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# taz.de -- Coronavirus in China: Mit Massentests gegen Omikron
> Kurz vor den Olympischen Spielen breitet sich die neue Virusvariante in
> China aus. Das könnte die pandemische Lage im Land verschärfen.
Bild: Eine Frau wird in Xian getestet: Seit zweieinhalb Wochen ist die chinesis…
Peking taz | Die Hiobsbotschaft kam mit Ansage – und traf die meisten
Chinesen dennoch wie ein Schock. Am Samstag wurde ein Paar aus der
Küstenstadt Tianjin positiv auf das Virus getestet, am Sonntagmorgen
berichtete das Staatsfernsehen: Es handelt sich um die ersten lokalen
Omikron-Fälle des Landes. Mehr als 20 Infektionen wurden entdeckt, darunter
sind bisher mindestens 2 Ansteckungen mit der Variante. Die Bewohner der
15-Millionen-Metropole sollen zu Hause bleiben, die Behörden wollen zudem
Massentests durchführen.
Wie sich Omikron in China weiter ausbreitet, ist auch für die olympischen
Winterspiele relevant. Diese sollen vom 4. bis 20. Februar in Peking in
einer „geschlossenen Blase“ stattfinden. Die Teilnehmer und das Personal
sollen dabei keinerlei Kontakt zur lokalen Bevölkerung haben. Aufgrund des
strengen Coronasicherheitskonzepts hält der Präsident des Internationalen
Olympischen Komitees (IOC), Thomas Bach, eine Absage jedoch für
ausgeschlossen.
Für China ist dies trotzdem das denkbar schlimmste Szenario. International
führende Virologen haben bereits vor Tagen davor gewarnt, dass die
hochinfektiöse Virusmutation die Karten neu mischen wird. Kurz vor
Weihnachten hatte auch der deutsche Virologe Christian Drosten China als
seine „größte Sorge“ bezeichnet, auch mit Blick auf die Weltwirtschaft.
Denn wie Drosten glauben die meisten internationalen Wissenschaftler, dass
angesichts der hochinfektiösen Mutation eine Null-Covid-Politik zum
Scheitern verurteilt ist. Trotz strikter Quarantäne- und Lockdown-Regimes
ließe sich die Verbreitung des Virus nicht mehr aufhalten.
Erschwerend kommt hinzu, dass die in China zugelassenen Vakzine von
Sinopharm und Sinovac nach ersten Daten keinen ausreichenden Schutz gegen
Omikron liefern, auch nicht mit Booster-Impfung. Das könnte auch außerhalb
Chinas Folgen haben: Nach Angaben des chinesischen Außenministeriums wurden
bisher etwa 2 Milliarden Impfdosen an über 120 Staaten geliefert. Vor allem
Entwicklungs- und Schwellenländer wie Brasilien oder Chile vertrauen auf
die chinesischen Präparate.
Ein weiteres Problem, das [1][die Lage in China] mit der Verbreitung von
Omikron verschärfen könnte: Aufgrund der extrem niedrigen Infektionszahlen
seit Ausbruch der Pandemie ist auch die „natürliche“ Immunität weitaus
geringer als in anderen Staaten. Nur etwas mehr als 100.000 Menschen haben
sich innerhalb der Bevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen mit dem Virus
infiziert. Schon in den letzten Tagen hatte sich angedeutet, dass [2][China
mit seiner radikalen, aber bisher erfolgreichen Null-Covid-Strategie] an
seine Grenzen gelangt.
Seit zweieinhalb Wochen ist die nordwestchinesische Metropole Xian
vollständig abgeriegelt, die 13 Millionen Einwohner dürfen nur mehr zum
verpflichtenden Covid-Test auf die Straße. Dabei haben die
Gesundheitsbehörden seit Beginn des Ausbruchs in Xian weniger als 2.000
Infektionen registriert. Unter ihnen ist bislang auch kein einziger an dem
Virus verstorben.
Dennoch griffen die Behörden durch. Und die Kollateralschäden dieser
Politik haben sich selten so drastisch offenbart. Am Neujahrstag etwa
verweigerten die Mitarbeiter des Gaoxin-Spitals im Südwesten der Stadt
einer hochschwangeren Frau den Einlass, da ihr negativer Covid-Test vier
Stunden abgelaufen war. Ehe das Resultat des neuen Virustests vorlag,
erlitt die Chinesin eine Frühgeburt und das Kind starb.
Weite Teile der Welt schauen mit Befremden auf den radikalen Viruskampf der
Volksrepublik, die nach wie vor ganze Städte wegen einer Handvoll
Infektionen abriegelt und zwei Jahre nach Ausbruch der Pandemie seine
Grenzen weiterhin geschlossen hält. Doch wie eine Bestandsaufnahme vor Ort
zeigt, ist Chinas Sonderweg weitaus komplexer, als er in der medialen
Berichterstattung oftmals porträtiert wird. Sie beruht auf einem
Gesellschaftsvertrag, der im konfuzianisch geprägten China grundsätzlich
starken Rückhalt in der Bevölkerung genießt: Die rigiden Opfer einer
Minderheit sichern das Wohlergehen des Kollektivs.
Bislang ging dieser Deal erstaunlich gut auf: Tatsächlich hat Chinas
radikale Strategie etliche Virustote verhindert. Laut offiziellen Zahlen
sind bislang weniger als 6.000 Menschen an dem Virus gestorben. Selbst wenn
die Dunkelziffer höher liegt, ist sie angesichts einer Gesamtbevölkerung
von 1,4 Milliarden noch immer verschwindend gering. Für die absolute
Mehrheit der Chinesen spielt das Infektionsrisiko seit über anderthalb
Jahren keine Rolle mehr im Alltag, und dank der weitgehenden Normalität in
den meisten Landesteilen konnte sich auch die Wirtschaft schneller erholen
als in vielen anderen Staaten.
Frust wird offen geäußert
Ein Nutzer auf der Onlineplattform Weibo vergleicht die Situation zwischen
Chinas Null-Covid-Politik und den lockeren Maßnahmen in den USA mit dem
Dilemma eines selbstfahrenden Autos, dessen Software sich bei einem Unfall
entscheiden muss: „Zwischen einem Toten oder hundert Toten sollte immer der
niedrigere Verlust gewählt werden.“
Trotz des repressiven politischen Klimas und eines omnipräsenten
Zensurapparats wird der Frust der Bevölkerung offen geäußert. „Vor was
sollen wir Angst haben? Die Lage ist besonders unverständlich, weil die
Sterberate des Virus mittlerweile sehr niedrig ist“, schreibt ein Nutzer.
Ein anderer entgegnet: „Es ist kein Coronavirus, es ist ein politisches
Virus.“
Ob die aktuellen [3][Omikron]-Infektionen in Tianjin eingedämmt werden
können oder tatsächlich einen Wendepunkt im chinesischen Kampf gegen das
Virus darstellen, werden die nächsten Wochen zeigen. „Gott sei Dank sind
die Fälle rund 30 Kilometer von meinem Zuhause entfernt“, sagt ein Bewohner
von Tianjin: „Aber trotzdem stocke ich besser meine Essensvorräte auf. Der
Lockdown selbst ist mittlerweile weitaus furchterregender als das Virus
selbst.“
9 Jan 2022
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## AUTOREN
Fabian Kretschmer
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