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# taz.de -- Angebliche Biowaffenforschung in Ukraine: Heftige Wortgefechte
> Die USA und Großbritannien weisen russische Behauptungen über angebliche
> Biowaffenforschung als „Lügen“ und „Desinformation“ zurück.
Bild: UN-Botschafterin Thomas-Greenfield: „Russland nicht damit durchkommen l…
Berlin taz | Die von China zumindest als Verdacht unterstützten
Behauptungen Russlands, die USA betrieben auf dem Territorium der Ukraine
Programme zur Erforschung verbotener biologischer Waffen, haben auf einer
Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrates am Freitagabend in New York
zu ungewöhnlich heftigen Wortgefechten zwischen den Vetomächten der
Weltorganisation geführt. Langjährige BeobachterInnen fühlten sich an die
scharfen Auseinandersetzungen zwischen den USA und der Sowjetunion während
der Kubakrise 1962 erinnert.
Auf der von Russland beantragten Dringlichkeitssitzung des Rates „zu
biologischen US-Aktivitäten in der Ukraine“ wiederholte Moskaus
UNO-Botschafter Wassili Nebensia die Behauptung, die USA betrieben in der
Ukraine in Kooperation mit der Regierung in Kiew „ein Netz von 30 Laboren,
die sehr gefährliche biologische Experimente mit dem Ziel ausführen, virale
Krankheitserreger von Fledermäusen auf den Menschen zu übertragen“.
Dabei gehe es unter anderem um die Pest, Cholera und Anthrax (Milzbrand).
„Es wurden Experimente ausgeführt, um die Übertragung von gefährlichen
Krankheiten durch aktive Parasiten wie Läuse und Flöhe zu untersuchen“,
behauptet der Botschafter. Nach seiner Darstellung seien die russischen
Invasionstruppen in der Ukraine auf einige dieser militärischen
Forschungslabors gestoßen. Außerdem habe die US-Botschaft in Kiew Dokumente
zu den angeblichen Biowaffenforschungen vernichtet oder außer Landes
geschafft. Beweise für seine Behauptungen legte der russische Botschafter
dem Sicherheitsrat nicht vor.
Die US-amerikanische UN-Botschafterin Linda Thomas-Greenfield bestritt zwar
nicht die Existenz von US-Labors in der Ukraine, wies die russischen
Behauptungen aber mit scharfen Worten als „Lügen“ und „Desinformation“
zurück. Die Ukraine habe „kein biologisches Waffenprogramm oder biologische
Waffenlaboratorien“, die von den USA unterstützt würden. Stattdessen
unterhalte die Ukraine „eigene öffentliche Gesundheitseinrichtungen, die es
ermöglichen, Krankheiten wie Covid-19 zu entdecken und zu diagnostizieren“.
Die USA unterstützten die Ukraine dabei, dies „sicher und verlässlich“ zu
machen.
## „Moskaus Taktik durchkreuzen“
„Diese Arbeit wurde stolz, klar und öffentlich ausgeführt. Bei dieser
Arbeit geht es darum, die Gesundheit von Menschen zu schützen. Sie hat
nichts mit biologischen Waffen zu tun“, betonte die US-Botschafterin. Mit
ihren „Lügen“ verfolge die russische Regierung weiter „das von
Außenminister Antony Blinken im Februar im Sicherheitsrat beschriebene
Szenario, Beschuldigungen über chemische und biologische Waffen zu
fabrizieren, um seine eigenen gewaltsamen Angriffe gegen das ukrainische
Volk zu rechtfertigen“, erklärte Thomas-Greenfield.
Zudem äußerte sie den Verdacht, Russland plane den Einsatz verbotener
Massenvernichtungswaffen im Krieg gegen die Ukraine: „Die Absicht hinter
diesen Lügen scheint klar und ist zutiefst beunruhigend. Wir glauben, dass
Russland chemische oder biologische Stoffe für Attentate, als Teil eines
inszenierten oder Falsche-Flaggen-Zwischenfalls benutzen könnte, oder um
taktische militärische Operationen zu unterstützen.“ Beweise für diesen
Verdacht legte die US-Botschafterin nicht vor.
