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# taz.de -- Spielabbruch nach Rassismus-Eklat: Ein Fußballmoment
> Am Sonntag wurde in Duisburg ein Drittliga-Spiel wegen rassistischer
> Beleidigungen abgebrochen. Gut so. In Zukunft sollte das die Regel sein.
Bild: Wurde am Sonntag rassistisch beleidigt: Osnabrück-Spieler Aaron Opoku (r…
Fußball ist ein finsterer Sport. Wo sich Menschen zum Kicken treffen, da
versammeln sich auch üble Gestalten. Es wird gesoffen, geschimpft und der
Weg zur Gewalt ist dann bisweilen auch nicht weit. Rassismus ist eine der
Ingredienzen dieser ureigenen Fußballmischung. Die schönen Videospots mit
prominenten Kickern, [1][die sich gegen Rassismus aussprechen], konnten
daran nicht viel ändern.
Am Sonntag [2][ist es in Duisburg geschehen]. Aaron Opoku vom Drittligisten
VfL Osnabrück will in der Partie beim MSV Duisburg einen Eckball ausführen.
Affenlaute schallten ihm entgegen. Er kann nicht mehr. Schiedsrichter
Nicolas Winter schickt die zwei Teams in die Kabinen. Eine halbe Stunde
später steht fest: Das Spiel wird nicht mehr angepfiffen.
Es ist das erste Mal in der Geschichte des deutschen Profifußballs, dass
ein Spiel nach rassistischen Beleidigungen aus dem Publikum abgebrochen
werden muss. Es ist ein trauriger Moment. Es ist ein Fußballmoment.
Fußball ist ein geiles Ding. Mit anderen im Stadion der Leidenschaft für
einen Klub durch kindliche Anfeuerungsrufe Ausdruck zu verleihen, gehört
für viele zu einem vollendeten Wochenende. Es nennt sich Fußballkultur,
wenn man mit einem Bier in der Hand zusammen mit fußballerisch
Gleichgesinnten die Woche beschließt.
## Dreistufenpläne sind quatsch
Am Sonntag in Duisburg sind 6.500 Menschen gekommen, um ihr Team
anzufeuern. Nachdem der Stadionsprecher den Anwesenden mitgeteilt hatte,
warum der Schiedsrichter das Spiel abgebrochen hat, wird es laut im
Stadion: „Nazis raus!“, schallt es durch die Arena. Es ist ein großartiger
Moment. Es ist ein Fußballmoment.
Eigentlich hätte das, was da in Duisburg passiert ist, ganz anders ablaufen
müssen. Die Regeln sehen für den Fall derartiger rassistischer Exzesse
einen Dreistufenplan vor. Werden rassistische Beleidigungen gerufen, ist
der Schiedsrichter zunächst dazu angehalten, über den Stadionsprecher auf
die Zuschauer einzuwirken. Sollte sich deren Verhalten nicht bessern, kann
er das Spiel unterbrechen. In einem dritten Schritt, wenn die Situation
immer noch nicht bereinigt ist, kann er das Spiel abbrechen. In Duisburg
war zu sehen, wie untauglich eine solche am grünen Funktionärstisch
ersonnene Regel ist, auch wenn sie gut gemeint sein mag.
Aaron Opoku konnte einfach nicht mehr weiterspielen. Zu sehr hatten ihn die
Rufe von den Rängen berührt. Schiedsrichter Winter erkannte das schnell.
Ihm blieb nichts anderes übrig, als die Spieler in die Kabine zu schicken
und sich damit über das vorgeschriebene Protokoll hinwegzusetzen. „Ich habe
gesehen, wie schockiert und gar nicht richtig aufnahmefähig er war, als ich
ihn angesprochen habe, wie es ihm geht“, sagte der Schiedsrichter nach der
Partie.
In den Stadionkatakomben hat er dann bemerkt, dass eine Wiederaufnahme der
Partie keinen Sinn gemacht hätte. Der VfL Osnabrück wollte dann ein starkes
Zeichen der Solidarität mit Opoku setzen, dem sich die Duisburger
angeschlossen haben.
## Als erstes braucht es Erkenntnis
Geschäftsführer Michael Wellings Stellungnahme dazu ist deutlich: „Es darf
nicht sein, dass Statements gegen Rassismus nur auf T-Shirts gedruckt
werden, sie müssen auch gelebt werden. Deshalb haben wir uns entschieden,
ungeachtet aller denkbaren Konsequenzen hinsichtlich der Spielwertung, hier
ein klares Zeichen zu setzen.“
Es war dies ein Fingerzeig in Richtung DFB. Der muss nun handeln. Jedes
Spiel braucht eine Wertung, auch dieses, das beim Stand von 0:0 abgebrochen
worden ist. Drei Möglichkeiten hat die Sportgerichtsbarkeit des Deutschen
Fußball-Bundes. Sie könnte auf Sieg für Duisburg entscheiden, weil
Osnabrück den Spielabbruch initiiert hat. Sie könnte das Spiel für
Osnabrück werten, weil es die rassistischen Äußerungen von Duisburger Fans
kamen. Das Spiel könnte auch wiederholt werden.
Der DFB hat schon angekündigt, dass er genau prüfen will, was da geschehen
ist.
Voraussetzung einer Entscheidung müsste eigentlich die Erkenntnis sein,
dass der deutsche Fußball [3][immer noch ein Rassismusproblem] hat. Doch
damit ist nicht zu rechnen. Rainer Koch, Interimspräsident des DFB, nahm
den Spielabbruch prompt zum Anlass und stellte fest, dass „der gesamte
deutsche Fußball seit Langem eine klare und kompromisslose Haltung gegen
jede Form von Rassismus“ einnimmt.
## Eigentlich ganz einfach
Wenn der DFB in dieser Hinsicht wirklich so klar wäre, warum nur kommt es
immer wieder zu derartigen Vorfällen?
Zu der ganz großen Schlussfolgerung, die nach diesem Nachmittag von
Duisburg auf der Hand liegt, wird sich der DFB sowieso nicht durchdringen
können. Dabei ist klar: Der Dreistufenplan ist sinnlos.
Ein Spiel muss umgehend abgebrochen werden, wenn es zu rassistischen
Entgleisungen kommt. Alles andere ist für die Opfer schlicht nicht
zumutbar. Eigentlich ganz einfach.
Der Großteil der Fans, auch das wurde in Duisburg deutlich, stünde hinter
einer derart klaren Regel. Schließlich waren es Zuschauer, die für ein
wenig Licht gesorgt haben an diesem finsteren Tag.
20 Dec 2021
## LINKS
[1] /Anti-Rassismus-im-Fussball/!5821706
[2] /Fussballspiel-in-Duisburg-abgebrochen/!5822997
[3] /Rassismus-im-Fussball/!5781223
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Fußball
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Schwerpunkt Fußball-EM 2024
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