# taz.de -- Parlamentswahl im Irak: Der „Widerstand“ bleibt stur | |
> Nach der Wahl verstärkt sich im Irak die Polarisierung im schiitischen | |
> Lager. Iran nahestehende Kräfte wollen den Sieg der Sadristen nicht | |
> anerkennen. | |
Bild: Zweifeln das Ergebnis der Wahl vom 10. Oktober an: Demonstrierende am Die… | |
KAIRO taz | „Nein zum Wahlbetrug, nein zu Amerika“, riefen mehrere hundert | |
Anhänger des sogenannten Haschd al-Schaabi, einer Allianz aus vom Iran | |
gelenkten schiitischen Parteien und paramilitärischer Vereinigungen, am | |
Dienstag im Irak. Sie hatten sich vor der Grünen Zone in Bagdad versammelt, | |
wo sich der Regierungssitz sowie die US-Botschaft befinden. | |
Die Demonstranten forderten, dass die irakische Wahlkommission die Stimmen | |
der [1][Parlamentswahl vom 10. Oktober] neu auszählt. Ihr politischer | |
Zusammenschluss, die Fatah-Allianz, hatte nur 10 Sitze gewonnen. Im | |
vorherigen Parlament war sie noch mit 48 Sitzen vertreten gewesen. Damit | |
sind die Fatah und der benachbarte Iran die großen Verlierer der Wahl. | |
Die paramilitärischen Einheiten des Haschd al-Schaabi hatten eine | |
entscheidende Rolle dabei gespielt, das Kalifat des sogenannten Islamischen | |
Staats (IS) im Irak zurückzuerobern. Aus ihrem Sieg über den IS entstand | |
für sie das Recht, auch eine entscheidende politische Rolle im Irak zu | |
spielen. | |
Bei der jüngsten Wahl lief es aber nicht nach Plan: Der Wahlsieger war ihr | |
größter innerschiitischer Konkurrent, der schiitische Geistliche und | |
Politiker Muktada al-Sadr, dessen Partei mit 73 Sitzen den größten Block im | |
künftigen Parlament bilden wird. | |
Sadr hatte in einer [2][Siegesrede nach der Wahl] wenig Zweifel gelassen, | |
was er von den irannahen Milizen hält: Waffen gehörten ausschließlich in | |
die Hand des Staats, forderte er. „Es ist Zeit, dass die Menschen in | |
Frieden leben, ohne Besatzung, ohne Terrorismus, aber auch ohne Milizen, | |
die Menschen verschleppen und bedrohen und das Image des Staates schädigen“ | |
– ein Seitenhieb auf die vom Iran gesteuerten Gruppen. | |
Diesen wird vorgeworfen, für den Tod eines Teils der über 600 Demonstranten | |
verantwortlich zu sein, die bei Protesten gegen Korruption und | |
Misswirtschaft vor zwei Jahren erschossen wurden. Auch die Verschleppung | |
Dutzender Reformaktivisten geht auf ihr Konto. | |
## Irakische Hisbollah gibt sich stur | |
Kurz nach seiner Rede veröffentlichte Sadr eine Erklärung, um seine | |
„Position zur US-Besatzung“ zu erläutern. Er forderte diplomatisch „einen | |
ernsthaften und effektiven Dialog über die im Irak verbliebenen | |
Streitkräfte und Militärbasen“. Weiter erneuerte er seine Forderung, dass | |
sich „der Irak aus allen regionalen Konflikten heraushält“ – eine | |
Anspielung auf den US-iranischen-Konflikt mit der Forderung an beide | |
Seiten, diesen nicht im Irak auszutragen. | |
Der Sprecher der Kataib Hisbollah, Teil der Haschd al-Schaabi, gab sich im | |
Gespräch mit der taz in seinem Büro im Bagdader Viertel Dschadirija nach | |
der Wahlniederlage jedoch stur. „Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass wir | |
wegen irgendwelcher Wahlergebnisse mit der Konfrontation gegen die | |
Amerikaner aufhören werden“, so Muhammad Muhie. | |
Wahlergebnisse hin oder her, er fühlte sich gestärkt durch den Sieg über | |
