Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Krieg in der Ukraine: Russland droht und verliert
> Putins Offensive stockt. Unterhändler der Ukraine und Russlands
> vereinbaren Gespräche an der belarussischen Grenze.
Bild: Brennende und zerstörte Armeefahrzeuge der russischen Armee in Charkiw
Berlin taz | Vor dem Hintergrund steigender Verluste und ausbleibender
Erfolge sucht Russlands Regierung jetzt das Gespräch mit der Ukraine. Beide
Länder einigten sich am Sonntag auf Gespräche auf Delegationsebene an der
ukrainisch-belarussischen Grenze ohne Vorbedingungen, wie die ukrainische
Präsidentschaft mitteilte. Bereits am Morgen hatte Russlands Kremlsprecher
Dmitri Peskow erklärt, Vertreter des russischen Präsidialamts sowie des
Außen- und des Verteidigungsministeriums seien für Verhandlungen mit der
Ukraine in Belarus eingetroffen.
Man warte in der belarussischen Stadt Gomel auf die ukrainischen
Unterhändler. Die ukrainische Präsidentschaft erklärte aber, es werde keine
Delegation nach Gomel reisen, solange Russland als Vorbedingung für
Gespräche darauf bestehe, dass die Ukraine die Waffen niederlege. Auch
Gesprächen in Belarus stimmte Kiew nicht zu, weil Belarus den russischen
Angriffstruppen sein Staatsgebiet zur Verfügung stellt.
Offenbar ließ Russland seine Gesprächsbedingungen fallen, und nach einem
Telefonat zwischen den Präsidenten der Ukraine und Belarus’ wurde das
Treffen an die Grenze verlegt. Die Verhandlungen sollten demnach in der
Nähe des Flusses Pripjat stattfinden. Der belarussische Präsident Alexander
Lukaschenko habe zugesagt, dass „alle auf belarussischem Gebiet
stationierten Flugzeuge, Hubschrauber und Raketen während der Reise der
ukrainischen Delegation, der Gespräche und Rückkehr am Boden bleiben“,
teilte die ukrainische Präsidentschaft am Nachmittag mit.
Noch am Freitag hatte Russlands Präsident Wladimir Putin zu einem
Militärputsch in Kiew aufgerufen, um sich mit einer neuen, prorussischen
Führung einigen zu können. Jetzt spricht Moskau mit der amtierenden
Regierung der Ukraine.
## Militärexperte spricht von Anfängerfehlern
Die neue Gesprächsbereitschaft trägt dem relativen bisherigen Misserfolg
der russischen Invasion Rechnung. Auch am vierten Tag des Angriffs gelang
es den russischen Streitkräften nicht, eine größere Stadt zu erobern. Ein
befürchteter Großangriff auf Kiew wurde im Ort Irpen aufgehalten und
abgedrängt. „Unser Militär, die Strafverfolgung und die territoriale
Verteidigung fahren fort, Saboteure aufzuspüren und zu neutralisieren“,
erklärte Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko. Russische Einheiten, die in
die Großstadt Charkiw vordrangen, wurden in mehrstündigen Gefechten wieder
zurückgeschlagen.
37.000 ukrainische Zivilisten haben sich nach Angaben der Zeitung Kyiv
Independent bisher der ukrainischen Territorialverteidigung angeschlossen
und halten russische Verbände bei ihrem Vormarsch auf. Das „Institute for
the Study of War“ in den USA nannte den ukrainischen Widerstand
„bemerkenswert effektiv“. Die russischen Angriffe auf Kiew und Charkiw
seien „schlecht koordiniert und schlecht ausgeführt“, insgesamt gebe es bei
den russischen Streitkräften im Nordosten der Ukraine „zunehmende Moral-
und Nachschubprobleme“. Effektiver seien die russischen Vorstöße im Süden
und Osten, also aus der Krim und im Donbass.
Der britische Militärexperte Rob Lee nannte den Sonntag den „möglicherweise
schlechtesten Tag“ der russischen Offensive bisher und erklärte, russische
Kommandeure machten ständig „Anfängerfehler“. Andere Beobachter zeigten
sich erstaunt, dass Russland Panzerkolonnen ohne Absicherung in Bewegung
setze und immer wieder zahlreiche Tote und ausgebrannte Fahrzeuge
hinterlassen müsse. Es wird von russischen Verbänden berichtet, denen
irgendwo in der Ukraine der Nachschub ausgeht. Der ukrainische Journalist
Illia Ponomarenko berichtete, in Schewtschenkowe bei Charkiw seien zwei
russische Soldaten zur örtlichen Polizeiwache gegangen und hätten um Benzin
zur Weiterfahrt gebeten; sie wurden gefangengenommen.
