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# taz.de -- Untersuchungsausschuss zu rechten Morden: „Es darf nicht bei Wort…
> Serpil Unvar hat vor dem Hanau-Untersuchungsausschuss gesprochen. Wir
> veröffentlichen ihre Rede.
Bild: Serpil Unvar in den Räumlichkeiten der Begegnungsstätte #SayTheirNames
Fast zwei Jahre ist der rechte Anschlag in Hanau her: Am 19. Februar 2020
wurden neun Menschen aus rassistischen Motiven getötet. Sie hießen: Ferhat
Unvar, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Said Nesar Hashemi, Mercedes
Kierpacz, Sedat Gürbüz, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Păun und Fatih
Saraçoğlu. Anschließend tötete der Täter seine Mutter und sich selbst.
[1][Seit dem Sommer 2021] beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss des
hessischen Landtags mit der sicherheitspolitischen Dimension des Falls.
Sein Ziel ist es, herauszufinden, ob die Landesregierung und die
Sicherheitsbehörden Fehler gemacht haben. Am Freitag, den 21. Januar,
findet die 9. Sitzung des Untersuchungsausschusses statt, bei der auch drei
Zeug*innen aus dem Kreis der Angehörigen der Hanauer Mordopfer zu Wort
kommen. Die Rede von [2][Serpil Unvar], der Mutter von Ferhat Unvar,
veröffentlichen wir hier.
## Die Rede von Serpil Unvar
Dieser Untersuchungsausschuss ist für uns Familien sehr wichtig. Wir haben
dafür gekämpft. Viele Fragen zu dem Geschehen stellen sich alle
Angehörigen, Verletzten und Überlebenden der Tatnacht und wir stellen sie
auch hier im Untersuchungsausschuss: Hätten die Morde verhindert werden
können? Welche rassistischen und rechten Strömungen ermöglichen eine solche
Tat? Wird wirklich etwas getan werden, um solche Angriffe in der Zukunft zu
verhindern? Wird es eine vollständige Aufklärung geben?
Wir wollen Aufklärung und Antworten auf unsere vielen Fragen. Das ist jetzt
Ihre Aufgabe. Sorgen Sie dafür, dass es mit den Ausreden und Ausflüchten
der Behörden ein Ende hat!
Es wurden bei den Ermittlungen Fehler gemacht. Diese sollten aufgeklärt und
eingestanden werden. Denn Aufklärung ist die Bedingung für Konsequenzen und
Veränderung in der Zukunft.
In meinem ersten Brief an Frau Merkel habe ich geschrieben, dass diese Tat
aufgeklärt werden muss, damit mein Sohn nicht ein zweites Mal getötet wird.
Ich habe diesen Brief in der Hoffnung geschrieben, dass es eine lückenlose
Aufklärung geben wird. Diese Hoffnung in die Politik habe ich inzwischen
nicht mehr. Aber unabhängig davon, was am Ende bei diesem
Untersuchungsausschuss herauskommt: Meine Hoffnung und meine Kraft ist die
Gesellschaft.
Bis heute ist immer wieder von einem „Einzeltäter“ die Rede, und keiner hat
sich der Verantwortung gestellt. Es gibt Lücken in euren Gesetzen. Und
damit macht ihr viel Platz für diese vielen rassistischen Einzeltäter.
Rassistische Morde haben niemals aufgehört. Das heißt, dass es ein Defizit
in diesem System gibt, das endlich gelöst werden muss.
Aber diesmal kann niemand einfach “Einzeltäter“ sagen, die Akten schließen
und dann war’s das. Denn eines haben wir gelernt in diesen vergangenen 23
Monaten: Wenn genug Druck von der Gesellschaft kommt, dann geht das nicht
so einfach. Wir haben auch gelernt, dass es viele Menschen gibt, hier in
Deutschland, die nicht wollen, dass sich die rassistische Gewalt immer
wieder wiederholt. Große Teile der Gesellschaft wollen, dass das endlich
aufhört. Wenn die Gesellschaft sich verändert und etwas in Bewegung gerät,
dann entsteht etwas Neues.
Es ist nicht wie früher: Wir halten zusammen und wollen etwas verändern.
Für die Zukunft. Wir haben in Hanau gezeigt, dass wir alle gemeinsam etwas
schaffen können. Die ersten Schritte sind gemacht. Und wir kämpfen in Hanau
auch für viele andere Opfer rassistischer Anschläge. Über all diese
sinnlosen Tode soll etwas Neues geboren werden, etwas anderes. Und das
machen wir.
Ihr Politiker redet ganz schön jetzt, aber es darf nicht bei Worten
bleiben. Wir vergessen nicht, was ihr gesagt habt. Wir werden euch an alle
Versprechen erinnern. Manche sagen, dass auch mal Schluss sein muss – und
dass es nach 2 Jahren mit dem Thema Hanau reicht. So lange die Tatnacht
nicht aufgeklärt ist, so lange nicht eingestanden wird, dass nach den
Morden von der Polizei und der Staatsanwaltschaft Fehler begangen wurden,
kann die Akte Hanau nicht geschlossen werden.
Ich habe die Verantwortung übernommen, so lange weiterzumachen, bis ich
nicht mehr kann. Ich habe als Mutter die Leiche von meinem Sohn umarmt und
geküsst. Das, was ich tue, das ist nicht für mich. Ferhat und all unsere
Kinder sollen nicht umsonst gestorben sein. Die Zukunft liegt in unseren
Händen.
Ich frage Sie: Was wollen Sie wirklich tun, damit sich etwas verändert? Was
tun Sie ganz konkret, damit das rassistische Morden ein Ende hat? Wir haben
viele schöne Reden gehört in all diesen Monaten. Aber wir wollen auch
Konsequenzen sehen. Wollen Sie etwas verändern in dieser Gesellschaft? Dann
kommen Sie mit.
Wenn wir das geschafft haben für die Zukunft, dann bleiben ihre Namen und
die Erinnerung für immer lebendig. Mein Sohn hat bei Facebook geschrieben:
“Tot sind wir erst, wenn man uns vergisst.“
21 Jan 2022
## LINKS
[1] /Untersuchungsausschuss-zu-Hanau/!5784522
[2] /Serpil-Temiz-Unvar-ueber-ihre-Initiative/!5810964
## AUTOREN
Serpil Unvar
## TAGS
Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau
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