den IS, den er sich auf die Fahnen schreibt, aber auch wegen des | |
US-Rückzugs aus Afghanistan vor sieben Wochen. „Jede Niederlage der USA und | |
ihrer Truppen stärkt unseren Widerstand“, sagte Muhie und drohte: „Wenn die | |
USA ihre Soldaten lebend nach Hause bringen möchten, sollten sie die | |
militärische Präsenz im Irak beenden.“ | |
## Soleimani-Tötung hallt nach | |
Die Kataib Hisbollah hat noch eine Rechnung mit den USA offen. Am 3. Januar | |
2020 wurden bei [3][einem US-Drohnenangriff nicht nur der iranische General | |
Kasim Soleimani], sondern auch der damalige Kommandant der Kataib | |
Hisbollah, Abu Mahdi al-Muhandis, getötet. Hinter dem Schreibtisch des | |
Kataib-Hisbollah-Sprechers hängt ein Doppelporträt beider Männer. | |
US-Präsident Joe Biden hatte im Juli bei einem Treffen mit dem irakischen | |
Regierungschef Mustafa al-Khadhimi angekündigt, bis Ende des Jahres alle | |
US-Kampftruppen aus dem Irak abzuziehen. Es würden nur noch | |
US-Militärberater und Trainer im Land verbleiben. Gegenwärtig befinden sich | |
offiziell noch 2.500 US-Soldaten im Irak. | |
Für Muhie ist das ein billiger Taschenspielertrick. „Es ist einfach der | |
Versuch, die anwesenden US-Truppen in Berater und Trainer umzubenennen“, | |
sagte er. „Wie auch immer sie genannt werden, für uns sind sie | |
Besatzungstruppen. Wir haben klar und deutlich gesagt, dass es das Recht | |
des irakischen Widerstands ist, diese Besatzung zu bekämpfen.“ | |
20 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Wahl-im-Irak/!5807766 | |
[2] /Wahl-im-Irak/!5807766 | |
[3] /Konflikt-zwischen-Iran-und-USA/!5653432 | |
## AUTOREN | |
Karim El-Gawhary | |
## TAGS | |
Irak | |
Qasim Soleimani | |
Iran | |
Irak | |
Irak | |
US-Außenministerium | |
Irak | |
Irak | |
Irak | |
Irak | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Politische Krise im Irak: Schlafstreik in Iraks Parlament | |
Anhänger des schiitischen Politikers as-Sadr besetzen weiter das Gebäude. | |
Sie protestieren gegen einen pro-iranischen Präsidentschaftskandidaten. | |
Attentat auf Iraks Premierminister: Machtprobe mit Drohnen im Irak | |
Auf Premierminister Mustafa al-Kadhimi gab es ein versuchtes Attentat. | |
Proiranische Kräfte setzen im Irak jetzt auf Eskalation. | |
Früherer US-Außenminister ist tot: Colin Powell an Corona gestorben | |
Der Ex-Generalstabschef ist an den Folgen einer Coronainfektion gestorben – | |
trotz Impfung. Der frühere US-Außenminister wurde 84 Jahre alt. | |
Wahl im Irak: Sadr-Anhänger feiern Sieg in Bagdad | |
Der Geistliche Muqtada al-Sadr ist laut ersten Ergebnissen klarer | |
Wahlsieger. Einst bekämpfte er US-Truppen, heute gibt er sich als Reformer. | |
Wahl im Irak: Wahlbeteiligung auf Rekordtief | |
Bei der Parlamentswahl im Irak haben so wenige Menschen ihre Stimme | |
abgegeben wie nie zuvor seit 2003. Aktivist*innen hatten zum Boykott | |
aufgerufen. | |
Parlamentswahl im Irak: Neuwahl mit alten Kräften | |
Nach Massenprotesten wird im Irak neu gewählt. Einige hoffen auf einen | |
Aufbruch. Doch die alten Akteure dürften sich erneut durchsetzen. | |
Boykottaufrufe vor Parlamentswahlen: Wahl und Nichtwahl in Irak | |
Mit Massenprotesten hat Iraks Protestbewegung erfolgreich eine Neuwahl | |
erzwungen. Doch nun rufen viele progressive Kräfte zum Wahlboykott auf. |