| # taz.de -- Kultur nach der Pandemie: Overkill und Verunsicherung | |
| > Berliner Kulturinstitutionen klagen über noch wenig Publikum. Zugleich | |
| > steigt die Premierendichte wieder. | |
| Bild: Hier zumindest war es mal voll: bei einem Benefizkonzert für die Ukraine… | |
| „Zumindest bei unseren Lesungen erleben wir gerade einen Ansturm“, sagt | |
| Moritz Malsch vom Literaturhaus Lettrétage, das letzten Herbst von | |
| Kreuzberg nach Mitte ins Kulturhaus Acud umgezogen ist. „Im Moment herrscht | |
| einfach Frühlingserwachen vor“, sagt auch [1][Janika Gelinek vom | |
| Literaturhaus Berlin] in der Fasanenstraße. „Die Freude, einfach zusammen | |
| sein zu können, ist überwältigend“, fügt sie an. „Wir werden wohl erst | |
| gegen Jahresende mit einer statistischen Auswertung beginnen.“ | |
| So oder so ähnlich lässig sehen es einen guten Monat nach dem Wegfall aller | |
| Coronamaßnahmen viele Kulturveranstalter*innen in Berlin. Die Rede | |
| von Publikumsschwund, wie sie in letzter Zeit bei manchen | |
| Theatermacher*innen wie dem Regisseur am Hamburger Thalia Theater, | |
| Christopher Rüping, der Leiterin des Theatertreffens, Yvonne Büdenhölzer, | |
| oder Martin Woelffer von den Ku’dammbühnen laut wurde, halten viele für | |
| überzogen. | |
| Sie stimmen Daniel Bartsch, Pressesprecher von Berlins [2][Kultursenator | |
| Klaus Lederer] (Linke), zu. Er sagt, dass das Publikum zwar besonders beim | |
| langen Besuch des Theaterstücks in geschlossenen Räumen „nicht nur gefühlt, | |
| sondern nachweisbar noch zurückhaltend“ sei. Dennoch sei man ziemlich guter | |
| Hoffnung, dass sich das Publikum nicht entwöhnt habe, sondern dass sich der | |
| Zuspruch weiter stabilisieren wird. | |
| „Unsere Vorstellungen sind nicht sehr gut, aber gut besucht“, sagt auch | |
| Daniel Brunet vom English Theatre Berlin/International Performing Arts | |
| Center. Dass jetzt manche Häuser klagen, hängt seiner Meinung nach eher mit | |
| der Flut an Angeboten zusammen, die es nun wieder gibt. Die Theater, so | |
| Brunet, haben viel Nachholbedarf und zeigen teilweise jeden zweiten Abend | |
| eine Premiere. „Es wird ein bisschen dauern, bis die Spielpläne wieder klug | |
| synchronisiert sind und nicht alle alles gleichzeitig spielen“, fügt er | |
| lachend an. | |
| ## Auch das Geld spielt eine Rolle | |
| Vergleichbar sieht es auch der Veranstalter eher kleinerer Konzerte im | |
| subkulturellen Bereich, Ran Huber. Er hat laut eigener Aussage ebenfalls | |
| kaum Einbrüche zu verzeichnen. Dennoch, so Huber, beklage man in seiner | |
| Branche manchmal, dass nach der Pandemie nicht vor der Pandemie sei. | |
| Auch er spricht im Konzertbereich vom erwarteten Overkill: Das Publikum hat | |
| auch hier seit ein paar Wochen die Qual der Wahl. Darüber hinaus, so Huber, | |
| herrsche Verunsicherung wegen der Pandemie. Die Menschen hätten nach wie | |
| vor wenig Lust, sich anzustecken, außerdem bitten einige | |
| Veranstalter*innen um Masken oder Testnachweise am Einlass – und | |
| andere nicht. | |
| Schließlich spricht Huber aber auch noch einen sozialen Aspekt an. Die | |
| Schere zwischen Arm und Reich, so der Veranstalter, gehe auch in dieser | |
| Stadt schon jetzt spürbar immer weiter auseinander. „Viele konnten sich vor | |
| Corona vielleicht gerade noch so ab und zu einen Abend im Theater oder im | |
| Konzert leisten“, sagt er. | |
| Jetzt sei das für einige Leute gar nicht mehr drin. Vielleicht ist es vor | |
| diesem Hintergrund wirklich noch nicht sicher, ob der Kulturbetrieb in | |
| Berlin bald wieder ganz der alte ist. | |
| 8 May 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Susanne Messmer | |
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