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# taz.de -- Schwarzarbeit bei Putzhilfen: Nicht ganz sauber
> Mit Gutscheinen will die Bundesregierung die Schwarzarbeit bei
> Haushaltshilfen reduzieren. Kann das funktionieren?
Bild: Mit Gutscheinen gegen die Schwarzarbeit bei Haushaltshilfen – so der Pl…
Manuela Zimmermann ist Raumpflegerin und kommt aus dem Schwärmen gar nicht
mehr heraus: „Ich bekomme fairen Lohn, nutze nachhaltige Putzmittel und bin
versichert.“ Seit drei Jahren arbeitet sie [1][bei der Reinigungsfirma
Klara Grün] und dort sei es anders als sonst in der Branche. Selbst wenn
sie oder ihre Tochter mal krank werden, bekommt sie weiter Geld und muss
sich keine Sorgen um ihren Job machen.
Für Haushaltshilfen in Deutschland ist das nicht selbstverständlich. Die
meisten in der Branche arbeiten schwarz – also ohne Sozialversicherungen
und an der Steuer vorbei. Das habe Vor- und Nachteile, erzählt Manuela
Zimmermann, die eigentlich anders heißt. Auch sie hat früher unangemeldet
gearbeitet. Darum will sie lieber anonym bleiben. „Wenn du
schwarzarbeitest, hast du das Geld bar, davon zieht dir keiner was ab“,
sagt sie.
Aber es sei auch gefährlich, beispielsweise allein in fremde Wohnungen zu
fahren, ohne dass jemand davon weiß. Aber wem hätte sie etwas sagen sollen?
„Damit gehst du nicht hausieren. Da schämst du dich ja auch für.“
Zum Dunkelfeld der schwarzarbeitenden Haushaltshilfen in Deutschland gibt
es unterschiedliche Schätzungen. Alle gehen aber davon aus, dass mehr als
drei Viertel jener, die haushaltsnahe Dienstleistungen anbieten, nicht
angemeldet sind. Die allermeisten von ihnen sind Frauen.
Dabei ging die Schwarzarbeit in den vergangenen Jahren bereits zurück, mit
20 Prozent Steuererleichterung und vereinfachter Anmeldung wurden Anreize
für legale Beschäftigung geschaffen.
## Gutscheine für Familien, Alleinerziehende und Pflegende
[2][Mit Gutscheinen möchte die Bundesregierung] nun ab 2023 Familien,
Alleinerziehende und pflegende Angehörige zu 40 Prozent bei den Kosten
unterstützen, wenn sie legale Haushaltshilfen bei zertifizierten Firmen
engagieren. Bis zu 2.000 Euro Bonus stellt Bundesarbeitsminister Hubertus
Heil (SPD) in Aussicht. Das werde die Schwarzarbeit weiter eindämmen.
Die Linken-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow zweifelt daran: „Das Ziel ist
gut, aber das Mittel greift zu kurz.“ Es würde die „Kluft zwischen Menschen
mit gutem Einkommen und einer arbeitenden, aber armen Dienstleistungsklasse
weiter zementiert, statt sie aufzubrechen“.
Das glaubt auch Manuela Zimmermann. Wenn es um eine fair und gut entlohnte
Haushaltshilfe gehe, dann seien 40 Prozent für die meisten Haushalte
einfach zu wenig. Und es gebe genug Leute, die das Geld hätten und trotzdem
unfair bezahlten.
Mehr als zwanzig Jahre lang hat sie Wohnungen geputzt, ohne dass ihre
Auftraggeber*innen sie anmeldeten. Auch bei Wohlhabenden habe sie
saubergemacht. Die hätten aber auch nicht besser bezahlt, manchmal nur 5
oder 6 Euro in der Stunde.
## Wenig konkrete Zahlen
Mehr über die Auftraggeber*innen von Schwarzarbeit zu sagen, ist
schwer. Zahlen lassen sich kaum erheben. „Dass Menschen zugeben, dass sie
etwas illegal machen, ist eher selten“, sagt [3][Dominik Enste] vom
Institut der deutschen Wirtschaft. Er forscht seit Jahren zur
Schwarzarbeit, ihrem Umfang und ihren Ursachen. Wer seine Putzhilfe anmelde
und wer nicht, das sei meist reine Spekulation.
Aber mithilfe des [4][Sozio-ökonomischen Panels (SOEP)] mit jährlich knapp
15.000 befragten Haushalten ließen sich wenigstens näherungsweise Zahlen zu
haushaltsnahen Dienstleistungen bestimmen.
