Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Prozess um gekürzte Betriebsratsgehälter: Einmal Chefetage und zu…
> Vattenfall will vier Betriebsräten ihre vergleichsweise hohen Gehälter
> kürzen. Der Betriebsratsvorsitzende klagt dagegen, ist aber
> gesprächsbereit.
Bild: In diesem Fall Fahrrad statt Firmenwagen: Demo des DGB am 1. Mai 2022 in …
Hamburg taz | Der Geist des Arbeiterkampftages weht noch fort, als sich
Gewerkschafter:innen vor dem Hamburger Arbeitsgericht am
Dienstagvormittag zu einer kleinen Kundgebung einfinden. Rund 30 Menschen
stehen dort, ausgelassen optimistisch unterhält man sich über den
anstehenden Prozess. Die IG Metall hat zusammengetrommelt und jetzt wehen
rote Fahnen der Pforte des Gerichtsgebäudes entgegen, bevor die Verhandlung
gegen Vattenfall beginnt, die ihrem Betriebsratsvorsitzenden das Gehalt
gekürzt hatten. Sogar aus Berlin sind Betriebsräte angereist, um
Unterstützung zu zeigen.
Rainer Kruppa ist Betriebsratsvorsitzender von [1][Vattenfall] und Vize des
European Work Council, dem Betriebsrat von Vattenfall auf europäischer
Ebene. Damit vertritt er rund 6.000 Angestellte. Im September 2020 hatte
der Energieversorger ihm das Gehalt massiv gekürzt. Von ehemals rund
160.000 Euro brutto im Jahr auf Tarifniveau K1. Das liegt bei etwa 5.500 im
Monat und entspricht seinem Gehalt von 2002.
Kruppa hatte 1983 eine Ausbildung zum Maschinenschlosser begonnen, damals
noch bei den Hamburgischen Elektrizitätswerken (HEW). Nach dem Abschluss
arbeitete er im [2][Kernkraftwerk in Brunsbüttel], zuletzt als
Anlagentechniker. Dort wählte die Belegschaft ihn 2002 in den
[3][Betriebsrat], 2006 stieg Kruppa zum Vorsitzenden auf. Von da an war er
von betrieblichen Aufgaben freigestellt und konnte sich um [4][Belange der
Arbeitnehmer:innen] kümmern, ein Vollzeitjob.
Fast 20 Jahre arbeitet Kruppa als Betriebsrat, bis ihn Vattenfall im
September 2020 schriftlich über die Gehaltskürzung informiert. Anlass war
eine interne Prüfung bei Vattenfall gewesen. Der Leasingvertrag für den
Firmenwagen eines anderen Betriebsrates war ausgelaufen und Vattenfall
wollte urteilen, wie die Konditionen für eine Verlängerung aussähen. Dabei
wurde das Unternehmen auf die üppigen Gehälter der Betriebsräte aufmerksam
und befand, dass diese nicht zu den Qualifikationen der Arbeitnehmer
gepasst hätten. Viel zu viel Gehalt, für viel zu wenig Diplome.
Drei andere Betriebsräte sind jetzt noch von Kürzungen betroffen. Kruppa
sagt: „Das sind Verfahren, in denen Vattenfall versucht, Betriebsräte
kleinzuhalten.“
Kruppa und seine Anwältin zeigen sich vor Gericht am Dienstag
gesprächsbereit. Zumindest die 97.000 Euro jährlich, die ein Ingenieur als
Anlagenleiter in einem Atomkraftwerk verdient seien angemessen. Dahin hätte
sich Kruppa in den vergangenen 20 Jahren hypothetisch hocharbeiten können,
wäre er nicht in Vollzeit als Betriebsrat eingespannt gewesen.
