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# taz.de -- Hilfe für ukrainische People of Colour: Von Warschau nach Berlin
> In der Ukraine lebende People of Colour flüchten über die ukrainische
> Grenze. Unser Autor hat vier von ihnen mit dem Auto abgeholt.
Bild: Unterwegs auf der Fluchtroute an der polnischen Grenze: Immer wieder Erfa…
Warschau/Berlin taz | „Danke, dass wir unbeschadet angekommen sind. Danke,
dass …“ Die anderen drei stimmen ein, und für drei Minuten erfüllt ein
französisches Murmeln mein kleines Auto. Über uns strahlt der Kulturpalast
den Warschauer Nachthimmel an. Die höchste Turmuhr der Welt schlägt 11. Wir
fahren los.
Abiona (Name geändert) ist am ersten Tag des Krieges mit seiner Schwester,
seinem Cousin und dessen Freundin aus Lwiw aufgebrochen. Sie leben
eigentlich in Kiew und waren nur zufällig zu Besuch in der Stadt nahe der
polnischen Grenze, in der sich jetzt die Geflüchteten drängen. Eine Woche
haben die vier zum Warschauer Hauptbahnhof gebraucht, von dem aus wir jetzt
nach Berlin aufbrechen. „Weil sie keine Schwarzen mögen in der Ukraine“,
sagt Abiona und dann noch: „Ich rede nicht gern darüber.“
Über 1,2 Millionen Geflüchtete strömten bereits über die ukrainischen
Grenze, die meisten davon nach Polen. Am Donnerstag entschied die
Europäische Union, ihnen einen Aufenthalt ohne Asylantrag zu gewähren.
Dieses Recht gilt für Drittstaatsangehörige allerdings nur, wenn sie einen
langfristigen Aufenthalt in der Ukraine hatten. Abiona und seine
Gefährtinnen haben aber nur Studierenden-Visa.
Die Probleme für Nicht-Ukrainerinnen und insbesondere People of Colour
(PoC) fangen schon früher an: So gibt es Berichte, dass sie in der Ukraine
nicht in die Züge gelassen werden. In Polen warten rechte Hooligans auf
sie, immer wieder wird von Übergriffen berichtet. Züge sind für sie hier
zwar buchbar, aber nicht umsonst.Aus diesem Grund gibt es inzwischen viele
Menschen, die sich darum kümmern, PoC von der Grenze nach Deutschland oder
in andere Länder der EU zu bringen. Sie organisieren sich vor allem über
[1][Telegram].
## Freunde von Freunden
Sarah W. hat viele Freunde in Polen und den Telegram-Kanal URGENT BIPoC
Transport PL–DE gegründet. Jetzt telefoniert sie rund um die Uhr, um
FahrerInnen mit Leuten vor Ort zu verbinden. Dabei sind es in Warschau auch
nur Freunde von Freunden, die mit Schildern auf dem Bahnhof stehen, um ihre
Hilfe anzubieten.Tausende Anrufe von Tausenden unbekannten Nummern: Da ist
es kein Wunder, dass immer wieder Misstrauen aufkommt. Zwischenzeitlich
wurde den Geflüchteten abgeraten, zu weißen Menschen überhaupt ins Auto zu
steigen, aus Angst vor Rechtsradikalen, die sich in die Gruppen
eingeschlichen hätten. Immer wieder gibt es Aufrufe zur Verifikation,
Videoanrufe oder den Verweis auf gemeinsame Bekanntschaften.
Das [2][African Network Germany (Tang e. V.)] ist mit über 900 Mitgliedern
das größte Netzwerk afrikanischer Vereine in Deutschland. „Wir haben Leute
vor Ort, die von Bahnhof zu Bahnhof gehen, die wissen, wo die Leute sich
versteckt haben, und sie in die Busse bringen“, erzählt Sylvie Nantcha, die
Gründerin und Bundesvorsitzende des Netzwerks. Sie bekämen Meldungen über
Camps, die zum Beispiel in Przemyśl aufgemacht hätten, in denen PoC unter
schlechten Bedingungen von der polnischen Regierung untergebracht werden.
Die Nachrichten von Übergriffen verbreiten sich wie Lauffeuer. Unabhängig
bestätigen lassen sich diese Informationen nicht, aber auf der Flucht
herrscht die Angst.
Zusammen mit dem Verbund von Afrodeutschen, Eoto (siehe Interview oben) und
Asmaras World organisiert Tang den Transport für geflüchtete PoC. FlixBus
stellt ihnen Busse und FahrerInnen zur Verfügung, sie müssen nur die
Kosten tragen – teuer ist das trotzdem. Spenden kann man über PayPal oder
Überweisung. Der Tang e. V. hat außerdem eine Hotline eingerichtet:
Eigentlich ist sie für Flüchtende, aber es rufen vor allem viele an, die
ihre Hilfe anbieten.
Nantcha erzählt von einem Anruf bei der Hotline: 711 afrikanische
Studierende säßen in Sumy – einer Stadt in der Ost-Ukraine – fest: „Seit
mehreren Tagen haben wir keinen Strom, kein Wasser, kein Essen, und die
Welt hat uns vergessen“. Issa Diallo, Vizepräsident der African Council,
dem vergleichbaren Netzwerk in der Ukraine, ist in Kiew geblieben, um die
Flucht von dort aus zu organisieren. Er versucht jetzt, das Rote Kreuz auf
die Studierenden in Sumy aufmerksam zu machen. „Wir sind schockiert, dass
selbst im Krieg noch Platz für Rassismus ist“, sagt Sylvie Nantcha. Ihre
Aktionen seien auch „ein Schrei in die Welt, dass Deutschland sich bewegen
muss“.
## Gleich weiter nach Brüssel
Sascha Lawrenz, Sprecher des Bundesministeriums des Innern, sagt der taz,
das Ministerium arbeite derzeit an einer Möglichkeit, „Ausländern, die sich
am 24. Februar 2022 in der Ukraine aufgehalten haben, auch unabhängig von
den bereits bestehenden Möglichkeiten einer visumfreien Einreise
unbürokratisch einen Aufenthalt zu ermöglichen“.
Nach siebeneinhalb Stunden kommen wir in Berlin an. Abiona und seine
Freunde steigen am Hauptbahnhof in den Zug Richtung Brüssel. Sie hoffen, im
Schengen-Raum ihr Wirtschaftsstudium weiterführen zu können. Eigentlich
wollten sie von Anfang an nach Belgien oder Frankreich, aber ein Visum ist
schwer zu bekommen.
Abiona redet ungern über die Flucht und den Rassismus, stattdessen viel
über Fußball und seine Freundin. Weil er Schwarz ist, habe er in der
Ukraine in den unteren Ligen nicht spielen dürfen. Im Auto singen sie mit
und klatschen den Rythmus. „Wie kann ich deinen Segen bekommen?“, übersetzt
er mir das lingalanische Liebeslied.
Wer helfen möchte:
The African Network of Germany e. V.
Hotline: 0049.17645848430
IBAN: DE57 10010010 0532 0671 27
BIC: PBNKDEFF
6 Mar 2022
## LINKS
[1] https://t.me/+XHrjC1uX9ZVjYjZi%20)%20und%20WhatsApp%20(https://chat.whatsap…
[2] http://tang-ev.de/
## AUTOREN
Hanno Rehlinger
## TAGS
Fluchtrouten
Schwerpunkt Rassismus
Ukraine
People of Color
Ukraine
Wochenkommentar
Hauptbahnhof Berlin
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