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# taz.de -- Glücksmomente im Alltag: Eins mit der Welt
> Wenn es um uns herum laut und wüst wird, vergessen wir, auf unsere innere
> Stimme zu hören. Dabei ist sie immer da und ein Weg zum Glück.
Bild: Der Moment, in dem alles passt: Nicht nur BMX-Fahrer*innen kennen ihn
Der Regen hat aufgehört. Ich fahre auf dem Rad die Feldstraße hinunter. Es
ist früher Morgen. Die Sonne schiebt sich zwischen den Wolken hervor. Auf
dem Heiligengeistfeld blitzen die Fahrgeschäfte des Hamburger Doms im
Licht. Groß und still liegen sie dort, bereit für den Frühlingsdom.
Die Luft ist frisch. Ein plötzliches Gefühl der Lebendigkeit steigt in mir
empor. Genau in diesem Moment hebt ein Mann auf der gegenüberliegenden
Fahrseite das Vorderrad seines Fahrrads hoch. Zehn Meter, zwanzig Meter
lang balanciert er es in der Luft, fährt nur auf seinem Hinterrad an mir
vorbei. Die Straße ist frei. Seine Bewegung ist der perfekte, synchrone
Ausdruck meines [1][Hochgefühls].
Ich biege ab, Möwen kreischen in der Luft. Ein Fußgänger kommt mir
entgegen. Auf seinen Wangenknochen sind links und rechts fliegende Vögel
eintätowiert. Wieder findet der Moment, den ich wahrnehme, in einem Bild
seinen synchronen Ausdruck. Innerlich schüttle ich den Kopf. Wie kann das
sein?
Ich denke an das Prinzip, das C. G. Jung Synchronizität nannte. Es meint
das Zusammentreffen von Ereignissen. Wenn etwas in uns, woran wir denken
oder was wir wollen, gleichzeitig im Außen auftritt: ein Moment der
Übereinstimmung.
In diesen Wochen seit dem [2][Angriff auf die Ukraine] scheint vieles
auseinanderzudriften. Unser eigenes Gefühl von Gerechtigkeit, unser
Bedürfnis nach Frieden und Ruhe läuft verquer mit einer Welt, die immer
mehr aus den Fugen zu geraten scheint. Doch in all dem liegt auch immer
wieder das: Übereinstimmung.
Es ist erstaunlich, wie oft ich es selbst erlebe und wie oft mir andere
davon erzählen. Dass sie von einem Menschen träumen, den sie schon lange
nicht mehr gesehen haben oder an ihn denken. Und kurz darauf ruft diese
Person an oder ihr passiert etwas Besonderes. Oder man nimmt sich etwas
vor, wünscht sich etwas und plötzlich steht es da oder man trifft einen
Menschen, der einem in dieser Sache weiterhilft.
Man kann zu diesem Phänomen unterschiedliche Erklärungen oder Überzeugungen
haben. Doch wir alle werden sie schon einmal erfahren haben: Momente der
Synchronizität, in denen sich etwas verbindet, einrastet. Das erleben wir
vor allem dann, wenn wir dafür offen sind – und wenn wir bewusste
Entscheidungen treffen: Sobald man sich einem Vorhaben verpflichtet,
Verantwortung dafür übernimmt, so schwierig es auch erscheinen mag, ergeben
sich oft ungeahnte Fügungen, werden Pläne unterstützt, sodass sie
schließlich glücken. [3][Goethe] schrieb: „Was immer Du meinst oder
glaubst, tun zu können, beginne damit. Handeln ist Magie. Anmut und Kraft.“
In unserer westlichen Welt wird der Intuition wenig Bedeutung geschenkt:
etwas zu tun oder zu lassen, weil es sich stimmig, synchron mit einer
inneren Ahnung anfühlt. Dabei kennen wir das richtige Timing.
Anfang März war ich bei Freunden, deren kleiner Sohn Ende März Geburtstag
hatte. Er wollte unbedingt noch für den März seine Geburtstagsfeier im Wald
planen und nicht am ersten Aprilwochenende, wie es die Eltern überlegten.
Die Familie hatte schon oft erlebt, dass etwas, was ihr Sohn will, sich im
Nachhinein als richtig herausstellt. Die Eltern richteten sich nach seinem
Wunsch. Er feierte am letzten Märzwochenende, das ungewöhnlich warm und
sonnig war. Es war ein perfekter Tag. Am ersten Aprilwochenende brach die
Temperatur ein. Es schneite. Die Mutter war krank.
Die Eltern fragten sich: War es Zufall, dass ihr Junge darauf bestanden
hatte? Oder hat er eine Art übersinnliche Gabe? Das Kind machte sich
darüber keine Gedanken. Es hatte einfach seiner Intuition vertraut. Die
Eltern fragen sich, wie sie das in ihrem Kind fördern können: die innere
Stimme zu hören und ihr zu trauen. Dem Flüstern in uns, das ahnt und weiß,
was stimmig ist. Gerade dann, wenn es um einen herum laut und wüst wird,
vergisst man es. Aber das Flüstern ist da. Pssssst! Auch heute.
23 Apr 2022
## LINKS
[1] /Glueck/!t5009894
[2] /Schwerpunkt-Krieg-in-der-Ukraine/!t5008150
[3] /Goethe/!t5015022
## AUTOREN
Christa Pfafferott
## TAGS
Kolumne Zwischen Menschen
Glück
Gefühle
Hamburg
Kolumne Zwischen Menschen
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