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# taz.de -- Die Wahrheit: Verbrechen gegen die Veganlichkeit
> Der Krieg im Thinktank: Denken linke Kräfte über die Ukraine nach, geht
> es hoch her. Ein Besuch beim Hans-Modrow-Institut in Görlitz.
Der Ukrainekrieg sorgt für Verwerfungen innerhalb der linken Szene. Die
einen schwenken um, organisieren sich auf Friedensdemos oder liefern gleich
Waffen, andere verweigern sich standhaft jeglichem Protest, bei dem auch
nur eine blau-gelbe Flagge weht. Einen schwarzen Block sucht man auf
Friedensdemos bislang vergebens. Woher nehmen die Ukrainekritiker ihre
Argumente? Die Wahrheit besucht einen Ukraine-Thinktank des
Hans-Modrow-Instituts für Warschauer-Pakt-Forschung der Universität
Görlitz.
Das Gebäude ist aus rotem Backstein erbaut, den Grundstein haben 2013 Sahra
Wagenknecht und Wojciech Jaruzelski gelegt. Seitdem wird hier linke,
internationalistische Politologie betrieben, die nicht selten Eingang in
außenpolitische Programme linker Parteien und Verbände findet. In einem
Seminarraum treffen wir auf einige Doktoranden und Studierende.
„Leute, wir stehen in der Defensive“, feuert Projektleiter Dr. Damian
Bredenbrink sein Team an. „Wir können nicht immer dieselben drei Gründe
anführen gegen die Ukraine. Wir brauchen mehr!“
Lisa-Josephine Schmidt seufzt. Sie ist hier Postdoc für feministische
Agrarpolitik: „Teile des Volkes verehren Nazi-Kollaborateure, in der Armee
gibt es Rechtsradikale und die Leute haben ein Rassismusproblem, vor allem
mit schwarzen Menschen – also alles genau wie hier in Deutschland!
Wahrscheinlich sagen deshalb alle, dass die Ukraine uns kulturell so nah
steht!“
„Eben! Und deshalb brauchen wir weitere Gründe!“, fordert der
Thinktank-Vordenker.
Wieso braucht es überhaupt Gründe?, fragen wir neugierig.
„Es braucht immer Gründe gegen Nationalstaaten!“, legt Bredenbrink mit der
Bedeutungsschwere einer Putin-Fernsehansprache fest.
Das gilt auch für Putin? „Ja, natürlich. Russland ist ein Staat, der einen
anderen Staat angegriffen hat. Das stimmt schon halbwegs. Aber das bedeutet
ja nicht automatisch, dass man sich mit den Angegriffenen solidarisch
zeigen muss. Da muss man doch erst mal gucken: Wer oder was wurde denn da
überhaupt angegriffen?“
„Dieses Ausreiseverbot für Männer ab 18. Das geht zum Beispiel gar nicht!
Niemand darf zum Dienst an der Waffe gezwungen werden!“, ruft ein
Masterstudent namens Robin und erhält zustimmendes Nicken aller Anwesenden,
selbstverständlich auch unseres.
## Angriffsmodus beim Thinktank
Doch nun schaltet der Thinktank in den Angriffsmodus. „In noch keiner Rede
hat Selenski gegendert und von ‚Soldatinnen und Soldaten‘ gesprochen!“,
empört sich Britta, eine Aktivismus-auf-Lehramt-Studierende. „Dabei gibt es
durchaus auch Frauen, die in der Ukraine kämpfen!“ Allseits zustimmendes
Nicken. „Stattdessen schicken weiße Männer ihre Frauen und Kinder auf die
Flucht. Das ist doch ein Rollenbild wie auf der Titanic vor hundert Jahren!
Die Frau als sorgende Mutter! Die Frau, die ihre Rolle im Weglaufen sieht.
So was kann ich nicht unterstützen!“
„Genau!“, stimmt Lisa-Josephine zu: „Ich kann mich doch nicht unter der
Flagge eines Staates mit einem völlig anachronistischen Frauenbild
versammeln!“
Die anderen stimmen ihr zu, sie lehnt sich zufrieden zurück an die Wand,
über ihr an der Wand hängt eine Palästina-Flagge. Wir sagen lieber nichts.
