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# taz.de -- Die Wahrheit: Im luftleeren Raum
> Fällt die Münchner Wiesn dieses Jahr doch wieder aus? Nein, ein
> Eventforscher bastelt gerade an der Rettung des Oktoberfestes.
Bild: 327.946 Probanden versuchen, im luftleeren Raum die Münchner Wiesn zu re…
Heiß ist es hier drinnen. Stickig, fensterlos und ohne Ausweg. Und wir
stehen erst am Eingang. Simon Heindl winkt uns freudestrahlend heran. Der
43-jährige Bierbrauer in fünfter und Eventforscher in erster Generation
zieht uns weiter hinein in sein groß angelegtes Experiment mit dem Namen
„Fun, Fun, Fun under the sun, sun, sun, ohne Corona“, für das er
Fördermittel „im hohen hundertstelligen Bereich aus praktisch allen
Unterhaltungs- und Verköstigungsbranchen dieser Welt“ erhalte. Heute Morgen
habe ihm sogar der nordkoreanische Diktator Kim Jong Un „einen Betrag“ in
Aussicht gestellt.
Ziel des Heindl’schen Experiments: einen komplett luftleeren Raum auf
dieser pandemiegeplagten Erde zu fabrizieren, in dem Aerosole, die das
Coronavirus übertragen, keine Chance mehr haben, weil sie keine Chance
haben, durch die Luft transportiert zu werden. Weil, wie es Heindl prägnant
zusammenfasst, „die Luft dann einfach nicht mehr da ist, die können Sie
schneiden, mit einem Messer“.
Und tatsächlich, Heindl reicht uns ein Tortenmesser. Untermalt von dumpfem
Techno, der sich mit „O’zapft is!“- Rufen und dem Bayerischen
Defiliermarsch für Taube krachledern abwechselt, versuchen wir vergeblich,
die vermutete Luft zu schneiden. Eine alte Dame im tief ausgeschnittenen
Dirndl jault auf. Wir haben ihr aus Versehen mit dem Tortenmesser den
Oberarm angeritzt.
Es ist aber auch eng hier, ja es ist überhaupt kein Durchkommen mehr!
Mindestens 327.946 Menschen befinden sich in dieser eigentlich einst nur
für 389 Kletterer ausgelegten Halle im Osten von München. „In Feierlaune
natürlich“, wie der clevere Partywissenschaftler, auf den auch bundesweit
die Max-Planck-Gesellschaften und Karl Lauterbach ein Auge geworfen haben,
launig präzisiert. Dann bietet er einen Kleinen Feigling aus dem
Sangria-Eimer an.
## Schaumbier für Vakuum
Heindl, der mit einem „Schaumbier zum Selberbrauen“ im zweiten Lockdown
einen fulminanten Ladenfeger hinlegte und seitdem „kreditwürdig bis zum
Weltuntergang“ ist, hat die Mission, den Weltraum auf Erden nachzubauen. Im
Münchner Osten, zur Rettung der Wiesn, die Bundesgesundheitsminister Karl
Lauterbach neulich wieder infrage gestellt hat. Denn der Weltraum, der rund
200 Kilometer über unserer Erde beginnt, ist nicht nur intergalaktisch, er
ist auch ein luftleerer Raum, und so einen luftleeren Raum nennt man
Vakuum. Die Luftschicht, die unseren Planeten ummantelt, ist dort alle.
Coronaviren können sich im All nicht verbreiten, Aerosole sind dort
chancenlos.
Heindl ist also mit seinem groß angelegten Experiment „Fun, Fun, Fun under
the sun, sun, sun, ohne Corona“ an seinem Eventforscherziel angelangt. Denn
er hat auch das Megaproblem des Weltraums gelöst, das sich mit allen
Megaevents auf dieser Welt beißt: „Weil sich Schall ohne Luft nicht
fortbewegt, kann man im luftleeren Weltraum nichts hören, keinen Mucks“,
doziert der Mittvierziger, „auch nicht Reinhard Mey oder die Beatles.“
Wie kann es nun sein, dass es beim groß angelegten Experiment „Fun, Fun,
Fun under the sun, sun, sun, ohne Corona“ hier in dieser luftleeren
ehemaligen Kletterhalle mit 327.946 Probanden so laut ist? Sind es schlicht
die grölenden, kreischenden, kotzenden und aus allen Löchern pfeifenden
327.946, die den luftleeren Raum entgegen allen Naturgesetzen in die Knie
zwingen? Oder hat es Heindl auf andere, ja gar auf wissenschaftliche Art
geschafft, den Raum trotzdem zum Singen und Klingen zu bringen?
Mit allerletztem Sauerstoff im Hirn hängen wir an den Lippen des
Eventforschers. Als er final ansetzt, uns die Umgehung jenes ehernen
Naturgesetzes zu erklären, fällt der Strom aus. Die Stroboskoplichter
erlöschen, die Blasmusik-Karaoke erstirbt. Jetzt hilft nur noch schunkeln
im Stockdunkeln. Die Wiesn 2022 ist gerettet. Doch wo ist Simon Heindl?
20 May 2022
## AUTOREN
Harriet Wolff
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Die Wahrheit
Oktoberfest
München
Weltraum
Kolumne Der rote Faden
Schwerpunkt Klimawandel
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