| # taz.de -- Debatte über den Netzausbau: Amazon und Netflix sollen zahlen | |
| > Telekom-Konzerne in Europa fordern, dass Netflix und Co künftig für den | |
| > Netzausbau mitbezahlen. Beobachter sehen dabei Risiken. | |
| Bild: Hier war vergangenes Jahr der Wintereinbruch Schuld am langsamen Ausbau: … | |
| Berlin taz | Wer bezahlt für das Internet? Diese Frage ist durch eine | |
| gemeinsame Erklärung von Netzanbietern in ganz Europa, unter anderem der | |
| Telekom, Swisscom und der skandinavischen Telenor Group, wieder in den | |
| Fokus gerückt. Denn bislang gilt: Für die Infrastruktur – also Netzausbau | |
| und -erhalt – zahlen die Kunden mit ihren Internettarifen. Dazu gibt es | |
| staatliche Förderungen, in Deutschland sowohl auf Bundes- als auch auf | |
| Landesebene. Doch die Netzanbieter fordern nun, einen neuen Akteur zur | |
| Kasse zu bitten: Inhalteanbieter, wie Netflix, Amazon mit seinem | |
| Videoangebot Prime oder Google mit Youtube. | |
| In der Erklärung sind zwar keine Namen genannt, doch die Forderung ist | |
| eindeutig: „Ein großer und zunehmender Teil des Netzverkehrs wird von | |
| großen Technologieplattformen generiert und monetarisiert“, heißt es in der | |
| Erklärung, die 13 Unternehmenschef:innen unterschrieben haben. Das | |
| erfordere [1][hohe Investitionen in die Netzinfrastruktur]. Und das gehe | |
| nur, „wenn diese großen Technologieplattformen auch einen angemessenen | |
| Beitrag zu den Netzkosten leisten“. | |
| Das sei vor allem deshalb nötig, weil zwar einerseits die Datenmengen | |
| steigen, derweil aber laut Deutscher Telekom die Einnahmen für die | |
| Netzanbieter schrumpfen. So seien die Umsätze für | |
| Telekommunikationsunternehmen von 265 Milliarden Euro im Jahr 2013 auf 242 | |
| Milliarden Euro im Jahr 2021 gesunken. „In den USA gibt es längst | |
| Überlegungen, wie man die „Big Techs“, und um die geht es, an den | |
| milliardenschweren Investitionen beteiligen kann“, so Telekom-Sprecher | |
| Andreas Middel. Diese Debatte gelte es auch in Europa zu führen. | |
| Die Idee, Inhalteanbieter an den Kosten für den Netzausbau zu beteiligen, | |
| ist nicht neu. Das Argument: Die – europäischen – Netzanbieter investieren, | |
| die – US-amerikanischen – Inhalteanbieter ernten die Gewinne. Das Argument | |
| gegen die Beteiligung von Diensteanbietern dagegen: Sie würde das Verletzen | |
| der Netzneutralität attraktiv machen. | |
| ## Netzneutralität in Gefahr? | |
| Netzneutralität bedeutet, dass Netzprovider wie die Telekom alle Daten, die | |
| sie transportieren, gleichbehandeln – und nicht die Daten einiger Dienste | |
| bevorzugen und die Daten anderer benachteiligen. Gäbe es aber ein direktes | |
| Vertragsverhältnis zwischen Netzprovidern und Inhalteanbietern wie Netflix | |
| oder Amazon, wäre eine solche Ungleichbehandlung attraktiv. So könnten etwa | |
| die Netzprovider Daten von Anbietern, die ihnen höhere Summen zahlen, auch | |
| bevorzugt transportieren wollen. Damit würden große, zahlungskräftige | |
| Inhalteanbieter bevorzugt und das in einem Markt, [2][der ohnehin schon | |
| mehr als wünschenswert konzentriert ist]. | |
| „Die Contentprovider und die Netzbetreiber stehen in einem gegenseitigen | |
| Abhängigkeitsverhältnis“, erklärt Torsten Gerpott, Professor mit | |
| Schwerpunkt Telekommunikationswirtschaft an der Mercator School of | |
| Management, das Spannungsfeld: Es sei nicht nur so, dass Netflix oder | |
| Youtube davon abhängig seien, dass die Telekom und andere Provider | |
| leistungsfähige Netze bauen. Umgekehrt seien auch die Telekom und Co von | |
| den Inhalteanbietern abhängig. Denn ohne die würden Nutzer:innen keine | |
| schnellen – und teuren – Internettarife buchen. | |
| Gerpott verweist darauf, dass Videostreaming tatsächlich einen | |
| nennenswerten Anteil am Internet-Traffic hat. Einer Analyse des | |
| IT-Unternehmens Cisco zufolge werden Videos in diesem Jahr 80 Prozent des | |
| gesamten Internet-Traffics ausmachen. Im Jahr 2016 seien es noch 67 Prozent | |
| gewesen. Damit würden monatlich 3 Billionen Minuten an Videoinhalten das | |
| Netz durchqueren – das entspreche 5 Millionen Jahren. Allerdings: „Es | |
| besteht keine Garantie, dass die Netzqualität besser wird, wenn die | |
| Contentprovider zahlen müssen.“ Denn ob die Unternehmen entsprechende | |
| Einnahmen tatsächlich für einen Netzausbau hierzulande verwendeten, sei | |
| nicht ausgemacht. | |
| Ideen, etwa einen nach Zahl der Nutzer:innen gestaffelten Topf | |
| einzurichten, in den die Inhalteanbieter einzahlen und der dann für den | |
| Ausbau des Netzes verwendet wird, hält Gerpott nicht für sinnvoll: „Die | |
| Nutzerzahl ist als Schlüssel für Kostenumlagen ungeeignet, der Traffic | |
| zählt.“ Dafür benötige es aber keine detaillierte Analyse des Traffics, die | |
| aus Privatsphäregründen problematisch wäre. Es reiche aus, zwischen Video- | |
| und Nichtvideoinhalten zu differenzieren. | |
| Tom Jennissen vom Verein Digitale Gesellschaft spricht sich ohnehin für ein | |
| anderes Modell aus: „Wir müssen dahin kommen, dass die IT-Konzerne, die die | |
| Inhalte bereitstellen, mal ernsthaft Steuern zahlen.“ Dann sei mehr Geld | |
| da, um in die Infrastruktur zu investieren – und zwar von staatlicher | |
| Seite. „Denn es geht hier um eine öffentliche Infrastruktur, die immer | |
| wichtiger wird.“ Und die man deshalb nicht einem rein | |
| wettbewerbsgetriebenen Markt überlassen solle. | |
| 7 Dec 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Svenja Bergt | |
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