Dass Kruppa gut verdient hat, ist ihm durchaus bewusst. Der etwas
gedrungene Mann hat die kräftigen Hände eines Schlossers auch nach Jahren
der Büroarbeit behalten. Vor Gericht ist er zurückhaltend. „Klar, das war
ein hohes Gehalt. Da war ich auch stolz drauf“, sagt er. Und seine Anwältin
Marlene Schmidt pflichtet bei. „Herr Kruppa ist kein 08/15 Arbeitnehmer, er
hat eine ganze Menge Qualifikationen, die er in den Job eingebracht hat.“
Ina Morgenroth, Geschäftsführerin von IG Metall Hamburg, gibt ein Beispiel:
„Nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima 2011 hat Kruppa auf höchster
Ebene mit der Politik verhandelt, wie man einen [5][Atomausstieg]
organisieren kann, ohne Arbeitsplätze in Gefahr zu bringen.“ Doch
Vattenfall lehnt ab, ohne Ingenieursstudium kein Ingenieursgehalt.
Die Anwältin sieht Vattenfall in der Pflicht, zu zeigen, dass Kruppa eben
keinen Anspruch auf sein Gehalt hätte. „Es gab eine Vereinbarung. Und nach
20 Jahren sagt der Arbeitgeber, er habe sich all die Jahre geirrt und
Kruppa irrtümlich bevorzugt. Jetzt muss der Arbeitgeber auch zeigen, dass
Kruppa sich nicht so weit entwickelt hätte, wenn er nicht Betriebsrat
geworden wäre.“
Auch die vorsitzende Richterin Petra Kriens ist über das Gehalt erstaunt:
„Der Kläger verdient hier genauso viel, wie ein Kernkraftwerksleiter. Ich
denke, das würde in der Öffentlichkeit doch zumindest ein ungutes Gefühl
hervorrufen.“
## Wie weit hätte Kruppa aufsteigen können?
Gewerkschafterin Morgenroth hält das für überzogen. „Ohne sein politisches
Wirken hätten viele energiepolitische Entscheidung nicht getroffen werden
können. Beschäftigte wären nicht abgesichert gewesen. Und dafür braucht es
keinen Hochschulabschluss.“
Allerdings mahnt sie Vattenfall auch zu einer raschen Einigung im Fall.
Schließlich hat der Energieversorger den Streit selbst entfacht, in dem er
jetzt steckt. „In 2020 bemerken Sie: Was haben wir denn da die letzten 20
Jahre lang gemacht?“, fragt die Richterin in Richtung der Anwältinnen von
Vattenfall.
Diese feilschen lieber um Posten. Anlagenleiter sei deutlich zu hoch.
Technischer Fachgebietsleiter, das ließe sich gut argumentieren. Der
Konzern will Rechtssicherheit und lehnt eine Einigung ab. Alles andere wäre
mit der Compliance des Unternehmens nicht vereinbar. Das bloße Potential
eines Arbeitnehmers reiche nicht aus, um daran sein Gehalt festzumachen.
Stattdessen hätte der Kläger sich aktiv auf Posten im Unternehmen bewerben
müssen. Während einer solchen Bewerbungsphase hätte man dann tatsächliche
Qualifikationen klären können.
Noch immer staunt Kruppa über die Kürzungen. Immerhin hatte er beinahe den
Kredit zum Hausbau unterschrieben. „Ich hätte mit allem gerechnet, nur
nicht damit, dass geschäftlich Abgesichertes nicht gilt.“
Das Urteil steht noch aus. Im nächsten Termin, voraussichtlich in sechs bis
acht Wochen, will das Gericht zunächst die Beweisaufnahme fortsetzen.
4 May 2022
## LINKS
[1] /Vattenfall/!t5010342
[2] /AKW-Brunsbuettel/!t5030640
[3] /Betriebsrat/!t5020538
[4] /Streben-nach-Profit/!5146673
[5] /Atomausstieg/!t5010896
## AUTOREN
Leopold Pelizaeus
## TAGS
Vattenfall
IG Metall
Betriebsrat
Hamburg
Gehalt
Hamburg
Union Busting
## ARTIKEL ZUM THEMA
Prozess vor Hamburger Arbeitsgericht: Vattenfall will nicht blechen
Erfolgreich klagte ein Hamburger Betriebsrat gegen seine Gehaltskürzung.
Der schwedische Energiekonzern hat aber nun Berufung eingelegt.
Bremer Konferenz zu Union Busting: Zermürbung als Strategie
Anlässlich eines krassen Falls aus der Region hat in Bremen eine Konferenz
zu Union Busting stattgefunden. Die Sabotage von Betriebsräten hat System.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.