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# taz.de -- Tod auf dem Weg zur Schule in Syrien: „Wann wird dieser Krieg end…
> Syriens letzte Rebellenhochburg Idlib wird immer wieder von der
> Regierungsarmee angegriffen. Wie vier Kinder auf dem Schulweg ums Leben
> kamen.
Bild: Was nach dem Angriff vom 4. April übrig blieb: Rücksäcke, Hefte, Blut
Ma’arat al-Na’asan taz | Gegen 11 Uhr am 4. April scheint in Ma’arat
al-Na’asan nahe der nordsyrischen Stadt Idlib die Sonne. Alles ist ruhig –
kein gewöhnlicher Zustand für die Region, die von einem Zusammenschluss aus
Rebellengruppen und islamistischen Milizen, vor allem Tahrir al-Sham,
kontrolliert und immer wieder vom syrischen und russischen Militär
beschossen wird. Yamen, Hamza, Malik, Nasser und ein weiterer Freund – sie
alle sind zwischen 13 und 15 Jahren alt – laufen gemeinsam Richtung Schule.
Kurz bevor sie diese erreichen, schlägt neben ihnen eine Artilleriegranate
ein, abgefeuert von der syrischen Armee. Die vier Jungen sterben, ihr
Freund überlebt.
Seitdem ist für die Familien nichts mehr, wie es war. „Davor waren wir
gemeinsam zu Hause, alles war in Ordnung“, erzählt der Vater von Yamen. Er
sei froh gewesen, dass sein Sohn in die Schule ging, sei stolz auf ihn
gewesen. Nun steht er an der Stelle, an der dieser starb und weint. Die
Leiche seines Kindes habe er nur anhand der Schuhe identifizieren können.
Die Lehrkräfte der Schule der Kinder – sie heißt [1][Madrassah Al-Amal],
Schule der Hoffnung – besuchten gemeinsam die Beerdigung. Ahmed Al-Maher,
ein Nachbar aus dem Dorf, der ebenfalls teilnahm, fragt: „Wann wird dieser
Krieg endlich enden?“ Denn nicht nur die kontinuierliche Bedrohung durch
Bombardements und andere Angriffe behindern die Ausbildung junger Menschen
in Syrien. Auch dass viele Kinder Binnengeflüchtete sind, es nicht
ausreichend Platz und Gebäude für Schulen gibt, aber auch die allgemeinen
wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in denen viele Menschen im Land stecken,
sorgen dafür, dass Syrien in einer Bildungskrise steckt.
Hamza, so erzählt sein Vater, hatte dennoch große Hoffnungen: Nachdem seine
Mutter im vergangenen Jahr an Krebs gestorben war, wollte er Arzt werden.
Der Direktor der Schule, Yasser Haj Ahmad, beschreibt ihn als einen seiner
besten Schüler. An dem Tag, an dem sie getötet wurden, habe auch er
gearbeitet und gerade alles für die folgenden Klassen vorbereitet, als er
die Explosion hörte. „Zuerst habe ich nur eine Staubwolke gesehen, und
gebetet, dass niemandem etwas passiert ist.“ Seine Schüler habe er in
Gruppen aufgeteilt, für den Fall, dass noch ein Angriff folge. Erst dann
sah er die Toten.
## Das Dorf wird immer wieder von Syriens Armee angegriffen
Das Haus auf dem Schulweg der Kinder, vor dem sie starben, gehört der
Familie von Malik. Er sei der zweitbeste Schüler der ganzen Schule gewesen,
erzählt sein Vater, habe gerne Fußball gespielt, Poesie geliebt. Auch das
Haus wurde beinahe zerstört, Schrapnelle liegen auf dem Boden. Die Familie
steht noch immer unter Schock. Maliks Freund Nasser, so erzählt es dessen
Vater, sei der beste Schüler gewesen. Dass sein Sohn Arzt wird, habe er
sich gewünscht – doch Nasser, der kein Blut sehen konnte, wollte lieber
Ingenieur werden.
Gemeinsam wurden die vier auf dem Friedhof des Dorfs begraben, eingewickelt
in schwarze Säcke. Maarat al-Na’asan hatte früher einmal mehr als 5.000
Einwohner, heute sind es noch 500. Jeden Tag fühle er sich, als sei sein
letzter Tag gekommen, erzählt Mansour Al-Aswad, der ebenfalls im Dorf lebt.
Immer wieder höre er Gefechte in der Nähe. Ma’arat al-Na’asan war nicht z…
ersten Mal Ziel von Attacken des syrischen Regimes. [2][Im Februar starben
dort sechs Menschen durch syrische und russische Bomben], darunter zwei
Frauen und zwei Kinder. Die Stadt liegt nahe an der Grenze zwischen dem
Rebellengebiet und dem des syrischen Staats. Viele, die hier leben, haben
Verwandte oder Freunde verloren.
Die [3][Vereinten Nationen haben zwar mehrfach die Kriegsparteien dazu
aufgerufen], weder Zivilisten noch zivile Infrastruktur zum Ziel zu nehmen.
Doch obwohl weder die Rebellen noch die Armee große Fortschritte erzielen
können, gibt es zwischen den beiden Seiten immer wieder Schusswechsel. Vor
über zwei Jahren einigten sich die Türkei und Russland stellvertretend auf
einen Waffenstillstand für die Region Idlib. Doch gerade das syrische
Militär hält sich nicht an die Vereinbarung. Ein friedliches Leben bleibt
so für die Menschen in und um Idlib ein Traum.
Mitarbeit: Lisa Schneider
15 Apr 2022
## LINKS
[1] https://goo.gl/maps/e8HFd4ePzD9vat9j8
[2] https://www.middleeasteye.net/news/syria-civilians-killed-damascus-shelling…
[3] https://www.france24.com/en/20190619-un-warns-humanitarian-disaster-syria-i…
## AUTOREN
Muhammad Al-Hosse
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