Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Streit um Rosa-Luxemburg-Straße: Die Freiheit der anders Benennend…
> Ein Bezirksrat in Hannover beschließt eine Straße nach Rosa Luxemburg zu
> benennen. CDU und FDP schäumen.
Bild: Revolutionskitsch fürs Neubaugebiet ist nicht jedermanns Sache
Hannover taz | Eigentlich stehen im Stadtbezirksrat
Kirchrode-Bemerode-Wülferode sonst ganz bodenständige Dinge auf der
Tagesordnung: ein Schulneubau hier, ein Jugendtreff dort,
verkehrsberuhigende Maßnahmen, der Recyclinganteil in Hundekotbeuteln
(ungelogen).
Das ist ein mühsames, aber hochverdienstvolles Geschäft – da hauen sich
Leute ehrenamtlich stundenlang Freizeit um die Ohren, um Dinge zu regeln,
die in ihrem Stadtteil wichtig sind.
Selten geht es dabei um die ganz großen historischen Debatten. Es sei denn,
es geht um Straßennamen. Normalerweise kommt dann aus dem linken Lager das
Ansinnen, [1][Straßennamen zu entnazifizieren oder dekolonialisieren] – was
Konservative in aller Regel teuer, unbequem und schon deshalb albern und
geschichtsvergessen finden.
Dieses Mal war es andersherum: Die Linke machte den Vorschlag eine Straße
am großen Neubaugebiet Kronsberg-Nord nach Rosa Luxemburg zu benennen,
Bündnispartner von Grünen und SPD zeigte sich aufgeschlossen – und CDU und
FDP waren umgehend auf dem Baum.
## Diskussion plötzlich umgekehrt
Während es bei anderen Persönlichkeiten (wie beispielsweise Hitlers
Steigbügelhalter Hindenburg) ja gerne einmal heißt, man müsse sie als Kind
ihrer Zeit verstehen, dürfe sie nicht für spätere Ereignisse haftbar machen
und solle die eigene Geschichte nicht verdrängen, gilt das für Rosa
Luxemburg natürlich nicht.
Die wird in der Bezirksratsdebatte munter für die Gulag-Toten der
Sowjetunion genauso verantwortlich gemacht wie für die Mauer-Toten der DDR
– ganz erstaunlich wie weit die kurzen Ärmchen dieser Frau noch reichten,
nachdem sie doch schon 1919 von rechten Freikorps in Berlin ermordet wurde.
Ein aus der DDR geflüchteter Bezirksratsherr der CDU argumentiert gar
damit, er sei dort ständig [2][mit Rosa-Luxemburg-Kitsch bombardiert
worden]. Die links-grün-sozialdemokratische Mehrheit lässt sich allerdings
auch von so viel persönlicher Betroffenheit nicht erweichen.
## CDU würde sogar Sozialdemokratin vorziehen
Die CDU schlug in ihrer Verzweiflung gar Annemarie Renger als
Kompromiss-Namensgeberin vor. Deutschlands erste Parlamentspräsidentin war
zwar Sozialdemokratin, aber in der eigenen Parteigeschichte fahndete man
wohl vergeblich nach einer toten Frau von Rang und Namen.
CDU und FDP argumentierten außerdem damit, die Mehrheit der Bevölkerung in
dem eher bürgerlichen Stadtteil wäre für so eine linke Ikone doch gar nicht
zu haben.
Das könnte sich allerdings ändern: Unweit der geplanten
Rosa-Luxemburg-Straße entsteht das ecovillage, ein ambitioniertes
ökologisches Bauprojekt. Auf der anderen Straßenseite soll es einen Acker
der Solawi (Solidarischen Landwirtschaft) geben.
Diese neuen Stadtteilbewohner haben bestimmt irgendwo eine hübsche
Postkarte mit dem berühmten Luxemburg-Zitat von der Freiheit des
Andersdenkenden hängen. Das richtete sich übrigens gegen die
Demokratiefeindlichkeit der Bolschewiki. Ein solides Arbeiterviertel hätte
sicherlich noch ein bisschen besser gepasst, aber so etwas wird heutzutage
ja nicht mehr gebaut.
17 Mar 2022
## LINKS
[1] /Strassenumbenennung/!t5419184
[2] /Luxemburg-Liebknecht-Demo/!5824840
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Rosa Luxemburg
Hannover
Straßenumbenennung
Straßenumbenennung
Demonstration
## ARTIKEL ZUM THEMA
Analyse zu Umbenennungen in Hamburg: Täter auf dem Straßenschild
Darf der Heidi-Kabel-Platz in Hamburg bleiben? Mit solchen Fragen
beschäftigt sich der Abschlussbericht einer Kommission zur Umbenennung von
Straßen.
Luxemburg-Liebknecht-Demo: Aufforderung zum Klassenkampf
Zwischen DDR-Nostalgie, Mao-Kult und linker Realpolitik: Die alljährliche
Luxemburg-Liebknecht-Demo bleibt sich treu.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.