# taz.de -- Die Wahrheit: Im parlamentarischen Mondlicht | |
> Die Suche nach der Bundestagspoetin geht in die nächste Runde. Oder doch | |
> nicht? Kleiner Rückblick auf das bisherige Geschehen. | |
Endlich mal wieder eine richtige Debatte! Brauchen wir eine | |
Parlamentspoetin? Die Schriftsteller Mithu Sanyal, Dmitrij Kapitelman und | |
Simone Buchholz forderten ein solches Amt, Bundestagspräsidentin Katrin | |
Göring-Eckhardt zeigte sich begeistert. | |
Sollen nach knalligen Titeln wie „Gute-Kita-Gesetz“ zukünftig auch die | |
Paragrafen in Reimform gegossen und damit volksnäher werden? Werden die | |
Debattenbeiträge in Büttenreden umgeschrieben? Und gibt es eigentlich schon | |
eine Parlamentskapelle? Oder übernimmt den Tusch das Musikkorps der | |
Bundeswehr, das schließlich hochprofessionell „Du hast den Farbfilm | |
vergessen“ intoniert hat? | |
Dass gerade Katrin Göring-Eckhardt mit ihrer spezifischen Mischung aus | |
Quas- und Quabbelsprache im Verbund mit Kindergarten-Slang von einem | |
„tollen Vorschlag, den wir als Parlament unbedingt weiterverfolgen sollten“ | |
sprach und forderte, „einen neuen diskursiven Raum zwischen Parlament und | |
lebendiger Sprache zu öffnen“, erscheint geradezu zwingend. Denn zu | |
öffnende diskursive Räume und Poesie passen halt zusammen wie Arsch auf | |
Eimer. Beziehungsweise wie Katrin Göring-Eckhardt auf Hartz-IV-Gesetze. | |
Tausend tolle Sachen, die gibt es überall zu sehn! | |
Nun wird der grünen Gotteskriegerin gleich unterstellt, sie suche nur | |
prophylaktisch jemanden, die beim nächsten von Grünen mitgetragenen | |
Angriffskrieg à la Jugoslawien herzzerreißende Verse über Kollateralschäden | |
im Bombenhagel vorträgt oder die Schönheit der Kraft des Wiederaufbaus aus | |
rauchenden Ruinen besingt. Während die bürgerliche Presse erwartbar schäumt | |
vor Wut über ein weiteres mutmaßliches Wokeness-Diversity-Projekt. | |
## Frei und staatsangestellt | |
Wolfgang Kubicki nörgelte: „Künstler sollen eigentlich Stachel im Fleisch | |
der Herrschenden sein, nicht deren Angestellte.“ Was ein bisschen lustig | |
ist, wo doch praktisch die gesamte Hochkultur und besonders Poesie und | |
Lyrik de facto staatsangestellt am Subventionstropf hängt und sich von | |
Stipendium zu Stipendium hangelt, während der „Stachel im Fleisch der | |
Herrschenden“ nach Lage der Dinge eher FDP-Kubicki selbst ist, der aber | |
auch ein guter Anwärter für den neuen Posten wäre. | |
Leider ist der diskursive Raum über das Parlamentspoetentum sofort wieder | |
unsanft geschlossen worden. Franz Josef Wagner befand abschließend in der | |
Bild: „Eines Dichters Wortschatz ist geprägt von Mondlicht, | |
herzzerreißenden Sonnenuntergängen. Er sieht die tragische Herde, Tränen | |
rinnen auf seinen Schreibblock. Ich glaube, wir brauchen keine Wort- und | |
Gefühlsakrobaten. Wir brauchen klare Worte. Wir brauchen Worte, die wie aus | |
einem Geröll herausgehauen sind. Harte, wahre Worte.“ Hart und wahr: „Was | |
für ein idiotischer Vorschlag, wir bräuchten einen Dichter oder Dichterin | |
für unser Parlament.“ | |
Da wird auch der Letzten unmissverständlich klar, dass wir keine | |
Parlamentspoetin brauchen – wir haben doch schon einen Staatspoeten! | |
14 Jan 2022 | |
## AUTOREN | |
Heiko Werning | |
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