# taz.de -- Libeskind soll in Potsdam bauen: Go West in Babelsberg | |
> US-Stararchitekt Daniel Libeskind soll in Babelsberg ein Hochhaus bauen, | |
> Texaner wollen die Filmstudios übernehmen. Das gefällt nicht allen. | |
Bild: Daniel Libeskind hat auch eine familiäre Verbindung nach Potsdam | |
In Brandenburgs Landeshauptstadt sorgen Stars aus den USA für gewöhnlich | |
für Aufsehen und ein bisschen Stolz. Keanu Reaves stand kürzlich vor der | |
Kamera, [1][Tarantino dreht auch schon in Babelsberg]. Die Liste ist lang. | |
Nun könnte ein weiterer Star aus Amerika seine Spuren im Stadtteil | |
Babelsberg hinterlassen – allerdings nicht mit einem Film, sondern mit | |
einem Gebäude. | |
Zwei lokale Unternehmer haben nämlich Architekt Daniel Libeskind dafür | |
gewonnen, ein Hochhaus für sie zu entwerfen. Werden die Pläne Realität, | |
dürfte das Gebäude mit seinen 66 Metern zwar nicht ganz das höchste Haus | |
der Stadt werden, aber wahrscheinlich das mit dem prominentesten | |
Architekten. | |
Entstehen soll es an einer Straßenkreuzung in der sogenannten Medienstadt. | |
Dort sind neben den [2][bekannten Filmstudios] auch der RBB, die | |
Filmuniversität und eine Reihe von Unternehmen aus der Medien- und | |
Unterhaltungsbranche angesiedelt. Am gleichnamigen Bahnhof kommen aus | |
Berlin auch die Besucher des benachbarten Filmparks an. | |
Dessen Chef, Friedhelm Schatz, spielt die Schlüsselrolle in der Geschichte | |
um Libeskind. Seit Jahren arbeitet Schatz daran, die Grundstücke im Umfeld | |
des Freizeit- und Themenparks zu entwickeln – wie es unter Investoren so | |
schön heißt. Bisher sind schon eine dreistellige Anzahl von Wohnungen und | |
eine Kita gebaut worden. Derzeit arbeitet die Stadt an einer Änderung des | |
Bebauungsplans. | |
Im zuständigen Bauausschuss überraschte Schatz die Stadtverordneten mit der | |
Hochhausidee und bat darum, auf einen städtebaulichen Wettbewerb für das | |
Areal zu verzichten. Bei der Auswahl des Architekten gehe es auch darum, | |
auf sich aufmerksam zu machen mit internationaler Strahlkraft. Im August | |
wurde der Entwurf dann den Ausschussmitgliedern unter Ausschluss der | |
Öffentlichkeit gezeigt. Überraschender Twist: Libeskind tauchte dazu | |
persönlich aus New York auf. „Babelsberg ist ein weltweit bekannter | |
Standort – wir müssen etwas tun, um diesen Standort zurückzubringen“, | |
zitierten ihn die Potsdamer Neuesten Nachrichten. Dem Vernehmen nach sind | |
mehrere Gebäude vorgesehen. Das Hochhaus selbst soll etwas zurückgesetzt | |
von der Straße gebaut werden und an gestapelte Filmdosen erinnern. | |
Neben Schatz steckt hinter dem Turmbau der Potsdamer Projektentwickler Jan | |
Kretzschmar. Dessen Firma KW Development hat das Grundstück gekauft. 300 | |
Millionen Euro sollen investiert und bis zu 5.000 Arbeitsplätze geschaffen | |
werden – überwiegend in der Medien- und Filmbranche. Neben Büros sollen | |
Räume für Postproduktion, Ton und Gaming entstehen. | |
Kretzschmar verweist auf die dynamische Entwicklung der Branche in den | |
vergangenen Jahren. „Der Bedarf ist vorhanden“, sagt er. Das zeige auch | |
eine jüngste Analyse der Potsdamer Wirtschaftsförderung, die bis zum Jahr | |
2030 rund 14.500 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigte und | |
etwa 51 Hektar Gewerbeflächenbedarf prognostiziert. | |