Thomas-Greenfield betonte, seit dem russischen Truppenaufmarsch an den
ukrainischen Grenzen sei es „die Strategie unserer Regierung, Moskaus
Taktik zu durchkreuzen und das, was uns bekannt ist, mit der Welt zu
teilen. Wir werden Russland nicht damit durchkommen lassen, die Welt zu
belügen oder die Integrität des Sicherheitsrats zu beflecken, indem es ihn
als Ort benutzt, Putins Gewalt zu legitimieren. Und wir sollten Russland
nicht erlauben, seinen permanenten Sitz im Sicherheitsrat dazu zu
missbrauchen, Desinformation und Lügen zu verbreiten und den Zweck des
Sicherheitsrats zu pervertieren.“
Ähnlich wie die US-Botschafterin äußerte sich ihre britische Amtskollegin
Barbara Woodward. Es gebe „nicht den geringsten glaubwürdigen Hinweis, dass
die Ukraine ein Programm für biologische Waffen hat.“ Woodward bezeichnete
die russischen Behauptungen als „diplomatisch ausgedrückt kompletten
Unsinn“. Die Regierung Putin habe die Dringlichkeitssitzung des Rates „nur
beantragt, um eine Reihe wilder, vollkommen haltloser und
verantwortungsloser Verschwörungstheorien zu äußern“, erklärte die
britische Botschafterin und setzte hinzu: „Russland sinkt heute auf neue
Tiefen, aber der Sicherheitsrat muss nicht mit ihm heruntergezogen werden.“
## China in „Sorge“
Auch der ukrainische UNO-Botschafter Serhij Kyslyzjy wies die Behauptungen
der Regierung Putin entschieden zurück. Die Ukraine betreibe „ein
Gesundheitssystem, das seine internationalen Verpflichtungen vollständig
erfüllt und in voller Zusammenarbeit mit allen relevanten internationalen
Organisationen arbeitet“, erklärte der Botschafter. „Der Rest“ sei „ein
Haufen wahnsinniger Delirien von Putin und seinen Handlangern,
einschließlich der russischen Vertretung bei den Vereinten Nationen.“
Vor der Sitzung des Sicherheitsrates hatte die Leiterin des UN-Büros für
Abrüstungsfragen, Izumi Nakamitsu, erklärt, ihr seien zwar Berichte über
angebliche biologische Waffenprogramme bewusst. Aber die Vereinten Nationen
hätten „keine Kenntnis von irgendwelchen biologischen Waffenprogrammen“.
Mitte der Woche hatte das chinesische Außenministerium „[1][Sorgen über die
Berichte Russlands] über verbotene Biowaffenforschungsaktivitäten der USA
in der Ukraine“ geäußert und die Regierung in Washington, zur „schnellen,
umfassenden Aufklärung“ aufgefordert. Nach Darstellung Chinas unterhalten
die USA neben einem Forschungslabor in Fort Detrick im Bundesstaat Maryland
„weitere 336 Labors in 30 Ländern, darunter 26 in der Ukraine“. Diese
Einrichtungen würden „möglicherweise zur Erforschung und Entwicklung von
Biowaffen“ genutzt.
Derartige Aktivitäten sind durch die Biowaffenkonvention der UNO von 1972
verboten. 183 Staaten haben diese Konvention ratifiziert, auch die Ukraine
und die USA. Das chinesische Außenministerium begründete seine „Sorgen“
allerdings mit dem Hinweis auf die Tatsache, dass „die USA seit über zwei
Jahrzehnten in der UNO-Abrüstungskonferenz in Genf die Vereinbarung eines
Verifikationsregimes blockieren“.
Ein derartiges Verifikationsregime mit Maßnahmen zur Kontrolle und
Überwachung existiert bislang nur für die 1993 vereinbarte UNO-Konvention
zum Verbot chemischer Waffen. Über ein entsprechendes Überwachungsregime
für die B-Waffen-Konvention verhandelte die UNO-Abrüstungskonferenz bereit
seit 1994. Im Jahr 2001 lag ein Vertragsentwurf für ein striktes
internationales Überwachungsregime mit gegenseitigen Kontrollen und
Inspektionen von Forschungslabors und biomedizinischen Anlagen vor, der von
60 der 61 Mitgliedsstaaten unterstützt wurde.
Einzig die USA lehnten den Entwurf ab und verweigerten weitere
Verhandlungen mit der Begründung, Inspektionen von Einrichtungen auf
US-Territorium durch ausländische Inspektoren könnten zu Spionagezwecken
missbraucht werden und gefährdeten daher die nationale Sicherheit der USA.
12 Mar 2022
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## AUTOREN
Andreas Zumach
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