# taz.de -- Urteil zu Fitnesskursen in Parks: Sollen kommerzielle Parknutzer za… | |
> Wer im Park Fitnesskurse anbietet, braucht eine Genehmigung des Bezirks. | |
> Das bestätigt das Verwaltungsgericht. Ist das richtig? Ein Pro und | |
> Contra. | |
Bild: Ist das ein kommerzieller Sportkurs? Schwer zu sagen | |
Ja | |
Manchmal muss mensch spießig sein. Etwa, wenn es um Parks geht, gerne als | |
„grüne Lunge“ der Berliner*innen bezeichnet. Das ist, um es noch mal zu | |
verdeutlichen, genau das Gegenteil einer Raucherlunge. Deswegen kann | |
niemand jene Idiot*innen ausstehen, die nach einem ausgiebigen, ihnen zu | |
gönnenden Grillgelage im Park den Müll nicht ordentlich entsorgen, entweder | |
in die (zugegebenermaßen oft zu wenigen) Container oder nach Hause, anstatt | |
Alupfännchen und Hähnchenknochen den Krähen zum Fraß und zur Verteilung | |
vorzuwerfen. | |
Parks gehören allen, die sie nutzen mögen. Aber wenn zu viele sie schlecht | |
behandeln, dann will sie halt niemand mehr aufsuchen. Das aber ist eine | |
krasse Minderung der Lebensqualität in Berlin, zumindest in den dicht | |
bebauten Altbaukiezen. | |
Vor diesem Hintergrund ist es völlig richtig und auch moralisch nicht zu | |
beanstanden, dass kommerzielle Anbieter von Sportangeboten dafür eine | |
(kostenpflichtige) Genehmigung brauchen. Nicht erst [1][seit der | |
Coronapandemie] hat die Präsenz von Fitnessgruppen, angeleitet von einem | |
Coach, in den Parks in einem Maße zugenommen, wogegen die aktuelle | |
Inflation geradezu lächerlich wirkt. Die dazugehörige Dauerbeschallung mit | |
billigen Beats aus dem Gettoblaster vom Lastenrad zur angeblichen | |
Motivationssteigerung nervt zusätzlich. | |
Die Masse dieser Angebote regeln zu wollen, ist richtig; der Preis dafür | |
maßvoll. In Friedrichshain-Kreuzberg etwa kostet eine für die ganze | |
Sommersaison geltende Lizenz, jede Woche einen einstündigen Kurs anbieten | |
zu dürfen, 230 Euro. So können die Bezirke einen Ausgleich anstreben | |
zwischen Interessen jener Sportbegeistern, die nicht gerne ins | |
Fitnessstudio gehen, und anderen Menschen im Park. Allerdings – das gehört | |
immer dazu – müssen die Bezirke dafür die Lizenzen auch regelmäßig | |
kontrollieren. | |
Das grundlegende Problem dahinter lässt sich auf diese Art allerdings nicht | |
lösen: Berlin hat zu wenig Grünflächen, vor allem im S-Bahn-Ring. Klar gibt | |
es den Tiergarten und das Tempelhofer Feld. Aber auch die sind stets gut | |
besucht, und wer einmal am Wochenende [2][im Volkspark Friedrichshain] oder | |
im Viktoriapark unterwegs war, weiß, was sich hinter dem Wort „Übernutzung�… | |
verbirgt. Wer will, dass Berliner*innen gesund bleiben, muss mehr | |
Stadtnatur schaffen. Bert Schulz | |
Nein | |
Berlin ist eine grüne Stadt, zum Glück, es gibt hier im Vergleich zu | |
anderen Großstädten recht viele Parkanlagen. Im Sommer sind die – viel | |
Fläche hin oder her – natürlich trotzdem voll: mit Familien und Kindern und | |
Hunden, mit Jogger*innen und Dealern, mit Slacklines, Yogamatten und | |
Einweggrills. Meistens sortiert sich das alles recht friedvoll zurecht auf | |
dem Grün. Es fragt auch niemand, ob die Vorturnerin auf ihrer Yogamatte im | |
Kreis ihrer fünf, sechs Mitturner*innen dafür am Ende pro Nase 10 Euro | |
haben will, oder ob das bloß eine private Gruppe von Freund*innen ist. | |
Alles okay also, eigentlich. Wenn da nicht das Urteil des | |
Verwaltungsgerichts wäre, das am Dienstag veröffentlicht wurde und das | |
ausdrücklich darauf hinweist: Wer den Park kommerziell nutzt, braucht laut | |
Paragraf 6 des Berliner Grünanlagengesetzes dafür eine Erlaubnis des | |
Bezirksamts. Für die Lizenz ist eine Gebühr fällig. | |
Diese Regelung dient dem naheliegenden Zweck, dass nicht jede*r auf der | |
schönsten Liegewiese seinen kleinen Privatflohmarkt oder Waffelverkauf | |
aufbauen kann. Das ist irgendwo nachvollziehbar. | |
Dennoch ist die Frage: Braucht es ein Gesetz, wenn es eigentlich gar nichts | |
zu regeln gibt? Denn tatsächlich ist es ja so: Erstens weiß kaum jemand um | |
dieses Grünanlagengesetz, und zweitens schon gar nicht um die darin | |
enthaltenen Paragrafen. Die meisten der Fitnesstrainer*innen – in der | |
Regel Soloselbständige die während der Pandemie aus den geschlossenen | |
Fitnessstudios in die Parks ausgewichen sind – dürften also eher davon | |
ausgehen, dass es erlaubt ist, was sie da tun. Oder dass es zumindest nicht | |
explizit verboten ist. | |
Dass trotzdem nicht mehr Coaches ihre [3][Musikboxen im Mauerpark oder in | |
der Hasenheide] aufdrehen und sich zugleich auch keiner von den anderen | |
Menschen im Park wirklich über die Sportkurse aufregt, heißt ja bloß: So | |
groß ist hier die Nutzungskonkurrenz ums Grün gar nicht, dass man das | |
unbedingt regeln müsste. | |
Denn auch das ist ja wahr: Kontrolliert wird der Paragraf 6 ohnehin nicht, | |
weil die Ordnungsämter das gar nicht schaffen können. Da kann man auch | |
gleich sagen: Was soll diese Blockwart-Attitüde? Wenn etwas mal nicht | |
gesetzlich geregelt werden muss, sollte man es auch getrost lassen. Die | |
Berliner*innen machen das schon selbst. Anna Klöpper | |
1 Jun 2022 | |
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## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
Anna Klöpper | |
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