„Ich finde ja eh, dass die Fluchtrouten aus der Ukraine alle über das
Mittelmeer gelenkt werden sollten. Gleiches Recht für alle, die in die EU
wollen!“, wirft ein geografisch verwirrter Student ein. Sein Vorschlag
erntet Schweigen, vielleicht denken aber auch alle gerade ernsthaft darüber
nach.
Wir wollen wissen, wieso die Flagge überhaupt als so wichtig angesehen
wird, ob die Farben Blau-Gelb nicht eher ein Symbol der Solidarität mit den
vom Krieg betroffenen Ukrainern seien und es nicht schlicht ein Gebot des
Humanismus sei zu helfen? „Des was?“ Lisa-Josephine kennt den Begriff
nicht. Wir übersetzen: „Ein notwendiger Impact im People Liking?“
„Ach so, ja, People Liking. Die Schwachstelle in diesem Konzept sind leider
die People“, klärt sie uns auf. „Ich helf doch keinen Leuten, die einen
Nazi-Kollaborateur als Nationalhelden verehren!“
„Das Argument hatten wir schon“, sagt Damian Bredenbrink. „Das müssen wir
leider einmal abziehen.“
Wäre da nicht ein Engagement in einem Verteilzentrum für Hilfsgüter eine
Übung in praktisch gelebter Solidarität? „Ich soll Tonnen von Dosenfleisch
und Milchpulver einpacken?“ Robin schüttelt entsetzt den Kopf. „An solchen
Kriegsverbrechen beteilige ich mich nicht! Ich bin Veganer! Der Krieg gegen
die Ukraine dauert erst wenige Wochen, der Krieg der Menschheit gegen die
Tiere schon 200.000 Jahre. Man kann doch nicht einen Krieg durch einen
anderen ersetzen!“
„Hat die Ukraine eigentlich Tierrechte in der Verfassung?“, grübelt eine
andere Aktivistin.
„Sehr gutes Argument!“, Projektleiter Bredenbrink notiert den Stichpunkt
„Tierrechte“ auf dem Flipchart, wo auch schon „Weiße Menschen“,
„Nato-Beitritt“, „toxische Männlichkeit“, „Frauenbild“,
„Landwirtschaftliche Monokulturen“ und „Unkritische Haltung zur Atomkraft…
steht.
## Rotfärbung der Gesichter
„Es gibt noch was, was gegen Blau-Gelb spricht!“ Ein Konstantin erinnert
sich seines Tuschkastens aus der Grundschule: „Blau und Gelb ergeben
zusammen Grün!“ Prompt werden die Gesichter kollektiv rot. Denn wenn sie in
dieser Runde noch eins mehr ablehnen als Blau und Gelb, dann ist es Grün.
Am Ende des Tages wird ein Forderungskatalog verabschiedet, der an den
ukrainischen Präsidenten Selenski geschickt werden soll. Er enthält als
Eckbausteine ein Moratorium der Fluchtbewegungen bis zur abschließenden
Klärung sämtlicher intersektionalistischen Diskriminierungsfragen,
Implementierung entsprechender Bildungsarbeit in allen Lehrplänen der
Sekundarstufe I, Verzicht auf Nato-Beitrittswunsch, das sofortige Recht auf
Kriegsdienstverweigerung und unverzügliche Entfernung aller Rechtsradikalen
aus der Armee, Verankerung von Tierrechten in der ukrainischen Verfassung,
sofortiger Ausstieg aus Atomkraft und Fleischkonsum sowie Bekenntnis zu
Energiewende und bienenfreundlichen Ackerrandstreifen. Erst, wenn dieser
Forderungskatalog erfüllt sei, könnten sich auch deutsche Linke mit der
Ukraine solidarisch zeigen.
Bis Redaktionsschluss blieb der Brief allerdings unbeantwortet.
2 Apr 2022
## AUTOREN
Volker Surmann
## TAGS
Ukraine
Frieden und Krieg
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Die Wahrheit
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