# taz.de -- Mediales Dilemma im Fall Peng Shuai: Ungewollte Gehilfen | |
> Die Lebenszeichen der chinesischen Tennisspielerin Peng Shuai sind | |
> inszeniert. Doch die westlichen Medien sind nicht nur Beobachter, sondern | |
> Mitspieler. | |
Bild: Sämtliche Lebenszeichen von Peng Shuai sind streng vom chinesischen Prop… | |
Der Fall Peng Shuai stellt für Journalisten ein Dilemma dar, das sich | |
praktisch nicht auflösen lässt. Die Tennisspielerin hatte noch Anfang | |
November auf ihrem Online-Account dem ehemaligen Vizepremier Zhang Gaoli | |
vorgeworfen, sie vergewaltigt zu haben – nur um am Sonntag ihre | |
Anschuldigungen ohne Erklärung zurückzuziehen. Es habe sich alles nur um | |
ein großes Missverständnis gehandelt, sagte die Chinesin. Aber hat sie das | |
auch wirklich gemeint? | |
Klar ist: Sämtliche Lebenszeichen der Athletin seit den | |
#MeToo-Anschuldigungen sind streng vom chinesischen Propagandaapparat | |
inszeniert. Dass die meistgesuchte Frau des Landes „zufällig“ [1][bei einer | |
Sportveranstaltung] von einer ihr nicht bekannten Reporterin „spontan“ | |
interviewt wird, ohne von Sicherheitskräften abgeriegelt zu werden, ist | |
absolut unwahrscheinlich. Für jeden ausländischen Journalisten in China ist | |
allein die Vorstellung geradezu lächerlich. | |
Und dennoch bleibt die alles entscheidende Frage: Meint Peng Shuai ihre | |
Aussagen aufrichtig, oder hat sie diese unter Zwang getätigt? Jede Antwort | |
ist zum Scheitern verurteilt: Wer davon ausgeht, dass die 35-Jährige nur | |
eine Marionette in einem politischen Plot ist, muss sich den Vorwurf | |
gefallen lassen, eine mündige Bürgerin zu patronisieren. Der Vorwurf vieler | |
Chinesen lautet oft, dass westliche Journalisten die eigenen Erwartungen | |
nur durch die subjektive Weltsicht bestätigt wissen wollen. | |
Wenn man andererseits die Aussagen Peng Shuais für bare Münze nimmt, | |
vernachlässigt dies jedoch [2][das totalitäre System Chinas], in dem Bürger | |
bereits für harmlosere Kritik gegen die Zentralregierung eingesperrt | |
werden. Würde Peng Shuai ihren Vorwurf vor laufender Kamera wiederholen, | |
würde dies zweifellos eine Bedrohung ihrer körperlichen Unversehrtheit | |
bedeuten. Genau diese Metaebene ist jedoch wichtig, um den Fall zu | |
verstehen. Die meisten Medien, die ohne Einordnung des Kontexts die Zitate | |
Peng Shuais rein vermeldet haben, haben sich ungewollt zu Gehilfen der | |
chinesischen Staatspropaganda gemacht. | |
20 Dec 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Chinesische-Sportlerin-unter-Druck/!5820847 | |
[2] /WTA-streicht-Tennisturniere-in-China/!5816014 | |
## AUTOREN | |
Fabian Kretschmer | |
## TAGS | |
Schwerpunkt #metoo | |
Peng Shuai | |
China | |
Propaganda | |
Medien | |
Olympische Winterspiele 2022 | |
Peng Shuai | |
Tennis | |
Sexualisierte Gewalt | |
Peng Shuai | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Missbrauchsvorwürfe von Tennisspielerin: Angebliches Missverständnis | |
Die chinesische Tennisspielerin Peng Shuai nimmt ihre Anschuldigungen gegen | |
einen Politiker zurück. Ob das viel zu bedeuten hat, bleibt unklar. | |
Fragwürde Interviewaussagen Peng Shuais: „Enormes Missverständnis“ | |
Die Tennisspielerin und der IOC-Chef Bach haben sich in Peking getroffen. | |
In einem Interview mit „L'Équipe“ bestritt sie erneut, jemals verschwunden | |
gewesen zu sein. | |
Chinesische Sportlerin unter Druck: Inszenierte Wahrheit | |
Tennisspielerin Peng Shuai nimmt in einem Interview die Missbrauchsvorwürfe | |
gegen einen Parteibonzen zurück. Scoop oder Propagandacoup? | |
Tennisspielerin Peng Shuai dementiert: „Private Angelegenheit“ | |
Chinas Topspielerin zieht per Interview den Vorwurf zurück, sie sei | |
vergewaltigt worden. Ihr Verschwinden zuvor hatte für Turnierabsagen | |
gesorgt. | |
IOC-Präsident spricht mit Peng Shuai: „Bei Missbrauch sind wir alarmiert“ | |
Was hat IOC-Chef Thomas Bach mit der Tennisspielerin Peng Shuai, deren | |
Sicherheitslage in China unklar ist, besprochen? Die taz klärt auf. |