# taz.de -- Abgelehnt von der Muckibude: Training unter Weißen | |
> Niguse Alema berichtet, wie ein Fitnessstudio ihn abzuwimmeln versuchte. | |
> Aus rassistischen Gründen, vermutet er. Das Personal reagiert überrascht. | |
Bild: Roter Kopf ist erlaubt, bei dunkler Haut könnte es schon anders aussehen | |
BREMEN taz | In den Filialen der Kette Joyfitness kann man günstig | |
trainieren. Es handelt sich um einen Fitness-Discounter in einer Liga mit | |
McFit. Den Trainingsvertrag gibt es laut der Webseite für 14,99 Euro pro | |
Monat. Nur offenbar nicht für alle. | |
Für Niguse Alema war es nicht so einfach, einen Vertrag mit dem | |
Fitnessstudio abzuschließen. Möglicherweise liege das an seiner Hautfarbe | |
und seinem nichtdeutschen Namen, vermutet er. Alema hat beim Bremer | |
Joyfitness-Standort in der Föhrenstraße einen Termin für ein Probetraining | |
vereinbart, erzählt er der taz. Als er zur vereinbarten Zeit erschienen | |
sei, habe die Mitarbeiterin versucht, ihn abzuwimmeln. | |
Zwar habe er sich durchgesetzt und letztlich doch noch am Probetraining | |
teilgenommen, unter der Voraussetzung, dass er seinen Personalausweis | |
hinterlege. Als er dann jedoch einen Vertrag abschließen wollte, habe man | |
ihm gesagt, das Angebot für 14,99 Euro sei nicht mehr verfügbar. | |
Stattdessen würde er monatlich etwa 40 Euro zahlen müssen. | |
Daraufhin sei eine weiße Freundin von Alema am nächsten Tag zum Joyfitness | |
gegangen. Sie habe ohne Weiteres ein Angebot für 14,99 Euro bekommen. | |
## Mitgliedskarte kam nie an | |
Alema und die Freundin kehrten gemeinsam zurück, um sich zu beschweren. | |
Dieses Mal konnte Alema den Vertrag mit dem günstigen Angebot | |
unterschreiben. Joyfitness musste ihm bloß noch seine Mitgliedskarte | |
zuschicken, dann könnte er mit dem Training beginnen. | |
Doch die kam nie an. Auf Alemas Anrufe hin habe es geheißen, zuständige | |
Mitarbeiter_innen seien im Urlaub – oder es verzögere sich alles wegen der | |
Pandemie. | |
„Mein ungutes Gefühl wurde immer stärker, denn inzwischen hatten sich schon | |
andere Freunde mit heller Hautfarbe und deutsch klingendem Namen | |
erfolgreich angemeldet“, sagt Alema. Er habe auch schriftlich Beschwerde | |
eingereicht, aber keine Antwort erhalten. | |
Ein Anruf bei Joyfitness kann die Geschichte nicht aufklären. Die | |
Mitarbeiterin, die ans Telefon geht, sagt, sie wisse nichts über den | |
konkreten Fall. „Es ist schon so, dass hier ausländische Mitbürgerinnen und | |
Mitbürger trainieren“, sagt sie. Es gebe auch einen ausländischen Trainer, | |
der gerade Deutsch lerne. | |
Dass ein Fehler passiert sei, schließe sie nicht aus. „Wir haben hier ein | |
bisschen Chaos seit anderthalb Jahren.“ Wegen Corona sei alles total | |
durcheinander. Sie verweist an die ausgelagerte Verwaltung, an die auch die | |
schriftliche Beschwerde gegangen sein müsste. Die Verwaltung sei allerdings | |
nur mittwochs zu erreichen. | |
Alema möchte wissen, ob sein Erlebnis ein Einzelfall ist. Er teilt seine | |
Geschichte auf Instagram und entdeckt mehrere Rezensionen, die von | |
diskriminierenden Erfahrungen berichten. Zum Zeitpunkt dieser Recherche ist | |
die überwältigende Mehrheit der 298 Google-Bewertungen positiv. Fünf von | |
den negativsten Rezensionen berichten jedoch von rassistischen Erfahrungen. | |
„Mein Kollege ist Halbtürke und wurde hier vom Personal nicht | |
hereingelassen, weil die meinten, er sähe asozial aus“, schrieb ein User | |
mit deutschem Namen vor drei Tagen. Ihn selbst habe man hingegen problemlos | |
hineingelassen. Auch die Freundin von Alema meldet sich zu Wort: | |
„Rassistischer Laden, schämt euch!!“ | |
Ein Nutzer mit dem Namen Yousef schreibt, Joyfitness habe ihn hingehalten, | |
die Kette suche sich die Kunden und Kundinnen offenbar nach rassistischen | |
Kriterien aus. Eine andere Nutzerin schreibt, ihre Freundin sei aufgrund | |
ihres Kopftuchs abgewiesen worden. Nur die letzten beiden Rezensionen sind | |
älter als eine Woche. | |
Ein Mitarbeiter, der von seinen Kolleg_innen als Vorgesetzter bezeichnet | |
wird, seinen Namen aber nicht nennen will, erklärt am Telefon: „Wir haben | |
auch Mitglieder, die beim Training ein Kopftuch tragen.“ Man biete auch | |
Sportmodelle an, ähnlich wie eine Badekappe.Was im Fall von Alema schief | |
gelaufen sei, könne er überhaupt nicht verstehen. Er habe nicht erlebt, | |
dass bei der Verwaltung in letzter Zeit öfter Verträge verlorengegangen | |
seien. Dass Alema das Angebot für 14,99 Euro vorenthalten wurde, kann er | |
nicht erklären. Die Angebote würden aber durchaus wechseln. | |
Er wisse bloß, dass in der Vergangenheit bereits Menschen, die | |
beispielsweise wegen Fehlverhaltens ein Hausverbot bekommen hatten, aus | |
Frust negative und gelogene Rezensionen geschrieben hätten. „Das betrifft | |
aber auch andere Gruppen“, fügt er hinzu, und meint damit wohl Menschen | |
ohne äußerlich migrantische Merkmale. Besonders nachdrücklich lädt er ein, | |
sich vor Ort davon zu überzeugen, wie „multi-kulti“ es bei Joyfitness sei. | |
Am besten bei einem unangemeldeten Probetraining, damit die Situation nicht | |
geplant werden könne. | |
Alema ist es wichtig, dass die Geschichte öffentlich wird. Er könne zwar | |
auch in ein anderes Fitnessstudio gehen. „Aber Menschen wie ich entwickeln | |
das Gefühl, dass sie nie dazu gehören können“, sagt er. „Ich will, das s… | |
das ändert.“ | |
18 Nov 2021 | |
## AUTOREN | |
Paul Petsche | |
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