# taz.de -- Eine Bewerbungsrede: Ach guck, Hannover | |
> Die Kolumnistin ist zurück in der Stadt, in der sie schon mal fast | |
> glücklich war. Und die ist sowieso viel besser als alle denken. | |
Bild: Die coolen Leute gingen alle weg, die Nanas nicht | |
Seien Sie bitte vorsichtig, das wird jetzt persönlich. Ich bewerbe mich | |
hier [1][auf diesen Kolumnenplatz]. Warum, ist nicht ganz leicht zu | |
erklären. | |
Ich bin ja jetzt schon in diesem Alter, wo man sehr viel mehr Ex- ist als | |
irgendwas Zukünftiges. Ex-Raucherin, Ex-Frau, Ex-Größe-36-Tragende, | |
Ex-Lokalredakteurin, Ex-Vorstadtbewohnerin – Sie verstehen schon. Zu meinem | |
großen Erstaunen und Entzücken bin ich aber Wieder-Hannoveranerin. Hier | |
wohnte ich schon mal, als ich noch rauchte und studierte und fast glücklich | |
war. | |
Damals tat ich das allerdings ein bisschen verschämt. Die coolen Leute | |
gingen ja alle weg, nach Berlin oder Hamburg oder so. Ich nicht, weil immer | |
irgendein Job, eine Liebe, eine grundsätzliche Unentschlossenheit mich hier | |
hielt. | |
Irgendwann musste ich dann aber doch weg, erst aus beruflichen, dann aus | |
familiären Gründen. Ich lebte länger in einer Art Vorort von einer Art | |
Stadt, die Fachleute „Mittelzentrum“ nennen. Danach findet man Hannover | |
plötzlich erstaunlich cool. Wobei sich auch in der Provinz – das kann ich | |
beschwören – entzückende Menschen finden lassen, auch wenn Städter das | |
nicht so gern glauben. | |
Nun bin ich also hier. Und zwar für die taz, mit der mich eine ähnliche | |
Geschichte verbindet wie mit der Stadt. Daraus, dachte ich, muss sich doch | |
irgendwas machen lassen. Natürlich reicht die Kohle (taz-Gehalt, | |
alleinerziehend) jetzt nicht mehr für eine Rückkehr in [2][mein altes, | |
mittlerweile schwer angesagtes Viertel]. | |
Ich wohne also am Stadtrand, in der Peripherie, was mich auf seltsam | |
ingrimmige Weise zufrieden macht. Um es [3][mit Sven Regener zu sagen]: | |
„Ich bin jetzt da, wo ich mich haben will.“ ([4][Element of Crime: | |
Delmenhorst], auf dem Album „Mittelpunkt der Welt“ von 2005) | |
Die lange Straßenbahnfahrt hier raus hat auch Vorteile: Man kann durch die | |
Liste mit den 683 Podcasts scrollen, die man immer noch nicht gehört hat. | |
Endlich Twitter löschen und sich dann doch wieder festlesen. Über Kolumnen | |
nachdenken. Oder darüber, was in der psychiatrischen Versorgung dieses | |
Landes eigentlich schiefläuft. | |
Manchmal laufe ich auch ein ganzes Stückchen, bevor ich in die Bahn steige. | |
Einfach, weil ich das gern tue und denke: „Ach, guck“. Das ist im Grunde | |
auch schon der Kern dieser ganzen Kolumne: Eine Einladung zu „Ach guck, | |
Hannover“. Und möglicherweise gelangt man dabei ja zu Einsichten, die | |
anderswo auch gelten. | |
Wenn Sie nun sagen: SO VIEL KANN ICH GAR NICHT SAUFEN, DASS ICH DER ALTEN | |
WEITER ZUHÖREN WILL!1!11!! – dann lesen, blättern, klicken Sie doch einfach | |
weiter. Es tut nicht not, dass Sie irgendjemandem Bescheid sagen, wirklich | |
nicht. Dies ist eine freie Stadt. Eine Hannoveranerin interessiert so etwas | |
gar nicht. | |
Wenn Sie sich dagegen von irgendetwas in diesem Text vage angesprochen | |
fühlen: Sie finden mich voraussichtlich alle 14 Tage an dieser Stelle. | |
Willkommen in der Provinzhauptstadt. | |
31 Oct 2021 | |
## LINKS | |
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Kolumne | |
[2] /Liebeserklaerung-an-Linden/!5018492 | |
[3] /Neuer-Roman-von-Sven-Regener/!5797121 | |
[4] https://www.youtube.com/watch?v=H5SrdnzuXPQ | |
## AUTOREN | |
Nadine Conti | |
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