| # taz.de -- Missbrauchsvorwürfe von Tennisspielerin: Angebliches Missverständ… | |
| > Die chinesische Tennisspielerin Peng Shuai nimmt ihre Anschuldigungen | |
| > gegen einen Politiker zurück. Ob das viel zu bedeuten hat, bleibt unklar. | |
| Bild: Am Montag in Peking: Peng Shuai als Zuschauerin beim olympischen Eiskunst… | |
| Peking taz | Die jüngsten Aussagen der chinesischen Tennisspielerin Peng | |
| Shuai erinnern stark an eine Szene des Slapstick-Klassikers „die nackte | |
| Kanone“. Darin beobachtet eine schaulustige Meute ein brennendes Haus, | |
| dessen Ziegeldach in Dutzenden Explosionen in die Luft fliegt. Doch | |
| Polizeiinspektor Frank Drebin, gespielt von Leslie Nielsen, stellt sich nur | |
| winkend vor den Mob und ruft mit bierernster Miene: „Bitte gehen Sie | |
| weiter, es gibt hier nichts zu sehen!“ | |
| Genau diese Botschaft versucht nun auch die chinesische Athletin zu | |
| vermitteln. In einem Interview mit der französischen Sportzeitschrift | |
| L’Equipe spricht sie erstmals seit Beginn der Causa mit einem unabhängigen | |
| Medium. Doch ihre Aussagen wirken mehr als befremdlich: Peng Shuai | |
| behauptet, dass sie niemals Missbrauchsvorwürfe erhoben habe und es sich | |
| bloß um ein „Missverständnis“ gehandelt habe. Mehr noch: Ihr zensiertes | |
| Posting habe sie höchstselbst gelöscht und verschwunden sei sie ebenfalls | |
| nicht. „Warum diese Besorgnis?“, fragt die 35-Jährige. | |
| Die Antwort dazu ist selbstredend: Denn im November hat die Sportlerin in | |
| einem Posting auf der Online-Plattform Weibo ausführlich über ihre Affäre | |
| mit Zhang Gaoli, ehemaliger Vize-Premier des Landes, berichtet. „Du hast | |
| mit mir gespielt, und als du mich nicht mehr wolltest, hast du mich | |
| weggeworfen“, schrieb Peng unter anderem. | |
| Der Online-Beitrag ließ tief blicken in eine moralisch verkommene Welt, in | |
| der ein älterer, hochrangiger Politkader eine junge Athletin manipuliert | |
| und als Mätresse hält. Strafrechtlich relevant hingegen ist nur ein | |
| einziger Satz, den einige Medien als Vergewaltigungsvorwurf übersetzt | |
| haben. Tatsächlich, so bemängeln Kritiker, seien die Nuancen in der Debatte | |
| etwas untergegangen: Ob Peng Shuais Aussagen richtig heißen müssten, sie | |
| sei zum Sex „gedrängt“ oder „gezwungen“ worden, ist selbst unter | |
| Muttersprachlern umstritten. | |
| ## Auch „L'Equipe“ zweifelt an der Aussagekraft | |
| Fakt ist: Peng Shuai [1][war wochenlang nicht kontaktierbar], selbst der | |
| Damentennisverband WTA kam nicht an die Athletin heran. Später inszenierten | |
| chinesische Staatsmedien rund um Peng Shuai eine leicht durchschaubare | |
| [2][Propagandakampagne], die von gestellten Screenshots über fingierte | |
| E-Mails bis hin zu einem inszenierten „Spontan-Interview“ reichte. | |
| Der jetzige Artikel im L'Equipe hat am Wissensstand in der Kontroverse im | |
| Grunde gar nichts geändert. Sogar das französische Magazin selbst zweifelt | |
| die Aussagekraft des Interviews an – zu Recht: Die Fragen musste der | |
| Reporter schließlich im Vorhinein einreichen, zudem wurde Peng Shuai von | |
| einem chinesischen Offiziellen begleitet. Wang Kan, Stabschef des | |
| Nationalen Olympischen Komitees Chinas, hat Pengs Antworten auch | |
| „übersetzt“. Dabei reicht ein Blick ins Archiv auf Youtube als Beweis, dass | |
| die Chinesin sehr wohl fließend Englisch spricht. | |
| Um den Fall besser zu verstehen, sollte man unbedingt wissen, dass Pekings | |
| Sicherheitsapparat über eine lange Tradition verfügt, unliebsame Personen | |
| zu Geständnissen zwingt und diese im Staatsfernsehen ausstrahlt. Einer von | |
| ihnen ist der schwedische Menschenrechtsaktivist Peter Dahlin, der nach 23 | |
| Tagen im Gefängnis ein schriftliches Schuldeingeständnis vor laufender | |
| Kamera vorlesen musste. | |
| Dahlin selbst wertet den Fall Peng Shuai als Farce, wie er zynisch auf | |
| Twitter kommentiert: „Natürlich spricht Peng Shuai vollkommen frei – so | |
| frei wie ich damals, als ich mich entschuldigt habe, die ‚Gefühle des | |
| chinesischen Volks‘ verletzt zu haben.“ | |
| ## Die Faktenlage bleibt dünn | |
| Doch streng genommen lässt die Faktenlage nicht den Rückschluss zu, dass | |
| die chinesische Tennisspielerin ihre Aussagen unter Zwang tätigt. Fakt ist | |
| nämlich auch, dass Peng Shuai als Patriotin gilt, die sich in ihren | |
| Postings auf Weibo in der Vergangenheit immer wieder stolz über die | |
| Regierung geäußert hat. Von daher wäre durchaus denkbar, dass sie nun den | |
| von ihr entfachten Imageschaden Chinas abwenden möchte. | |
| Doch all das ist reine Spekulation. Der Fall lässt sich zusammenfassen: Wir | |
| wissen es schlicht nicht. | |
| Entsprechend sollte sich auch IOC-Chef Thomas Bach, der Peng Shuai | |
| ebenfalls am Samstag getroffen hat, mit seinen Interpretationen über den | |
| Fall zurückhalten. Der deutsche Sportfunktionär hat schließlich beim | |
| kritischen Umgang mit dem chinesischen Staat in den vergangenen Jahren | |
| sämtliche Glaubwürdigkeit verloren. Und schon im letzten Jahr behauptete | |
| Bach nach einem hochkontrollierten Videogespräch mit Peng Shuai vorschnell, | |
| alles sei in Ordnung. Ob sich der 68-Jährige damals absichtlich zum Helfer | |
| des chinesischen Propagandaapparats gemacht hat? Zumindest hätte er es | |
| besser wissen müssen. | |
| 7 Feb 2022 | |
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| ## AUTOREN | |
| Fabian Kretschmer | |
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