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# taz.de -- Nach den Wahlen im Libanon: Blockbildung im Gange
> Die libanesischen Wahlen sind ausgezählt: Hisbollah und Verbündete
> verlieren, die Opposition legt zu. Die Regierungsbildung dürfte dauern.
Bild: Abgewählt: Hisbollah-Führer Narallah auf einem Plakat in Aley, Libanon
Beirut taz | Die endgültigen Ergebnisse der libanesischen Parlamentswahlen
spiegeln die Ablehnung der Bevölkerung gegenüber der politischen Klasse
wider: Nur 41 Prozent wählten überhaupt, [1][unabhängige
Oppositionskandidat*innen] konnten 16 von 128 Sitzen ergattern. Im
Wahlbezirk Beirut zogen 5 von ihnen ins Parlament ein.
Die Miliz und Partei Hisbollah und ihre Verbündeten haben ihre bisherige
Parlamentsmehrheit verloren. Statt zuvor 71 stellen sie nun nur noch 62
Abgeordnete. Zwar hat die Hisbollah selbst keinen ihrer 13 Sitze verloren –
auch durch Einschüchterungen, Stimmenkauf und Manipulation –, ihre
Alliierten aber schon, mindestens 2 davon an Oppositionelle.
Einer von ihnen – [2][Saad Hariri], Ex-Ministerpräsident und wichtigster
sunnitischer Politiker im Land – hatte die Wahlen boykottiert, so wie viele
seiner Anhänger*innen. Hariri teilte sich einst die Macht mit der
Hisbollah in einem „Einheitskabinett“. Das brachte ihm 2017 so viel Unmut
seines vorigen Förderers Saudi-Arabien ein, dass sie ihn entführten und zum
Rücktritt zwangen – den er später wieder zurücknahm.
Vor allem die christliche Freie Patriotische Bewegung, eine wichtige
Verbündete der Hisbollah, schloss bei den Wahlen am Sonntag schlecht ab. Es
ist die Partei des bisherigen Präsidenten Michel Aoun, die von seinem
Schwiegersohn Gebran Bassil geleitet wird. Bei den Massenprotesten 2019
wurde er zum Inbegriff der Korruption. Dafür steht er seit [3][2020 auch
auf der Sanktionsliste der USA]. Seine Partei ist nun nicht mehr der größte
christliche Block im Parlament – den stellen jetzt die rechtsnationalen
[4][Libanesischen Kräfte], die 20 Sitze gewannen. Sie werden von den USA
und Saudi-Arabien unterstützt – die wiederum sind der Hisbollah mit ihrer
Schutzmacht Iran feindlich gesinnt.
## Große Aufgaben warten – etwa die Stromversorgung
Die beiden Blöcke stehen sich feindlich gegenüber. Das könnte die
Regierungsbildung blockieren. Denn keine der Parteien scheint ihre
Niederlage wirklich anzuerkennen. Dabei nutzt vor allem die Hisbollah die
Angst vor einem erneuten Bürgerkrieg für sich: Um die Ermittlungen zu der
Explosion im Beiruter Hafen 2020 zu stoppen, protestierten ihre
Anhänger*innen vergangenen Oktober gegen den Untersuchungsrichter.
Dabei kam es zu [5][Schusswechseln mit den Libanesischen Kräften]. Zwei
Abgeordnete, die wegen der Explosion im Beiruter Hafen 2020 angeklagt sind,
wurden nun wiedergewählt.
Was Geschlechterparität angeht, sieht es nicht gut aus: Gerade mal 8 Frauen
ziehen in das Parlament ein. Das sind mehr als je zuvor, aber bei 128
Sitzen wenige. 4 von ihnen sind Oppositionelle.
Die Wahlen waren weder unabhängig noch frei: Parteiangehörige schauten
Menschen beim Wählen über die Schulter, andere begleiteten sie unter dem
Vorwand in die Kabine, die Wähler*innen seien behindert und bräuchten
Unterstützung. Die libanesische Zeitung [6][L’Orient-Le Jour berichtete],
dass in allen politischen Lagern bis zu 200 US-Dollar für Wahlstimmen
geboten worden seien. Das bestätigte auch die Wahlbeobachtungsmission der
Europäischen Union. Dennoch lobte der Chefbeobachter, dass die Wahlen
überhaupt stattfanden.
Auf die neue Regierung warten große Aufgaben: Der Haushaltsplan für 2022
ist noch immer nicht beschlossen. Im Libanon gibt es [7][nur stundenweise
zuverlässig Strom]. Alternative Energiequellen, etwa aus Jordanien oder
Ägypten, lassen auf sich warten. Zwar gibt es einen Fahrplan mit dem
Internationalen Währungsfonds zur wirtschaftlichen Zukunft des Libanon –
doch um die versprochenen Gelder zu bekommen, muss die neue Regierung
Reformen umsetzen. Das hatte die bisherige bis zuletzt nicht geschafft.
18 May 2022
## LINKS
[1] /Parlamentswahlen-im-Libanon/!5850403
[2] /Regierungsbildung-in-Libanon/!5787227
[3] https://home.treasury.gov/news/press-releases/sm1177
[4] /Wahlen-im-Libanon/!5852002
[5] /Mehrere-Tote-im-Libanon/!5804675
[6] https://today.lorientlejour.com/article/1299599/voters-at-several-polling-s…
[7] https://www.france24.com/en/live-news/20220401-cash-strapped-lebanon-strugg…
## AUTOREN
Julia Neumann
## TAGS
Wahlen
Libanon
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Hisbollah
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