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# taz.de -- Bedrohte Moorlandschaften: Das Prinzip Freiwilligkeit
> Die niedersächsische Regierung will keinen Zwang ausüben. So wird das
> nichts mit dem Moorschutz.
Bild: Vorbildlich, aber viel zu selten: Geschütztes Moor in Niedersachsen
O schaurig ist’s übers Moor zu gehn – beginnt Annette von Droste-Hülshoff
ihre Ballade „Der Knabe im Moor“. Heute, fast 200 Jahre später, läuft es
Wissenschaftler*innen und Naturschützer*innen kalt den Rücken
runter, wenn sie den Zustand der Moore in Deutschland betrachten. Rund 92
Prozent der Moorflächen sind trockengelegt, Torfboden verschwindet,
Nährstoffe und klimaschädliche Gase wie Kohlendioxid und Methan werden
freigesetzt.
Schaurig ist auch die Bilanz der Niedersächsischen Landesregierung in
Sachen Moorschutz. Dabei könnte sie eine Vorbildrolle übernehmen. Denn mit
über [1][38 Prozent der bundesweiten Flächen] ist Niedersachsen das
moorreichste Bundesland. Aber das „Land mit Weitblick“, wie es sich in den
1990ern nannte, stellte sich quer und weigerte sich zunächst sogar, die
gemeinsame Bund-Länder-Zielvereinbarung von Bundesumwelt- und
Bundeslandwirtschaftsministerium zum Moorschutz zu unterschreiben. Es habe
Prüfvorbehalte gegeben, heißt es aus der Landeshauptstadt Hannover.
Inzwischen ist das besagte Papier unterschrieben, der Deutsche
Naturschutzring bezeichnet es allerdings als „ambitionslos“.
Denn die Vereinbarung setzt auf Freiwilligkeit. „Dieses System hat, wie wir
alle wissen, seine Grenzen“, kritisiert Axel Ebeler, stellvertretender
Vorsitzender des BUND Niedersachsen. An dem System Freiwilligkeit sei auch
der Moorschutz der Landesregierung bisher gescheitert. Zwar gebe es immer
wieder tolle Pilotprojekte, die mit viel Geld finanziert würden, aber „es
fehlt ein Konzept zur Umsetzung“.
Mit politischem Willen und den richtigen Mitteln sei das Potenzial enorm.
Aber: „Die Landesregierung begreift nicht, was für einen wertvollen Schatz
wir mit den Mooren haben, wenn es um die Erreichung des Klimaschutzziels
geht“, sagt Ebeler, intakte Moore speichern nachweislich mehr Kohlendioxid
als jedes andere Ökosystem.
## Kaum noch intakte Moore
Doch intakte Moore gibt es in Niedersachsen kaum noch. Über 80 Prozent der
Moorflächen werden landwirtschaftlich genutzt, die restlichen sind
gebeutelt von Trockenheit oder Nährstoffbelastungen. Per Definition des
Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie gilt als Moor alles, was eine
Torfschicht von über 30 Zentimetern aufweist. „Aber mit dem Lebensraum Moor
hat das nichts zu tun“, sagt Peter Germer, Leiter des Regionalprojekts
Diepholzer Moorniederung. „Wenn man Moor wieder vernässen will, muss die
Fläche pickepackenass sein, und dann ist kein Ackerbau, keine Weidehaltung
mehr möglich.“
Deshalb hat der Moorschutz bisher hauptsächlich auf dem Papier
stattgefunden. Fragt man bei der jetzigen Landesregierung nach Ergebnissen,
verweist sie auf das Papier [2][„Niedersächsische Moorlandschaften“] aus
dem Jahre 2016, herausgegeben vom damaligen Grünen-Umweltminister. Darin
ist viel die Rede von „Empfehlungen“ und „Modellversuchen“, das Kapitel
„Ausblick“ liest sich wie eine Kapitulation: In einem noch nicht näher
quantifizierbaren Teil der Landesfläche sei eine Torferhaltung durch
Wiedervernässung nicht mehr möglich. Und so werden durch
landwirtschaftliche Nutzung und Torfabbau jährlich über 10 Millionen Tonnen
CO2 in die Atmosphäre geschleudert.
Mit den richtigen Mitteln sei durchaus viel mehr möglich, sagt Axel Ebeler
vom BUND. Um beispielsweise Moorflächen zu Vernässen, braucht es aber die
Genehmigung der Landbesitzer*innen. Stellt die sich quer, scheitern
Projekte wie beispielsweise in der Hannoverschen Moorgeest. Wieso, fragt
Ebeler, sollten Grundstücksenteignungen bei Infrastrukturprojekten wie
Autobahnbau erlaubt sein, nicht aber bei der Wiederherstellung von
Moorlandschaften? „Natürlich immer vor dem Hintergrund, dass hiesige
landwirtschaftliche Betriebe nicht in ihrer Existenz bedroht sind.“
Mit dem Prinzip der Freiwilligkeit wird das nichts, Niedersachsen.
24 Oct 2021
## LINKS
[1] https://www.aktion-moorschutz.de/moor-infos/moor-in-niedersachsen.html
[2] https://www.umwelt.niedersachsen.de/startseite/themen/moorschutz/niedersaec…
## AUTOREN
Juliane Preiß
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