# taz.de -- Marmorkrebs besiedelt Berlin: Gefräßige Klonkriegerin | |
> Fressen statt gefressen werden: Der Marmorkrebs breitet sich in Berliner | |
> Gewässern aus – und ist ein Problem. | |
Bild: Procambarus virginalis verdrängt heimisches Getier | |
Die Steinlaus, nein, die gibt es nicht, auch wenn das von Loriot erfundene | |
Tier im medizinischen Wörterbuch Pschyrembel steht. Den Betonkrebs gibt es, | |
wobei die korrekte Bezeichnung des Zersetzungsprozesses an Brücken oder | |
Autobahnen „Alkali-Kieselsäure-Reaktion“ lautet. Und den Marmorkrebs? Auch | |
der ist real, seit Neuestem breitet er sich in Berlin aus – und er ist ein | |
Problem. | |
Exotische Krebse vermehren sich schon seit Jahren in Gewässern der | |
Hauptstadt, etwa in den Seen des Tier- und des Britzer Gartens. Weil sie da | |
nicht hingehören und das Ökosystem beeinträchtigen, werden sie seit einigen | |
Jahren massenhaft gefangen. Beim Roten Amerikanischen Sumpfkrebs | |
funktioniert das gut, die Population ist laut dem Wildtierexperten des | |
Senats, Derk Ehlert, deutlich rückläufig. | |
Auftritt: [1][Marmorkrebs]. Tausende Exemplare dieser Art hat ein von der | |
Senatsumweltverwaltung beauftragter Fischer 2021 aus dem Groß Glienicker | |
See gezogen. Für den Fischer ist das wirtschaftlich schwierig, denn während | |
der Sumpfkrebs sich für einen guten Preis – 20 Euro/kg – an die Gastronomie | |
verkaufen lässt, wollen Restaurants oder Händler gerade mal ein Viertel | |
dieses Betrags für das kleinere Krustentier mit dem marmorierten | |
Rückenschild zahlen. | |
Für Berlins Naturschutzbehörden kann das noch zu einer Herausforderung | |
werden. Denn Procambarus virginalis ist eine besonders erfolgreiche | |
invasive Art, die heimische Krebse, Fische und anderes Getier verdrängt: | |
Sie frisst ihnen ihre Lebensgrundlage weg. Andernorts ufert das schon | |
regelrecht aus – auf Madagaskar, hört man, wird das Tier von | |
WissenschaftlerInnen bereits als „nationale Gefahr“ eingestuft. Verbreitung | |
soll er unter anderem durch AquaristInnen gefunden haben, die die lebenden | |
Tiere im Klo entsorgten. | |
## Vermehrung durch Jungfernzeugung | |
Kurios ist, dass der Marmorkrebs – vor drei Jahrzehnten erstmals in einem | |
deutschen Aquarium als Form der nordamerikanischen Flusskrebs-Art | |
Procambarus fallax „entdeckt“ – sich als einziger bekannter Flusskrebs | |
durch die sogenannte Jungfernzeugung (Parthenogenese) vermehrt, sprich: | |
selbst klont. Es gibt keine Männchen, die Weibchen legen selbstbefruchtete, | |
genetisch identische Eier, und das in rauen Mengen. | |
Und noch kurioser: Aus wissenschaftlicher Sicht vermehrt sich dieser Krebs | |
tatsächlich wie, nun ja, Krebs, denn auch die Krankheit ist Zellen | |
geschuldet, die sich unkontrolliert selbst klonen und vermehren. Weshalb | |
sich das Deutsche Krebsforschungszentrum von der Beobachtung des | |
Wasserbewohners [2][Erklärungen für Vorgänge in Tumoren erhofft]. Also doch | |
noch ein Pluspunkt auf dem Konto dieses nur so halb sympathischen Tiers. | |
27 Dec 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Marmorkrebs | |
[2] https://www.dkfz.de/de/presse/pressemitteilungen/2018/dkfz-pm-18-07-Der-Klo… | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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