8,6 Prozent der Haushalte beschäftigten demnach gelegentlich oder
regelmäßig Haushaltshilfen. Tatsächlich zeigten die Daten, dass Haushalte
mit überdurchschnittlichem Einkommen häufiger eine Haushaltshilfe
beschäftigen. Aber die größte Gruppe mit 18 Prozent seien Menschen, die
älter als 60 Jahre sind. Bei ihnen erledigen die Haushaltshilfen
„pflegerische Ergänzungsdienstleistungen und alltägliche Aufgaben, die die
Auftraggeber nicht mehr allein bewältigen können“, sagt Enste. Der Bedarf
habe also einen höheren Einfluss als das Einkommen.
„Ältere wollen lieber legal anstellen“, erzählt Manuela Zimmermann. Sie
müssten aber oft die Erfahrung machen, dass viele Haushaltshilfen selbst
lieber schwarzarbeiten. Diese wollten nicht, dass der Staat ihre
Harz-IV-Sätze kürze oder sie hätten keine Arbeitserlaubnis in Deutschland.
Dazu gebe es „naturgemäß“ keine Daten, sagt Wissenschaftler Enste. Aber
auch mangelnde Sprachkenntnisse oder fehlende Anreize könnten da eine Rolle
spielen.
## Weitergehendes Modell
[5][Anja Piel], DGB-Vorstandsmitglied, betont, dass es sich bei
Haushaltshilfen in Schwarzarbeit überwiegend um „Frauen mit
Migrationsgeschichte“ handle. Für die bedeute die Beschäftigung „keine
Absicherung gegen Arbeitslosigkeit, keine Rentenansprüche, kein sozialer
Schutz“. Darum sei es gut, dass die Bundesregierung sich des Themas
annehme. Der DGB schlage aber ein weitergehendes Modell vor. „Danach
sollten alle Haushalte mindestens die Hälfte der anfallenden Kosten
erstattet bekommen“, sagt Piel.
Zumindest langfristig sollen nach dem Plan von Arbeitsminister Heil alle
Haushalte vom Gutscheinsystem profitieren. Das koste nicht nur, sondern
generiere auch Steuereinnahmen. Privathaushalte könnten dann die von ihnen
benötigten Leistungen bei staatlich anerkannten Agenturen buchen. Manuela
Zimmermann ist jedoch skeptisch, was diese Reinigungsfirmen angeht. Die
Frage sei: Wie viel bekomme dann die Agentur, wie viel die Haushaltshilfe?
„Bei den großen Firmen bist du einfach austauschbar“, sagt sie. Auf der
einen Seite würde voller Einsatz verlangt und Arbeitsschutz bei den
Reinigungschemikalien sei zweitrangig. Andererseits sei sie sofort
gekündigt worden, als sie einmal krank wurde.
Bei drei großen Firmen habe sie gearbeitet und auch von anderen nichts
Gutes gehört, „da zeigen sich Muster“. Die Bezahlung sei zwar pünktlich
gekommen, aber nicht über dem Mindestlohn gewesen. Nicht fair für die
Arbeit, findet sie, selbst wenn der Mindestlohn auf 12 Euro angehoben
werde.
Das Ziel müsse es sein, „gute Arbeit, möglichst tarifvertraglich geregelte
Löhne und sichere Arbeitsbedingungen in Privathaushalten zu schaffen“, sagt
Anja Piel vom DGB. Ähnlich klingt es bei der Linken Susanne Hennig-Wellsow:
„Das ist der einzig vernünftige Weg, um Menschen ein gutes Einkommen zu
ermöglichen.“
Anfangs habe Manuela Zimmermann auch bei ihrer neuen Firma immer Angst
gehabt, wenn sie krank wurde, erzählt sie. Doch das habe sich mittlerweile
gelegt. „Der Job macht mir Spaß, denn ich gebe anderen Leuten wertvolle
Zeit“, sagt sie. „Ich werde den Teufel tun und mir was anderes suchen.“
15 Jan 2022
## LINKS
[1] /Gruenderinnen-ueber-ihr-Putz-Start-up/!5693790
[2] /Zuschuss-fuer-Haushaltshilfen/!5825098
[3] https://www.iwkoeln.de/institut/personen/dominik-h-enste.html
[4] https://www.diw.de/de/diw_01.c.615551.de/forschungsbasierte_infrastrukturei…
[5] https://www.dgb.de/uber-uns/dgb-heute/organisation-und-bundesvorstand/anja-…
## AUTOREN
David Muschenich
## TAGS
Putzen
Sozialversicherung
Informelle Arbeit
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Haushaltshilfe
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Mindestlohn
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