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# taz.de -- Studie zu Gewalt gegen Geflüchtete: Zwei Vorfälle pro Tag
> Flüchtlingsfeindliche Taten in Deutschland werden kaum mehr wahrgenommen.
> Wohl auch, weil die Behörden die Fälle mangelhaft dokumentieren.
Bild: Brandanschlag auf Flüchtlings-Containerheim in Berlin-Buch 2016
Berlin afp | Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl und die Amadeu Antonio
Stiftung haben eine mangelhafte Erfassung und Dokumentation von Gewalt
gegen Geflüchtete in Deutschland kritisiert. Bis heute komme es bundesweit
zu durchschnittlich zwei flüchtlingsfeindlichen Vorfällen täglich,
erklärten die Organisationen am Donnerstag unter Berufung auf eine
Langzeitauswertung der Stiftung mit dem Titel „Leben in Gefahr – Gewalt
gegen Geflüchtete in Deutschland“.
Allein für 2020 werden darin mehr als 1.600 Angriffe gegen Geflüchtete
registriert. Seit 2015 hat die Amadeu Antonio Stiftung in einer gemeinsamen
Chronik mit Pro Asyl mehr als 11.000 flüchtlingsfeindliche Vorfälle
registriert, davon 284 Brandanschläge und 1981 Körperverletzungen.
In offiziellen Statistiken würden diese Angriffe jedoch bagatellisiert,
kritisierten die beiden Organisationen. Zwar hätten bis 2018
[1][spektakuläre Fälle in Freital], Dresden, Tröglitz, Chemnitz und
weiteren Orten für Schlagzeilen gesorgt, seither sei die Aufmerksamkeit für
die weiterhin anhaltende flüchtlingsfeindliche Gewalt aber abgeebbt.
Die Amadeu Antonio Stiftung und Pro Asyl warfen den Behörden vor, solche
Taten nur ungenügend zu erfassen. Sie forderten [2][die Innenministerien
von Bund und Ländern] zu einer vollständigen und transparenten Zählung
sowie der zeitnahen Veröffentlichung der Fälle auf. Bisher sei dies selbst
in krassen Fällen, wo etwa Geflüchtete mit Baseballschlägern verprügelt
oder Kinder auf dem Weg in die Schule geschlagen würden, häufig nicht oder
erst mit langer Verzögerung erfasst.
## „Versagen des Rechtsstaats“
„Es kann nicht sein, dass wir zwar wissen, wie viele Handtaschen 2020
gestohlen werden, aber schwere Körperverletzungen, Anfeindungen und
Mordversuche gegen Geflüchtete in der offiziellen Statistik nicht
auftauchen“, erklärten die Organisationen. Es fehle bei der Polizei an
Sensibilität, Aufmerksamkeit und Ressourcen, diese Straftaten zu verfolgen.
„Gewalt gegen Geflüchtete bleibt ein massives Problem, das spätestens seit
2018 schlagartig aus Debatten und Schlagzeilen verschwunden ist“, erklärte
die Rassismus-Expertin Tahera Ameer von der Amadeu Antonio Stiftung. „Nur,
weil darüber niemand mehr spricht, hat sich die Situation der Betroffenen
nicht gebessert“, mahnte sie weiter. „Nach wie vor werden Unterkünfte
angezündet und Menschen werden mehrmals täglich Opfer von Gewalt.“
Die Amadeu Antonio Stiftung sprach deswegen von einem „Versagen des
Rechtsstaats“. Wer Gewalt durch massive Untererfassung unsichtbar mache,
der „macht auch die Menschen unsichtbar“. Es entstehe der Eindruck, man
wolle eine Dokumentation flüchtlingsfeindlicher Straftaten verhindern.
„Wir fühlen uns allein gelassen. Ich kenne keinen, der nicht auch ein Lied
davon singen kann, wie es sich anfühlt immer auf der Hut zu sein, ganz egal
ob beim Einkaufen oder beim Spazieren gehen“, berichtete die Mitautorin der
Dokumentation Naya Fahd, die selbst seit 2016 in Deutschland lebt. „Fast
jeder, den ich kenne, wurde schon einmal beschimpft, bedroht oder
geschlagen“, erklärte sie weiter.
Von einer damit verbundenen erheblichen psychischen Belastung für
Geflüchtete sprach der geschäftsführende Leiter des Bundesverbands
psychosozialer Zentren für Überlebende von Folter, Krieg und Flucht, Lukas
Welz.
Ein generelles Bleiberecht für Opfer rassistischer Gewalt forderte
Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. „Rassistische Gewalt muss
geahndet werden, und damit Täter*innen vor Gericht verurteilt werden,
müssen die Betroffenen in Deutschland sein, sonst können sie nicht
aussagen“, begründete er dies.
16 Dec 2021
## LINKS
[1] /Rechtsextreme-Anschlagsserie-in-Sachsen/!5755034
[2] /Neues-Innenministerium/!5810524
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