schnell zu wachsen“, wird Weidenmüller in einer Mitteilung ihrer
Universität zitiert. Könnten sie die notwendige Bruttemperatur nicht
halten, entwickle sich die Brut langsamer oder gar nicht. Das schränke das
Wachstum des Volkes ein: „Erst wenn sie in der relativ kurzen
Wachstumsphase eine bestimmte Koloniegröße erreichen, sind sie in der Lage,
die geschlechtsreifen Individuen einer Kolonie, also Königinnen und
Drohnen, hervorzubringen.“
Die Insekten erzeugen die Wärme, indem sie ihre Flugmuskeln kontrahieren.
Das kostet viel Energie, weswegen vor allem diese Zeit eng mit dem
Nahrungsangebot verknüpft ist. Wurde dieses im Experiment eingeschränkt,
sank die Fähigkeit der Hummeln zur Thermoregulation um 25 Prozent. „Sie
können ihre Brut nicht mehr so lange warmhalten“, fasst Weidenmüller
zusammen.
## Kleine Effekte, große Wirkung
Für den Biologen Vincent Doublet von der Universität Ulm ist das ein
bedeutsames Ergebnis, denn die Wärmeregulierung sei bislang von der
Forschung vernachlässigt worden. „Die Studie zeigt, dass kleine Effekte auf
individueller Ebene große Folgen für die gesamte Kolonie haben können“,
sagt Doublet, der nicht an der Arbeit beteiligt war.
Wie Glyphosat diesen Effekt erziele, sei noch unklar. Eine Studie mit
Honigbienen habe gezeigt, dass das Herbizid deren Darmflora verändere und
sie anfälliger für bestimmte Krankheitserreger mache. „Es liegt nahe, dass
sich Glyphosat auch auf das Mikrobiom von Hummeln auswirkt und zum Beispiel
dafür sorgt, dass sie Nährstoffe schlechter verwerten können und somit
schwächer werden“, spekuliert der Biologe.
Da der Unkrautvernichter bei Honigbienen kognitive Fähigkeiten
beeinträchtige, seien ähnliche Effekte auch bei Hummeln denkbar: „Sie
könnten schlicht nicht merken, dass die Temperatur im Nest fällt.“
Letztlich könnten verschiedene Mechanismen auch zusammenspielen.
Die Studie zeigt für Doublet, dass Unkrautvernichtungsmittel nicht
unbedingt direkt tödlich für Insekten sein müssten, um dramatische
Konsequenzen zu entfalten. Bisher stütze sich die Zulassung solcher Mittel
oft auf Versuche mit gut gefütterten Honigbienen, die unter besten
Bedingungen lebten. Komplexe Wechselwirkungen unterschiedlicher
Stressfaktoren wie Nahrungsangebot, Wetter und Krankheitserreger würden so
nicht erfasst.
Hauptautorin Weidenmüller betont: „Die Kombination aus Ressourcenknappheit
in gerodeten Agrarlandschaften und Pestiziden kann ein massives Problem für
die Fortpflanzung der Bienenvölker darstellen.“ Neue Pestizide müssten vor
einer Zulassung genauer untersucht werden.
Bislang werde nur geprüft, wie viele Tiere binnen 24 oder 48 Stunden nach
der Fütterung oder dem Kontakt mit einer Substanz gestorben sind:
„Subletale Effekte, also Wirkungen auf Organismen, die nicht tödlich sind,
sich aber zum Beispiel in der Physiologie oder im Verhalten der Tiere
bemerkbar machen, können erhebliche negative Auswirkungen haben und sollten
bei der künftigen Zulassung von Pflanzenschutzmitteln berücksichtigt
werden.“
3 Jun 2022
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