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# taz.de -- Neue Serie „Der König von Palma“: Allein gegen die Mallorquiner
> In den 1990ern herrscht Goldgräberstimmung auf Mallorca. Die RTL+-Serie
> „Der König von Palma“ thematisiert Licht und Schatten der
> Touristenhochburg.
Bild: Henning Baum spielt das Alphamännchen Matti Adler im Las Vegas der Deuts…
„Jetzt leg mal die Hände aufs Lenkrad. Und? Was spürst du?“, fragt der
Autohändler. Er gibt die Antwort gleich selbst: „Bullenleder. Nur von
Stieren, die in der Arena gefallen sind.“ Bullenleder … Bulle … da war do…
was?! Richtig, das scheint ein Fall von starker Obsession mit dem
männlichen, geschlechtsreifen, unkastrierten Rind zu sein.
Der Mann, der hier also versucht, mit dem Evozieren dieser Attribute
ausgerechnet einen Jaguar (XJ-S V12 Convertible) an den Mann zu bringen,
war auch schon (vor über zehn Jahren) [1][„Der letzte Bulle“]. Als solcher
erwachte er nach 20 Jahren aus dem Koma und bewegte sich fortan mit dem
Selbstverständnis eines 1980er-Jahre-Machos durch eine nicht nur in
technischer Hinsicht veränderte Welt.
Der Schauspieler Henning Baum hat sich als die perfekte Besetzung für diese
Serienfigur erwiesen – nicht nur weil er mit seiner bärigen Physiognomie
schon äußerlich als das diametrale Gegenteil von einer zeitgenössischeren
Form von (reduzierter) Männlichkeit repräsentierenden Typen à la Jared Leto
oder Harry Styles daherkommt.
Vor allem, das war der geniale Dreh, hatte seine Darstellung immer so etwas
leicht Lausbübisches (der Begriff ist genau angemessen retro), das man
wahlweise als Ausdruck seines unerschütterlichen Selbstbewusstseins als
Alphamännchen begreifen oder aber auch als (Selbst-)Ironiesignal lesen
konnte. Und so waren am Ende alle glücklich: die einen über die Feier der
guten alten Zeit – die anderen über den verdienten Abgesang genau darauf.
Genial.
Und kein Wunder, dass Henning Baum in einer neuen Serienhauptrolle nun
genau da anknüpft, wo er 2014 so genial aufgehört hat. Nur dass er das
heimische Ruhrgebiet schon bald für einen anderen Handlungsort verlässt –
Stichwort: Arena.
## Goldgräberstimmung auf Mallorca
„Damals, da hat die richtige Party erst angefangen. Auf diesen viereinhalb
Kilometern Sandstrand, da hat sich alles abgespielt. Playa de Palma oder
halt: der Ballermann. So was wie das Las Vegas der Deutschen. Das
siebzehnte Bundesland. Oder damals eben noch das zwölfte. Und für die
Wessis gehörte das einfach dazu, so wie Karneval oder Oktoberfest. Matti
Adler traf ich an meinem ersten Tag hier. Es war der zweite Juni 1990.“
Die Off-Erzählerin heißt Bianca (Pia-Micaela Barucki) und kommt aus
Leipzig. Das übrigens fällt auf, zwei Tage nach dem Start der etwa zur
gleichen Zeit spielenden [2][ARD-Serie „ZERV“]: Das Narrativ von den
jahrzehntelang nicht hinreichend gewürdigten Ost-Biografien ist endlich im
fiktionalen Fernsehen angekommen. In beiden Programmen werden in der DDR
sozialisierte Frauen als Sympathieträgerinnen und Identifikationsfiguren
angeboten – wird ihre darauf zurückgeführte Direktheit nicht mehr als
Unbedarftheit vorgeführt, sondern als Unverdorbenheit, Anständigkeit
verstanden.
Es herrscht Goldgräberstimmung auf Mallorca, die Wiedervereinigung
verspricht (16) Millionen weitere deutsche Urlauber. Wie Bianca, die auf
den schon vor ihr ausgewanderten Bullen (Baum) trifft, der hier Adler
heißt, ausgerechnet, und bleibt, um mit ihm und seiner Familie (Frau,
Tochter, Sohn und Bruder) den „Bieradler“ zu schmeißen: auf dass der letzte
Bulle „Der König von Palma“ (Regie: Damian John Harper; Showrunner:
Veronica Priefer, Johannes Kunkel) werde. In Hawaiihemd (ein bisschen zu
geschmackvoll) und mit Goldkettchen (ein bisschen zu dezent) düst der
Ex-Autohändler in seinem Erdbeerkörbchen (aka Golf I Cabriolet) über die
Insel wie einst der föhnfrisierte Sascha Hehn durch den Schwarzwald.
Biancas unverkrampfter Direktheit sind Engagements von Größen wie Costa
Cordalis (dargestellt von dessen Sohn Lucas Cordalis) und Jürgen Drews zu
verdanken. Das Geld müssen sie in Plastiktüten wegtragen als wärs das
„Studio 54“. Allein, eine reine Erfolgsgeschichte wäre dramaturgisch
natürlich so dünn wie abgestandenes Bier. Ein paar verschlagene Südländer
müssen her, korrupte Polizisten, die den Adlers den Erfolg neiden und die
Bierlieferung an den „Bieradler“ sabotieren. Und Schlimmeres. Doch sie
alle haben ihre Rechnung ohne den Bullen von Palma gemacht: „Aufgeben ist
für mich keine Option“.
Zwischendurch gibt es historische Dokumentaraufnahmen vom Ballermann, ein
bisschen grobkörnig, aber die roten Speckrollen sind dennoch gut zu
erkennen: Body Positivity anno 1990. Die Musik spielt „Anita“ und „Ein Be…
im Kornfeld“. Die einen mögen sich an den schönsten Urlaub ihres Lebens
erinnern – die anderen ihre schlimmsten Malle-Vorurteile bestätigt sehen.
Und damit werden alle glücklich sein.
24 Feb 2022
## LINKS
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[2] /ARD-Krimiserie-ZERV/!5830262
## AUTOREN
Jens Müller
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