Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ausnahmezustand in der Ukraine: Regierung mobilisiert Reservisten
> Die Präsidenten Polens und Litauens kommen zum Solidaritätsbesuch nach
> Kiew. Im Osten gibt es an der Frontlinie Beschuss mit schweren Waffen.
Bild: Stirnrunzeln: Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski am Mittwoch
Der Nationale Sicherheitsrat der Ukraine (SNBO) hat am Mittwoch die
Einführung eines landesweiten Ausnahmezustandes beschlossen, davon
ausgenommen sind lediglich die Gebiete Lugansk und Donezk, wo ohnehin Krieg
herrscht. Das teilte SNBO-Sekretär Alexei Danilow laut der ukrainischen
Nachrichtenagentur UNIAN mit. Um den Ausnahmezustand in Kraft zu setzen,
bedarf es einer Entscheidung des Parlaments, das dafür 48 Stunden Zeit hat.
Laut Danilow soll der Ausnahmezustand zunächst für 30 Tage gelten, könnte
jedoch vom Präsidenten um weitere 30 Tage verlängert werden. Gemäß den
neuen Vorschriften könnte der Verkehr eingeschränkt sowie für die
Nachtstunden eine Ausgangssperre verhängt werden. Zusätzlich verfügte der
ukrainische Grenzschutz die Einführung von Beschränkungen in Gebieten, die
an Belarus, Russland sowie die beiden sogenannten Volksrepubliken grenzen.
Hier ist nachts der Aufenthalt verboten – genauso wie Flüge von Drohnen
sowie Film- und Fotoaufnahmen.
Am Dienstag hatte Präsident Wolodimir Selenski per Dekret die Einberufung
von rund 36.000 Reservisten im Alter von 18 bis 60 Jahren verfügt. Auch
5.000 Angehörige von Polizei und Grenzschutz sollen mobilisiert worden
sein. Die Notwendigkeit einer Generalmobilmachung sehe er derzeit nicht,
sagte Selenski in einer Videobotschaft, die er auf seinem Facebook-Account
verbreitete.
Am Dienstagabend waren in der Schwarzmeer-Hafenstadt Mariupol, die sich in
der Nähe der „Kontaktlinie“ zu den Separatistengebieten befindet, mehrere
Tausend Menschen gegen eine möglichen Angriff Russlands auf die Straße
gegangen. Auf Plakaten standen Aufschriften wie: „Mariupol ist die
Ukraine!“ und „Fickt Euch, aber nicht Mariupol!“ Die Menschen seien
gekommen, weil sie eine Wiederholung des Jahres 2014 ablehnten. „Wir wollen
nicht so leben wie in der Donezker Volksrepublik. Uns braucht niemand zu
befreien“, zitiert das ukrainische Nachrichtenprotal Ukrainska Pravda einen
Teilnehmer der Kundgebung.
## Separatisten behalten sich vor, Putin um Hilfe zu bitten
Unterdessen gehen die Gefechte in der Ostukraine weiter. Nach Angaben des
ukrainischen Militärs vom Mittwoch sollen in den vergangenen 24 Stunden ein
Soldat getötet und sechs weitere verletzt worden sein. Auf seiner
Facebook-Seite teilt das Militär mit, es habe in dem Zeitraum 96 Beschüsse
durch die prorussischen Separatisten gegeben. Am Tag zuvor seien es 84
gewesen. Die Separatisten hätten unter anderem schwere Artillerie und
Grad-Raketensysteme eingesetzt.
Nach Angaben von Ukrainska Pravda ist in der „Volksrepublik Donezk“ die
Mobilisierung von Männern im wehrfähigen Alter seit der vergangenen Woche
in vollem Gange. Innerhalb weniger Stunden seien die Mobilisierten mit
kargen Trockenvorräten an Lebensmitteln ins Feld geschickt worden. Das
Portal zitiert eine Donezkerin, die anonym bleiben möchte, mit folgenden
Worten: „Einige wurden mobilisiert, andere verstecken sich bei Verwandten
in nahegelegenen Dörfern. Ich habe gehört, dass einige Männer direkt von
der Straßen mitgenommen worden sein sollen.“
Die Nachrichtenagentur Reuters zitiert den Anführer der Separatisten in
Donezk, Denis Puschilin, mit den Worten, es seien keine russischen Soldaten
im Donbass. Ihre Präsenz sei aber in Zukunft möglich, wenn die Situation
dies erfordere. Er würde es bevorzugen, die Frage der Grenzziehung
friedlich mit der Regierung in Kiew zu lösen. Er behalte sich aber das
Recht vor, Russland dafür um Hilfe zu bitten.
Am Mittwoch trafen die Präsidenten Litauens und Polens, Gitanas Nausėda und
Andrzej Duda, zu Gesprächen mit ihrem Amtskollegen Selenski in Kiew ein.
Man stehe an der Seite der Ukraine, erklärten sie. „Ihr Kampf ist auch
unser Kampf“, schrieb Nausėda auf Twitter. Litauen hat der Ukraine erst vor
kurzen Stinger-Flugabwehr-Raketensysteme sowie Munition zur Verfügung
gestellt und ein Team von Spezialisten für Luftverteidigung geschickt.
Polen hat die Bereitstellung von kostenloser Militärhilfe für die Ukraine
genehmigt. In einer gemeinsamen Erklärung forderten Nausėda und Duda, dass
die Ukraine so schnell wie möglich einen Kandidatenstatus für eine
Mitgliedschaft in der EU erhalten sollte. Kiew verdiene bei seinen
europäischen und euroatlantischen Bestrebungen vollste Unterstützung.
Die Krise um die Ukraine hat sich seit der Anerkennung der
„Volksrepubliken“ Lugansk und Donezk als unabhängige Staaten durch
Russlands Präsidenten Wladimir Putin am Montag und die Erklärung, Russland
werde dorthin Militär entsenden, dramatisch zugespitzt. In einem Beitrag
für das ukrainische Nachrichtenportal Zerkalo nedeli kann die Journalistin
Tatjana Silina der Ankennung aber auch positive Seiten abgewinnen:
Schließlich eröffne das Präsident Selenski die Möglichkeit, das Minsker
Abkommen zu begraben. Dennoch müssten sich die UKrainer*innen damit
abfinden, noch lange in einer feindlichen Umgebung zu leben.
23 Feb 2022
## AUTOREN
Barbara Oertel
## TAGS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Russland
Wolodymyr Selenskij
Donbass
GNS
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Russland
## ARTIKEL ZUM THEMA
Demo vor russischer Botschaft: Jugend demonstriert gegen Putin
Der Protest gegenüber Russland wird auch in Berlin lauter. Am frühen
Dienstagabend wurde vor der russischen Botschaft demonstriert.
Politologe zu Putins Eskalation: „Das Angebot hat nicht gereicht“
Johannes Varwick hat lange für Entspannungspolitik geworben. Und jetzt?
Seinen Ansatz hält er nicht für gescheitert, Sanktionen für wirkungslos.
Eindrücke aus Kiew nach Putins Rede: Die Stimmung trügt
In den Straßen der ukrainischen Hauptstadt ist von einem Krieg nichts zu
spüren. Dennoch fürchten sich die Menschen vor dem, was kommt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.