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# taz.de -- #MeToo in der katholischen Kirche: Ciao, Kulturwandel!
> Die katholische Kirche steckt in der Krise und duckt sich weg. Rücktritte
> wird es nicht geben. Dabei wären sie ein wichtiges Signal.
Bild: Der Limburger Bischof Georg Bätzing auf dem Katholikentag in Stuttgart
Die katholische Kirche hat nun ihren eigenen #MeToo-Fall. Keine
Überraschung in dieser Institution. Menschen, die sich im Kirchenumfeld
bewegen, preisen sexualisierte Annäherungen, Übergriffe im Machtgefälle
quasi ein. Im konkreten Fall, der durch die Berichterstattung der
Zeit-Beilage „Christ und Welt“ ans Licht kam, geht es um zwei Frauen, die
von einem Priester im Bistum Limburg belästigt wurden. Beide Fälle liegen
einige Jahre zurück.
Es geht um Berührungen und Ansprache mit Kosenamen. Einer Mitarbeiterin des
Bistums soll der Priester unter das T-Shirt an die Brust gefasst haben. Die
Veröffentlichung kam pünktlich zum Katholikentag, der bis Sonntag in
Stuttgart stattfindet. Ein echter Coup, denn nicht nur
Kirchenanhänger:innen, sondern auch die Öffentlichkeit verfolgt
dieses Event aufmerksam.
Der Limburger Bischof Georg Bätzing, der auch Vorsitzender der deutschen
Bischofskonferenz ist, meldete sich prompt via Pressemitteilung zu den
Vorwürfen. Er würde sich „entschieden“ [1][dafür einsetzen, dass es einen
„Kulturwandel in der Kirche“ gibt], „Betroffene gehört, Missbrauch
verhindert sowie Täter und Taten klar benannt werden“. Bätzing habe erst
einige Jahre nach seinem Wechsel ins Bistum Limburg von den Vorwürfen
erfahren. Es gab eine Missbilligung, eine schriftliche Ermahnung – und dann
nach erneuter Prüfung eine Beförderung zum Bezirksdekan für den
Beschuldigten.
Bätzing weist alle Mitschuld von sich, gibt sich verständnisvoll für die
Empörung der Betroffenen über die Beförderung des Beschuldigten, bietet
Gespräche an für Betroffene. In den konkreten Fällen geht es um erwachsene
Menschen, nicht um Schutzbefohlene oder Minderjährige. Es geht auch nicht
um systematische und weit verbreitete sexualisierte Gewalt in kirchlichen
Einrichtungen, die jahrelang vertuscht wurden. Dennoch muss es wie ein Hohn
für die beiden betroffenen Frauen sowie alle anderen Kirchenbeschäftigten
klingen, wenn die Taten überhaupt keine Auswirkungen innerhalb der
Institution haben und sie stattdessen mit der Information über reumütige
Gespräche abgespeist werden.
## Die Strukturen geben es her
Wie lange können Amtsinhaber bedauern, sich erschüttert zeigen, um
Entschuldigung bitten? Wie viele Papiere müssen geschrieben, debattiert und
in den Kirchengremien verabschiedet werden, damit sich der viel beschworene
„Kulturwandel“ vollzieht? Die Irritation ist enorm, auch in den eigenen
Reihen. Zum Auftakt des Katholikentags äußerte sich der Bischof des Bistums
Rottenburg-Stuttgart zum #MeToo-Fall ungewöhnlich scharf. Er sei perplex
und überrascht, sagte Gebhard Fürst. Er würde in seiner Diözese so etwas
niemals tun.
Auch Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen
Katholiken, hat Fragen. Bätzing müsse zu einem Fehler in der Vergangenheit
auch Stellung nehmen. Selbst Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
fordert Kirchenreformen und setzt auf die Arbeit des Synodalen Wegs. Seit
2019 läuft der Reformprozess in der katholischen Kirche in Deutschland. Es
geht um die katholische Sexualmoral, den Umgang mit Macht, um Frauen in der
Kirche und die priesterliche Pflicht zum Zölibat.
Die Worte verpuffen, prallen an hohen Würdenträgern ab. Seit Jahren. Das
katholische #MeToo ist nur ein weiterer Fall in einem hierarchischen
System, das veränderungsunwillig, träge ist und den „Schuss“ – wie
Kirchenkritiker:innen es via Twitter formulierten – nicht gehört hat.
Die Folgen: Schweigen, Ratlosigkeit, Kapitulation. Die, die auf Reformen
hoffen, verzweifeln oder gehen. So wie Andreas Sturm, der erst vor Kurzem
sein Amt als Generalvikar des Bistums Speyer niederlegte und aus der
katholischen Kirche austrat. Er hatte keine Hoffnung auf Veränderung mehr.
Ein Reformer geht, viele kritische Geister haben es bereits getan. Etlichen
Jugendorganisationen, die sich an den verkrusteten Strukturen abarbeiten,
geht zunehmend die Energie aus.
Diese Institution hat mehr als 20 Millionen Mitglieder. [2][Tendenz rasant
sinkend]. Oben-und-unten-Hierarchien spielen eine zentrale Rolle, Demut,
Ertragen von Leid, Schweigen gegenüber Ranghöheren. Die Reaktion Bätzings
zeigt, dass sich an dieser Imagepflege möglichst nichts ändern soll. Die
Strukturen geben es her, rechtfertigen Methoden und Entscheidungen. Also
halten auch die Amtsträger daran fest. Ein echter Kulturwandel ist mit
diesen Personalien nicht drin.
26 May 2022
## LINKS
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## AUTOREN
Tanja Tricarico
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Katholische Kirche
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