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# taz.de -- Die neue Regierung ist da: Mit Fingerzeig und E-Bike
> Özdemir weiß, wie gute PR funktioniert. Scholz probiert es mit dem
> amerikanischen Fingerzeig – und Lauterbach muss jetzt abliefern.
Bild: Byebye, Jens Spahn und Hallo, Karl Lauterbach
taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Putin eskaliert die Lage.
Und was wird besser in dieser?
Dann muss Baerbock das nicht machen.
Olaf Scholz ist Bundeskanzler. Welche Geste könnte die Raute ablösen?
Scholz experimentiert mit dem amerikanischen Fingerzeig. Diese Geste, als
habe man Freunde im Publikum, oder überhaupt Freunde, oder jedenfalls doch
einen schönen Zeigefinger. Die Merkelraute entstand der Legende nach, weil
händeringend nach ihr gesucht wurde. Zudem straffe die Geste ihre
Oberkörperhaltung, erzählte sie. Da war sie schon vier Jahre Kanzlerin.
Daumen hoch für „abwarten“.
Karl Lauterbach ist Gesundheitsminister. Muss das Corona-Virus mehr Angst
vor ihm haben oder eher davor, dass nun der Wahlkampfmodus beendet ist?
Das Gras ist immer grüner auf der anderen Seite. Und lang genug war
Lauterbach das grünere Gras als Spahn. Nun tickt die Uhr, wer als Erster
ruft, druckt oder twittert, der neue Kaiser habe ja gar keine Kleider an.
Der Minister muss nun durchsetzen, was der Abgeordnete gefordert hat. Dabei
kann ihm seine Popularität eine Zeit lang helfen, die ersten zwei, drei
Rücktrittsdrohungen lang.
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir fährt die 1,5 Kilometer zwischen
Bundestag und Bellevue [1][mit dem E-Bike]. Mehr als eine clevere PR-Show?
Eine Suche „Özdemir + Fahrrad“ ergibt eine Jahrzehnte überspannende Galer…
von Fahrrädern, die mit Özdemir aufs Foto wollten. Experten und der
Hersteller selbst meinen diesmal, das „Cube Cross Hybrid Modelljahr 2019“
erkannt zu haben. Womit der Minister ein deutsches, weil oberpfälzisches
Produkt unterstützt. Der Motor kommt schwabenkorrekt vom Stuttgarter Bosch.
Und während man dies Nerdzeug zusammengoogelt, befällt einen die Ahnung,
dass irgendein armer Mensch im Ministerium dies nun immer tun muss. Geiles
Pressefoto ausdenken, Angriffsflächen wegrecherchieren, Inszenierung
organisieren. Kann man schal finden, ist aber professionell.
Die AfD will laut Medienbericht einen Abgeordneten in den
Verteidigungsausschuss des Bundestags schicken, den [2][der Militärische
Abschirmdienst als Extremisten einstuft]. Hat sie mit dem Vorsitz im Innen-
und im Gesundheitsausschuss den Hals noch nicht voll?
Der Bundestag versteht sich als „Allfraktionenparlament“. Zu
Kneipendeutsch: „Ist der Gast auch noch so schlecht – es ist sein Recht.“
Seit dem kaiserlichen Reichstag bildet man bei den Ausschüssen die
Mandatsverteilung proportional ab. Gegenbeispiel USA: „The winner takes it
all“, die Mehrheitsfraktion sichert sich Vorsitze und Pöstchen. Rechtlich
müsste null AfDler einen Ausschuss leiten, nach der Geschäftsordnung ist
das eine Wahlentscheidung. Politisch allerdings befriedete sich das Haus
bisher durch die proportionale Vergabe. Das knirscht und eiert seit der
Abwahl des AfDlers Brandtner als Rechtsausschussvorsitzender und der
Ablehnung aller rechtsextremen VizepräsidentInnen. Rechtlich möglich, doch
politisch neu. Das Parlament sollte sich von einer tendenziell
antiparlamentarischen Partei nicht verzerren lassen und weiter proportional
abbilden. Mit Ausnahme dieser antiparlamentarischen Partei. Leider hilft
das gar nichts gegen einzelne Ausschussmitglieder, die von den Fraktionen
benannt werden.
Assange könnte nun doch [3][in die USA ausgeliefert] werden. Ist das
gerecht oder einfach nur bürgerlicher Rechtsstaat?
Ein Land hält ihn seit über zwei Jahren in Isolationshaft, das andere
bietet großzügig an, auf „Spezialbehandlung“, also Folter zu verzichten.
Und nun noch mal tief Luft holen und versuchen, im selben Satz das Wort
„Rechtsstaat“ unterzubringen. Assange hat seit elf Jahren kein faires
Verfahren bekommen. In Deutschland regieren mit der Ampel drei Parteien,
die sich schon früher für besseren Whistleblower-Schutz einsetzten. Es sind
ja auch elf Jahre, in denen ein europäisches Asyl für Assange nicht gelang.
„Lockdown-Macher“ titelte die Bild kürzlich. Wissenschaftler:innen
wehren sich gegen diese Berichterstattung, nennen sie „einseitig“ und
„diffamierend“. Bild erklärte, man nehme die Kritik ernst. Glauben Sie das…
Ich glaube, dass die Zeitung nicht so wichtig ist. Das ärgert die mehr.
Und was machen die Borussen?
Was selbstmitleidiges Lamento angeht, verliere ich lieber gegen korrupte
Schiris als Unentschieden gegen Bochum. Das wird ja immer schlimmer.
Fragen: Nele Sophie Karsten
12 Dec 2021
## LINKS
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## AUTOREN
Friedrich Küppersbusch
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Olaf Scholz
Karl Lauterbach
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