| # taz.de -- Streichung des Paragrafen 219a: Der Rechtsstreit geht weiter | |
| > Beim Bundesverfassungsgericht sind noch drei Klagen gegen den Paragrafen | |
| > 219a anhängig. Die drei Ärzt:innen haben bereits Geldstrafen erhalten. | |
| Bild: Prozess gegen die Gynäkologin Bettina Gaber vor dem Amtsgericht in Tierg… | |
| Freiburg taz | Beim Bundesverfassungsgericht sind drei Klagen anhängig, die | |
| sich mittelbar gegen Paragraf 219a richten. Darüber kann das | |
| Bundesverfassungsgericht auch entscheiden, wenn der Strafparagraf nun | |
| abgeschafft wird. Die erste Verfassungsbeschwerde stammt von der Berliner | |
| Frauenärztin Bettina Gaber. Sie hatte auf ihrer Webseite mitgeteilt: „Auch | |
| ein medikamentöser, narkosefreier Schwangerschaftsabbruch in geschützter | |
| Atmosphäre gehört zu unseren Leistungen.“ | |
| Zwar ist es seit März 2019 erlaubt, dass Ärzte mitteilen, dass sie | |
| Abtreibungen durchführen. Sie dürfen aber immer noch nicht darüber | |
| [1][informieren, welche Methoden sie anwenden]. Gaber wurde deshalb vom | |
| Amtsgericht Berlin-Tiergarten im Juni 2019 zu einer Geldstrafe in Höhe von | |
| 2.000 Euro verurteilt. Das Kammergericht Berlin bestätigte die Strafe. | |
| Dagegen legte Gaber 2020 Verfassungsbeschwerde ein. | |
| Ein Jahr später folgte die Klage der Gießener Frauenärztin Kristina Hänel. | |
| Sie war vom Landgericht Gießen zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das | |
| Oberlandesgericht Frankfurt am Main verwarf die Revision. Anschließend ging | |
| Hänel nach Karlsruhe. | |
| Und schließlich folgte im November 2021 der Nottulner Frauenarzt Detlef | |
| Merchel. Er informierte auf seiner Webseite, dass er medikamentöse | |
| Schwangerschaftsabbrüche vornimmt und wurde vom Amtsgericht Nottuln | |
| verurteilt. Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte die Geldstrafe. In allen | |
| drei Fällen muss das Bundesverfassungsgericht klären, ob der | |
| zugrundeliegende Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs mit dem Grundgesetz | |
| vereinbar ist oder ob er die Meinungs- und Berufsfreiheit von Ärzt:innen | |
| verletzt. | |
| ## Amnestie nicht vorgesehen | |
| Die Verfassungsbeschwerden haben sich auch nicht erledigt, falls nun der | |
| Bundestag die umstrittene Strafnorm abschafft. Denn die Strafurteile und | |
| damit die Geldstrafen gegen die Frauenärzt:innen bleiben ja erhalten. | |
| Im Gesetzentwurf von Justizminister Buschmann ist keine Amnestie für | |
| verurteilte Ärzt:innen vorgesehen. Auch eine Wiederaufnahme des | |
| Verfahrens ist in dieser Konstellation nicht möglich. | |
| Das Bundesverfassungsgericht muss über die Beschwerden von Gaber, Hänel und | |
| Merchel also entscheiden, falls die Klagen nicht zurückgenommen werden. | |
| Wann Karlsruhe entscheidet, weiß niemand. | |
| Das Gericht könnte dann den abgeschafften Paragraf nachträglich noch für | |
| verfassungswidrig erklären. Es könnte theoretisch aber auch entscheiden, | |
| dass die Abschaffung verfassungswidrig war, weil das Informationsverbot zum | |
| Schutz ungeborenen Lebens erforderlich ist. Chancen und Risiken bestehen | |
| auch, wenn das Gericht den Fall zum Anlass nimmt, generell seine Maßstäbe | |
| zu Schwangerschaftsabbrüchen zu überprüfen. Dabei könnte es die | |
| grundsätzliche Austragungspflicht der Frau bestätigen, aber auch entfallen | |
| lassen. Denkbar ist vieles. | |
| Zuständig ist jedenfalls der Zweite Senat des Gerichts – also jener Senat, | |
| der 1975 und 1993 schon einmal Reformen beim Abtreibungsrecht blockierte. | |
| Natürlich ist der Zweite Senat heute ganz anders besetzt und es gehören ihm | |
| auch fünf Richterinnen an. Doch er ist nach wie vor der konservativere der | |
| beiden Karlsruher Senate. Auch die CDU/CSU-Fraktion könnte das Thema nach | |
| Karlsruhe bringen. Wenn der Bundestag den Paragrafen 219a abschafft, könnte | |
| die Unions-Fraktion dagegen eine abstrakte Normenkontrolle beantragen. Auch | |
| hier wäre der Zweite Senat zuständig. | |
| Korrigiert am 18.01.2022 um 10:45. Es sind nicht zwei sondern noch drei | |
| Klagen gegen den Paragrafen 219a anhängig. Im zweiten Senat sitzen außerdem | |
| inzwischen fünf Richterinnen, nicht nur vier, wie es zunächst im Text | |
| stand. Wir bitten die Fehler zu entschuldigen. d. R. | |
| 18 Jan 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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