Mit den Plänen konnten Schatz, Kretzschmar und Libeskind offenbar die | |
Stadtverordneten überzeugen. Anfang September gab es prinzipiell grünes | |
Licht. Das formale Verfahren für die Änderung des Bebauungsplan ist | |
allerdings noch nicht abgeschlossen. Vorbehalte gegen den Umfang des | |
Bauprojekts gibt es noch bei den Grünen, die in Potsdam in einer | |
Kooperation mit SPD und Linken die Mehrheit haben. „Ich bin skeptisch, wie | |
diese Bauhöhe im Stadtbild wirkt“, sagte Fraktionschefin Saskia Hüneke. | |
Der Turmbau hat nicht nur Fans. Kritik gab es vom Landesverband des Bundes | |
Deutscher Architekten und von Anwohnern, die Bau- und Verkehrslärm sowie | |
die Verschattung ihrer Grundstücke fürchten. Prominenter Bedenkenträger ist | |
auch das Filmstudio – unter anderem, weil befürchtet wird, dass vom | |
Hochhaus aus Einblick in laufende Dreharbeiten bei internationalen | |
Filmproduktionen möglich wäre. Studiochef Carl Woebcken hatte gegenüber den | |
Stadtverordneten nach Bekanntwerden der Pläne von einem „Elfenbeinturm“ | |
gesprochen, von dem aus man auf den Medienstandort herunterschauen könne. | |
Allerdings steht auch das Studio selbst vor einem Umbruch. Ein großer | |
US-amerikanischer Investmentfonds will die Mehrheit der Studio Babelsberg | |
AG übernehmen und hat den Kleinaktionären ein Übernahmeangebot gemacht. | |
4,10 Euro pro Aktie sollen es sein, wie Studio Babelsberg Anfang Oktober in | |
einem Brief an die Aktionäre mitteilte. Bei dem Investor handelt es sich um | |
die Immobilientochter des US-Mischfonds TGP mit Sitz im texanischen Fort | |
Worth. TPG wurde im Jahr 1992 gegründet und verwaltet nach eigenen Angaben | |
weltweit ein Vermögen von aktuell rund 108 Milliarden US-Dollar. | |
Erfahrungen in der Filmproduktion hat der Investor nicht. Bei der | |
Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger beklagt man unterdessen mangelnde | |
Informationen über die Ziele der Übernahme und die geplanten Investitionen. | |
Es wird auch befürchtet, dass der Fonds es womöglich hauptsächlich auf die | |
Grundstücke des Studios abgesehen habe. „Wir wollen wissen, was aus der im | |
Sommer angekündigten Neubewertung der Immobilien geworden ist“, so Sprecher | |
Michael Kunert. | |
Mit der Übernahme würde in Babelsberg eine Ära zu Ende gehen: Carl Woebcken | |
und Christoph Fisser hatten das traditionsreiche Unternehmen im Jahr 2004 | |
für den symbolischen Preis von 1 Euro übernommen. Zudem zahlte ihnen der | |
französische Konzern Vivendi eine Anschubfinanzierung von 18 Millionen | |
Euro. Erst vor Kurzem wurde in der Marlene-Dietrich-Halle Europas größte | |
LED-Wand in Betrieb genommen. Mit ihr will das Studio weitere Produktionen | |
anlocken. | |
Nun war man in der Politik überrumpelt, denn zuletzt war von der Suche nach | |
einem strategischen Partner in Europa die Rede gewesen. „Von dem möglichen | |
neuen Hauptgesellschafter erwarten wir, dass er seiner Verantwortung für | |
den Standort gerecht wird“, sagte Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg | |
Steinbach (SPD). In den kommenden Jahren dürfe es zu keinerlei Entlassungen | |
von Beschäftigten der Studio Babelsberg AG kommen. | |
19 Oct 2021 | |
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## AUTOREN | |
Marco Zschieck | |
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