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# taz.de -- US-Präsident Biden hat recht: Das Putin-Regime zerstören
> Kompromisse, Waffenstillstände, Russlands Machthaber Putin aber weiter
> dabei? US-Präsident Biden hat recht: Der Mann kann nicht an der Macht
> bleiben.
Bild: Ukraine-Unterstützerin in Los Angeles
Das ist die leider ungemütliche Wahrheit für Demokraten, auch in
Deutschland: US-Präsident [1][Joe Biden] hat keineswegs kürzlich eine
präsenil getrübte Rhetorik gewählt, als er bei seiner [2][Ansprache vor
polnischen Politiker*innen im Warschauer] Königsschloss sagte: „For
God’s sake, this man cannot remain in power“ – also: Um Gottes Willen,
dieser Mann kann nicht an der Macht bleiben. Nein, Putin kann nicht weiter
in Russland die Macht verkörpern.
Was der 79-Jährige sagte, erfuhr selbstverständlich umgehend Distanzierung
durch die eigenen Leute in Washington: Ach, der Präsident mit seinem losen
Mundwerk, der kann und sollte es nicht so gemeint haben. Und wenn doch?
Wenn es ein wohlgesetztes Ausrufezeichen des aktuell entscheidenden
Politikers der rechtsstaatlichen Demokratien war? Wenn diese Worte exakt
jenes Ziel umreißen, auf das es auch für uns ankommt, westliche Linke und
Linksliberale? Aktuell kommt es gar nicht mehr auf Friedensbewahrung an,
sondern allein darauf: [3][Der Aggressor muss weg]. In Form eines „Regime
Change“ – was denn sonst?
Kann sich irgendjemand vorstellen, den von Wladimir Putin angezettelten
Krieg gegen eine sich europäisierende Gesellschaft wie die Ukraine beendet
zu sehen – und Putin könnte dann wieder zum zurechnungsfähigen
Verhandlungspartner und obersten russischen Repräsentanten in irgendeiner
Hinsicht werden? Die Reste der einstigen Friedensbewegung sind ohnehin
aufgerufen, in Russland anderes zu sehen als einen friedliebenden Partner,
der bedauerlicherweise durch die Nato und die EU-Erweiterung so erbost
wurde, dass er ja gar nicht anders konnte, als sich mit einem nichts als
mörderischen Überfall auf das Nachbarland zu wehren.
So circa zusammengefasst das, was Sahra Wagenknecht bis neulich meinte. Dem
Pazifismus, der Anfang der achtziger Jahre in der bundesdeutschen
Friedensbewegung – Nato-Nachrüstungsbeschluss, Einmarsch sowjetischer
Truppen nach Afghanistan – die Mentalität schlechthin der Bundesdeutschen
wurde, sind die Ratschläge ausgegangen.
Russland hat mit der Implosion der Sowjetunion die Entwicklung seiner
Wirtschaft versäumt. Das riesige Land ist tatsächlich, wie der frühere
US-Präsident Barack Obama sagte, nur eine Regionalmacht, ökonomisch vor
allem, eine Art Saudi-Arabien mit anderen klimatischen Bedingungen –
rohstoffsatt und damit weltmarktkompatibel. Aber Russland hat sonst nichts,
was die globalen Märkte wollen könnten. Putin vermag offenkundig nichts
anderes, als sich die Welt völkisch zu denken, in der „slawisch“ einen
kulturalistischen, ja, imperialen Klang hat, in der es einer Frechheit der
Ukrainer*innen gleichkommt, Nato und EU beitreten zu wollen. Noch in der
moralisch abgrundtief charakterlosen Ignoranz, die seitens des deutschen
Politestablishments dem ukrainischen Botschafter in Deutschland, Andrij
Melnyk, entgegengebracht wurde (und wird), schimmert die
ankuschelnd-kaufmännische Liebe zum Kreml-Imperium durch.
Dass die deutsche Peace-&-Understanding-Szene trotz all dieser seit Langem
bekannten politökonomischen Rahmungen sich Russland immer noch kitschig als
„seelentief“ fantasiert, ist der beklemmende Umstand aktuell schlechthin.
Noch in der Rede Olaf Scholz bei „Will“ schimmert das durch. [4][Er redet
dort] korrekt vom russischen Imperialismus und spricht dann vom Präsidenten
und stellt diesem Wort sprechend-versprechend ein „ame…“ vor, ehe er in
einer hundertstel Sekunde doch vom „russischen Präsidenten“ spricht: Das
ist man hierzulande eben nicht gewohnt, auch ein Post-68er wie der Kanzler
bleibt millisekundenkurz im Jargon seiner Generation, der das Wort
„Imperialismus“ aus Gewohnheit mit „amerikanisch“ attribuiert, weil
„russisch“ im Land der Wehrmachtserb*innen in der Kategorie imperialer
Anmaßung nie gedacht wurde.
Worauf es also jetzt ankommt, wäre, dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir
Selenski eine Art deutsche Selbstkritik zu übermitteln: Ja, wir haben euch
nicht ernst genommen; ja, wir haben, wohlstandsverwahrlost, wie wir nun mal
gern sind, lieber auf russisch-imperiale Billigstoffe gesetzt als auf die
Mühe der Demokratisierung; und, ja, wir haben das Militaristische
abgelehnt, doch übersehen, dass zur Verteidigung von Freiheit und
Demokratie eben auch Militärisches zählen muss. „Lieber rot als tot“, das
Credo der bundesdeutschen Friedensbewegung, war schon damals falsch – ein
Spruch, der in ukrainischen Ohren inzwischen wie eine politpornografische
Sattheitsformel klingt, ungeeignet, dem wirklichen Leben in Nachbarschaft
zu militaristischen Imperien zu begegnen.
Karitatives in Deutschland ist wichtig, also die gute Versorgung von
ukrainischen Flüchtlingen – auch wenn die Bemerkung von Berlins
Bürgermeisterin Franziska Giffey schräg klang, das sei auch prima im
Hinblick auf den Facharbeitermangel in Deutschland. Wichtiger muss sein,
die Ukraine mit Waffen auszurüsten. Das Ziel ist am Ende nicht:
Waffenstillstand, Kompromisse, sozialpädagogischer Staatenstuhlkreis. Das
wäre nur ein Etappensieg.
Letztlich kommt es darauf an: dass das Putin-Regime zerstört wird, mit dem
Chef in Den Haag vor dem Obersten Gerichtshof, Nürnberg 2.0 quasi,
höchstselbst für seine Verbrechen einstehend. Ein „Regime Change“ durch
Russ*innen und ihre Alliierten, also auch mit unserem Support. Joe Biden
hat also nur ausgesprochen, was friedensbewegter Logik zufolge Empörung
auslöst oder womöglich, realitätstüchtig geworden, Respekt. Aber Biden, so
oder so, hat recht – was denn sonst?
Und danach geht es um die Frage von Reparationen: Russland vor allem hat
den Wiederaufbau der Ukraine zu finanzieren. Nötigenfalls mit
internationalen Strafbefehlen und Aushebung der oligarischen Konten. Und:
Auch die EU – mit den Ländern an der Spitze, die von russischen Rohstoffen
am stärksten profitierten – Deutschland vorneweg.
31 Mar 2022
## LINKS
[1] /US-Praesident-in-Polen/!5841466
[2] https://www.youtube.com/watch?v=VLN_P5u1ALI
[3] /US-Beschluss-zu-Kabuls-Auslandsreserven/!5831371
[4] https://daserste.ndr.de/annewill/videos/Bundeskanzler-Olaf-Scholz-zu-Gast-b…
## AUTOREN
Jan Feddersen
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