## Tschetschenenführer Kadyrow gibt sich blutrünstig
Das Verteidigungsministerium in Kiew gab die Zahl der getöteten russischen
Soldaten am Sonntagmittag mit 4.300 an, schränkte aber ein, dies müsse noch
verifiziert werden. Russland habe außerdem unter anderem 27 Flugzeuge, 26
Hubschrauber, 146 Panzer und 706 Panzerfahrzeuge verloren.
Während Moskau nun Gesprächsbereitschaft zeigt, fordern manche Kräfte in
Russland eine Ausweitung der Offensive. Das russische Vorgehen in der
Ukraine sei zu langsam und zu zögerlich, kritisierte der Putin-treue
Gewaltherrscher der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramzan Kadyrow,
in einer am Sonntag auf sozialen Medien verbreiteten Botschaft.
Die Ukrainer seien „bis an die Zähne bewaffnet“, man müsse sie jetzt „t…
und zerstören“ und er erwarte einen entsprechenden Befehl aus Moskau an
„alle Spezialkräfte“, schrieb Kadyrow. Vor zwei Tagen waren Aufnahmen aus
der tschetschenischen Hauptstadt Grosny mit Tausenden zum Einsatz in der
Ukraine mobilisierten Kämpfern veröffentlicht worden. Einige
tschetschenische Kämpfer sollen in Kiew aufgespürt und festgenommen worden
sein, wurde am Sonntag gemeldet.
Putin versetzte derweil Russlands Nuklearstreitkräfte in Alarmbereitschaft.
Der russische Präsident sagte am Sonntag im Staatsfernsehen, das habe er
der Militärführung befohlen. „Wie Sie sehen können, ergreifen die
westlichen Länder nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht unfreundliche
Maßnahmen gegen unser Land“ sagte Putin zur Begründung. Zudem erlaubten
sich Spitzenvertreter der führenden Nato-Länder „aggressive Äußerungen“.
28 Feb 2022
## AUTOREN
Dominic Johnson
## TAGS
taz на русском языке
Ukraine
Wladimir Putin
Russland
Schwerpunkt Krisenherd Belarus
taz на русском языке
Russland
Ukraine
Ampel-Koalition
taz на русском языке
Annalena Baerbock
## ARTIKEL ZUM THEMA
Verfassungsreferendum in Belarus: Sieg an der Heimatfront
In Belarus lässt Lukaschenko abstimmen und erhält passend zur Situation
neue Vollmachten: Nun darf er die Armee auch im Ausland einsetzen.
Krieg in der Ukraine: Gespräche und Angriffe gleichzeitig
In Belarus treffen sich Unterhändler aus Moskau und Kiew. Die Ukraine
verlangt kompletten russischen Truppenabzug. Russland bombardiert Charkiw.
+++ Nachrichten zum Ukrainekrieg +++: Bosporus für Kriegsschiffe dicht
Die Türkei lässt keine Kriegsschiffe mehr durch den Bosporus. Verhandlungen
zwischen Russland und Ukraine enden ohne Durchbruch.
Krieg in der Ukraine: Ans Eingemachte
Wohl dem, der Vorräte hat, denn der Ausnahmezustand gilt weiter. Die Angst
vor Plünderungen wächst. Aktuelle Eindrücke aus der Ukraine.
Ukraine-Krieg: Heilsamer Realitätsschock
Die Ampel-Regierung hat bei Waffenlieferungen und Sanktionen eine
dramatische Kehrtwende hingelegt. Doch das macht die Fehler nicht
ungeschehen.
Krieg in der Ukraine: Freiheit, du Traum der 90er Jahre
Einst glaubte unser Autor, dass auch in der ehemaligen Sowjetunion Aufbruch
und Freiheit möglich sind. Er fühlt sich getäuscht.
Ukraine-Krieg: Das große Versagen
Meine Generation ist die der Baerbocks, Klingbeils und Lindners – der
Geschmeidigen. Von großen Krisen wie dem Ukraine-Krieg sind wir
überfordert.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.