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# taz.de -- Tumult bei britischen Konservativen: Kritik an Johnsons Regierung
> Die Tories wollten einen unter Korruptionsverdacht stehenden Abgeordneten
> schützen. Nun rudert Premier Johnson zurück.
Bild: Premierminister Boris Johnson im Parlament, 3. November 2021
London taz | Die „grausame Welt der Politik“ beklagend ist am
Donnerstagnachmittag der konservative britische Unterhausabgeordnete Owen
Paterson nach turbulenten Ereignissen im Westminsterparlament
zurückgetreten. Eine 30-tägige Suspendierung Patersons hatte der Ausschuss
für die Einhaltung parlamentarischer Standards empfohlen, nachdem er es für
erwiesen ansah, dass der Abgeordnete jahrelang für zwei Unternehmen
Lobbyarbeit betrieben und dafür über 100.000 Pfund (118.000 Euro) jährlich
eingesteckt hatte. Owen hatte sich nach dem Verfahren darüber beschwert,
dass der Ausschuss keine Möglichkeit einer Berufung geben würde.
Kurz vor der Abstimmung, die Owens Suspendierung beschließen sollte,
brachten die Konservativen einen Antrag im Unterhaus ein, der den seit
Jahrzehnten bestehenden Ausschuss plötzlich abschaffen und durch eine von
konservativen Abgeordneten dominierte Prüfstelle ersetzen sollte. Trotz
eines verordneten Fraktionszwangs verweigerten am Mittwoch 98 Tories die
Zustimmung, 13 stimmten trotz der Parteipeitsche sogar dagegen. Trotzdem
ging der Antrag mit 250 gegen 232 Stimmen durch. Patersons Suspendierung
war dadurch vorläufig zurückgestellt.
Während viele Kommentatoren auch aus den Reihen der Tories in dem Vorgehen
entsetzt einen Triumph korrupter Praktiken sahen, jubelte Paterson
öffentlich und zeigte sich uneinsichtig.
Die massive Kritik von Seiten der konservativen Parlamentarier und
Patersons bewogen dann allerdings augenscheinlich Premierminister Boris
Johnson, am Donnerstagvormittag einen Rückzug einzuleiten. Es sei wichtig,
die notwendige Reform des Ausschusses vom konkreten Fall zu trennen,
erklärte der konservative Unterhauschef Jacob Rees-Mogg. Deshalb sei es nun
der Wunsch der Regierung, die Abstimmung zurückzuziehen und stattdessen die
Frage einer Reform des Ausschusses gemeinsam mit den Oppositionskräften zu
lösen. Nur Stunden später trat Paterson zurück.
## Birmingham, seit 200 Jahren konservativ geführt
Das löst nun eine Nachwahl im Wahlkreis North Shropshire aus, westlich der
mittelenglischen Stadt Birmingham. Der Sitz ist seit knapp 200 Jahren
konservativ geführt und kam nur 1997, als die von Tony Blair geführte
New-Labour-Partei zum ersten Mal zur Wahl stand, ein kleines bisschen in
Gefahr. Labour, Liberaldemokrat:innen und die Grünen befinden sich
derzeit in Gesprächen darüber, eine:n gemeinsame:n
Antikorruptionskandidat:in als Alternative zu den Tories
aufzustellen.
Die Kritik an Johnsons Regierung war am Freitag unerbittlich und kam nicht
nur von Oppositionskräften oder linksstehenden Medien. Mark Harper, ein
gewichtiger konservativer Hinterbänkler, bezeichnete die letzten Tage als
„die unerfreulichste Episode in meiner 16-jährigen parlamentarischen
Laufbahn.“
Fraser Nelson, der Chefredakteur des erzkonservativen Magazins The
Spectator, bezeichnete die Abstimmung als von vorneherein verrückten Plan
und als Zeichen, dass absolute Macht zu korrupten Entscheidungen führe. In
einem Kommentar im konservativen Daily Telegraph schrieb er:
„Gedankenlosigkeit, Arroganz, Selbstgefälligkeit, und taub gegenüber der
öffentlichen Meinung – in den letzen paar Tagen haben die [1][Tories] die
Wesenszüge einer ausgelaugten Regierung in ihren letzten Zügen an den Tag
gelegt.“
5 Nov 2021
## LINKS
[1] /Konservative-in-Grossbritannien/!5801728
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
## TAGS
Schwerpunkt Korruption
Großbritannien
Tories
Konservative
Lobbyismus
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