# taz.de -- Erhöhung des Mindestlohns: Hilfe für Millionen | |
> Der Mindestlohn soll auf 12 Euro erhöht werden. Davon profitieren vor | |
> allem Beschäftigte bei Postunternehmen und in der Gastronomie. | |
Bild: Paketzusteller könnten von 12 Euro Mindestlohn besonders profitieren | |
Jeder fünfte Arbeitnehmer musste sich vor der Coronakrise mit einem | |
niedrigen Lohn begnügen. 2,5 Millionen Beschäftigte verdienten nach Angaben | |
des Statistischen Bundesamt 2018 gerade einmal etwa den Mindestlohn und | |
bekamen pro Stunde zwischen 8,75 Euro und 9,24 Euro. Weitere 8 Millionen | |
Arbeitnehmer verdienten weniger als 11,50 Euro. Das ist der Schwellenwert | |
für Niedriglöhne. Damit soll bald Schluss ein. In ihren | |
Sondierungsgesprächen hat [1][die angehende Ampelkoalition] eine Anhebung | |
der Lohnuntergrenze auf 12 Euro beschlossen. Bei 160 Stunden Arbeit im | |
Monat kämen betroffene Beschäftigte auf 1.920 Euro brutto. | |
Wie viele Menschen derzeit mit geringen Löhnen klarkommen müssen, ist durch | |
die Folgen der Pandemie kaum abzuschätzen. Denn typische Jobs in diesem | |
Segment sind vielfach fortgefallen. Dazu gehören die Minijobs und Stellen | |
in der Gastronomie. Die Unternehmen klagen hier heftig, weil sich viele | |
Beschäftigte während der zwangsweisen Schließung, etwa von Hotels und | |
Restaurants, andere Jobs gesucht haben und nicht wieder zurückkehren. Doch | |
hier würden Lohnabhängige wohl am stärksten von [2][einem höheren | |
Mindestlohn] profitieren. | |
Zu den Gewinnern gehören auch die Briefzusteller in den | |
Konkurrenzunternehmen der Deutschen Post. Allerdings befürchtet der | |
Arbeitgeberverband der Branche, dass die Anbieter bei höheren Löhnen nicht | |
mehr mit dem Branchenprimus mithalten können. Derlei Klagen gehörten schon | |
bei der Einführung des Mindestlohns 2015 zu den erwartbaren Warnungen der | |
Arbeitgeber. Dabei haben sich die Befürchtungen bei weitem nicht in dem von | |
der Wirtschaft prognostizierten Ausmaß bestätigt. Allerdings gilt das auch | |
für die ebenfalls hohen Erwartungen der Gewerkschaften, wie Studien zeigen. | |
## Kritik an Ausweitung der Minijobs | |
Demnach sind zwar die geringen Löhne seit der Einführung des gesetzlichen | |
Mindestlohns stärker gestiegen als der Verdienst der anderen Arbeitnehmer. | |
Doch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat auch | |
festgestellt, dass sich zwar die Einkommen pro Stunde verbessert haben, | |
zugleich aber vielfach die Arbeitszeit verringert wurde. Es gab also oft | |
mehr Freizeit für das gleiche Geld, obwohl die Beschäftigten gerne länger | |
gearbeitet hätten. | |
„Kleine Unternehmen haben oft nicht die Möglichkeit, ihre Kostenstrukturen | |
einem höheren Mindestlohn anzupassen“, sagt DIW-Forscherin Alexandra | |
Fedorets. In den ersten Jahren habe es daher eine Verschiebung der | |
Beschäftigung von kleinen in große Betriebe gegeben, die sich eine bessere | |
Bezahlung leisten können. Welche Beschäftigungswirkung eine neuerliche | |
Anhebung der Untergrenze von momentan 9,82 Euro auf 12 Euro haben wird, | |
vermag sie nicht vorherzusagen. Denn im Gegensatz zu den vergangenen Jahren | |
mit einem konjunkturellen Boom habe sich die wirtschaftliche Entwicklung | |
nun verlangsamt. | |
Die Forscherin sieht Mängel bei der Umsetzung des Mindestlohns. Es gebe | |
beispielsweise zu wenige Kontrollen. Gerade einmal etwas mehr als 1.700 | |
Verstöße gegen die Regelung hat der Zoll im ersten Halbjahr festgestellt. | |
Kritisch sieht Fedorets auch das Vorhaben der Ampel, die Grenzen für Mini- | |
und Midijobs zu verschieben. Denn dies würde einem wichtigen Ziel der | |
Arbeitsmarktpolitik widersprechen. „Die Ausweitung der Mini- und Midijobs | |
würde die erhoffte Ausweitung sozialversicherungspflichtiger | |
Vollzeitstellen konterkarieren“, befürchtet sie. | |
9 Nov 2021 | |
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[1] /Verhandlungen-ueber-Ampel-Koalition/!5807491 | |
[2] /Forderung-nach-Mindestlohn/!5808583 | |
## AUTOREN | |
Wolfgang Mulke | |
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