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# taz.de -- CO2-arme Technologie: Patente Lösung
> Die herrschende Patentlogik setzt klimaschädliche Anreize. Mit einem
> neuen globalen Fonds könnten alle Staaten in CO2-arme Technologie
> investieren.
Bild: Kohlekraftwerk im indischen Gujarat
Egal welchen Farbanstrich die neue Koalition erhalten wird, Klimapolitik
wird eines ihrer Hauptanliegen sein. Und selbst wenn der eine
Koalitionspartner dabei mehr auf Technologien setzen wird als der andere,
werden die [1][Klimaziele] nicht ohne die nötigen Innovationen eingehalten
werden können. In Deutschland nicht. Auf der Welt nicht.
Während Deutschland sich wie der Rest der Europäischen Union erhofft, dass
Unternehmen durch Verteilung eines schrumpfenden Kontingents an
CO2-Zertifikaten „einen Anreiz erhalten, in klimafreundliche Techniken zu
investieren“, wird ein gewaltiges Problem übersehen: die Patentlogik.
Insbesondere global ist dies problematisch. Und was hinsichtlich der
Klimapolitik ein globales Problem ist, ist letztlich auch ein deutsches.
Nehmen wir zum Beispiel [2][indische Kohlekraftwerke]. Als bereits
sogenannte superkritische Technologien auf dem Markt waren, benutzte Indien
noch immer die ineffizienteren subkritischen. Als dann der Standard auf die
noch saubereren ultra-superkritischen Technologien angehoben wurde, hinkte
Indien mit den superkritischen hinterher. Dies bedeutete nicht nur eine
weniger effektive Produktion, sondern bis zu 30 Prozent mehr CO2-Ausstoß.
Der Grund dafür war, dass die weiterentwickelteren Grenztechnologien mit
Tausenden Patenten geschützt waren. Im Jahr 2009 zahlte etwa der
chinesische Kohlekraftwerksbauer Harbin Electric 1,5 Millionen Dollar an
Lizenzgebühren für jeden Kessel, der mit der patentierten Technologie von
Mitsui Babcock hergestellt wurde.
Statt diese Ausgaben mit der dadurch ermöglichten effektiveren Produktion
gegenzurechnen, entscheiden sich viele Anlagenbetreiber wie in Indien für
ältere Technologien. Dies führte zu zusätzlichen 1,5 Millionen Tonnen
CO2-Emissionen pro Jahr und Anlage – in etwa so viel, wie eine Million
Pendler in NRW mit täglich 40 Kilometer Durchschnittsstrecke pro Jahr
erzeugen.
Die Problematik liegt also darin, dass die 20-Jahre-Patente zwar Anreize zu
Forschung geben, die Verbreitung der darauf basierenden Technologien aber
durch gewaltige Aufpreise behindern. Deshalb kommen die besten grünen
Technologien besonders dort nicht zum Einsatz, wo die meisten
Wachstumsemissionen in den nächsten Jahren erzeugt werden: in
Entwicklungsländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen. Die größten
Anstrengungen zur Emissionsreduzierung werden dagegen in Ländern mit hohem
Einkommen unternommen. Länder, in denen die Steuern und Marktpreise für
Emissionen am höchsten sind. Wie lässt sich dieser Widerspruch auflösen?
Alle Patentrechte abzuschaffen, könnte insofern nachteilig sein, als damit
auch die Forschungsanreize verschwänden. Vielmehr gilt es, die Anreize so
zu setzen, dass neue grüne Technologien auch die ärmsten Gesellschaften
erreichen und damit insgesamt zu mehr CO2-Einsparung, vielleicht sogar
-Umwandlung führen. Ein Weg, dies zu erreichen, sind sogenannte Impact
Funds, die beispielsweise auch im medizinischen Bereich vorgeschlagen
werden.
Firmen, die ihre Technologien in einem entsprechenden [3][Green Impact Fund
for Technology (GIFT)] anmelden, würden sich verpflichten, kostenlose
Lizenzen für Herstellung, Verkauf und Nutzung anzubieten. Oder die
Technologie zu (vielleicht auch unter) den variablen Kosten zu verkaufen.
Im Gegenzug würde man die Firmen an den jährlichen, für sechs Jahre
geplanten Ausschüttungen des Funds beteiligen. Jede Jahresausschüttung
würde unter den gemeldeten Erfindungen proportional zur mit ihnen jeweils
im Vorjahr erzielten Emissionsminderung aufgeteilt.
Da Anreize hier auf Leistung beruhen, würden sich die Hersteller darauf
konzentrieren, dass ihre Erfindungen tatsächlich umsetzbar sind und die
höchstmögliche Wirkung erzielen. Zusätzlich würde man sich nicht nur um die
Verbreitung der Technologien bemühen, sondern durch Schulungen dafür
sorgen, dass die Erfindungen optimal genutzt werden. Mehr noch: Solange die
Steigerung des Wirkungsgewinns die Kosten übersteigt, würde man diese
Technologien notfalls sogar kostenlos installieren und/oder
subventionieren.
Allerdings müsste man wohl zwischen zwei Modellen unterscheiden. Ein
finanziell unaufwendigeres Modell, das lediglich Entwicklungs- und
Schwellenländer in die GIFT-Zone miteinbezieht. Und ein anderes, das auch
die Länder des Globalen Nordens einschließt, die die jährlichen
Ausschüttungen des GIFT finanzieren.
Die Herausforderung bei Modell 2 besteht darin, dass es weitaus teurer wäre
– aber auch sinnvoller, da es äußerst wichtig ist, auch in den reicheren
Ländern das Kostenverhältnis zwischen grünen und grauen Technologien zu
verbessern.
Da wäre allerdings noch die Frage der Finanzierung: Die geschätzte
jährliche Fördersumme bemisst sich auf mindestens 2 Milliarden Euro. Eine
Quelle wäre der Grüne Klimafonds der Vereinten Nationen, dem ein
dreistelliger Milliardenbetrag (US-Dollar) für die Klimafinanzierung zur
Verfügung stehen soll. Für die Jahre 2020 bis 2023 beteiligt sich
Deutschland mit insgesamt 1,5 Milliarden Euro. Auch die Einnahmen der
CO2-Steuern könnten für eine Finanzierung herangezogen werden. Dabei würden
die beitragenden wohlhabenden Länder proportional zu ihren
Nationaleinkommen belastet.
Es gilt also in Bezug auf den GIFT und andere Impact Funds noch einiges zu
durchdenken. Das sollte aber nicht davon abschrecken, neue Wege zu suchen.
Denn die momentane Patentlogik erschwert es uns zusätzlich, das
Übereinkommen von Paris einzuhalten. Ein Impact Fund könnte das ändern.
Nicht nur im Globalen Süden, sondern auch in Deutschland und anderen
wohlhabenden Staaten.
2 Nov 2021
## LINKS
[1] /Artikel-mit-Co2/!s=Co2
[2] /Energiekrise-in-Indien/!5809897
[3] /Corona-und-die-Pharmaindustrie/!5684767
## AUTOREN
Krisha Kops
## TAGS
Patente
CO2-Emissionen
Weltklima
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