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# taz.de -- Mobile Impfungen in Berlin: Letzte Station Impfbus
> Die Impfbusse des Senats sollen ZweiflerInnen und
> Mobilitätseingeschränkte erreichen. Das Interesse ist eher verhalten.
Bild: Wartende vor einem Impfbus in Berlin-Lichtenberg Anfang Oktober
Die DRK-Mitarbeiter haben ihre Laptops aufgeklappt und warten auf Kunden:
auf Menschen in Hellersdorf also, die sich doch noch gegen Corona impfen
lassen wollen – trotz kaum messbarer Impffortschritte in den letzten Tagen.
Der Senat hat für sie einen [1][Impfbus geschickt]. Der parkt Ende
vergangener Woche gleich neben einer evangelischen Kita, in der an diesem
Tag auch die Ausgabestelle der Berliner Tafel ist. Viele Menschen stehen
dort nach kostenlosen Lebensmitteln an.
Ist das ein letzter Versuch, doch noch Menschen zum Impfen zu bewegen?
[2][Bereits im September] hat Berlins Regierender Bürgermeister Michael
Müller (SPD) die Möglichkeiten der Politik, die Impfquote zu erhöhen, als
„vielleicht bereits ausgeschöpft“ bezeichnet und stattdessen Gastronomie,
Kultur und Sport aufgefordert, für das Thema zu werben. Milena Müller,
Sprecherin von Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD), sagt der taz: „Mit
den Impfbussen soll auch Menschen ein aufsuchendes Impfangebot gemacht
werden, die sich bisher den Impfangeboten nicht nähern möchten oder
können.“
Gleich morgens um neun Uhr, als der Impfbus in Hellersdorf seine Arbeit
beginnt, sieht es aus, als könne das klappen. Sieben HellersdorferInnen
warten auf die Spritze. Doch das waren, so Impfarzt Ali El-Hisnawi später,
hauptsächlich Menschen, die bereits einen Anspruch auf eine Drittimpfung
hatten. Oder auch ein Mann aus dem Kiez, der sich gefreut hatte, zur
ohnehin fälligen Zweitimpfung nun keinen langen Weg gehen zu müssen.
„Wer jetzt noch zur Erstimpfung kommt, kommt oft nicht aus Überzeugung“,
ist El-Hisnawis Erfahrung. Die Menschen kämen vielmehr, „weil man die
Konsequenzen fürchtet, wenn man nicht geimpft ist“. Denn seit dieser Woche
sind [3][Coronatests für Nichtgeimpfte kostenpflichtig].
Tanzveranstaltungen in geschlossenen Räumen sowie Saunabesuche sind nur
noch für Geimpfte und Genesene gestattet. Und Gaststätten, Hotels, Museen
und Gedenkstätten haben das Recht, nur noch diesen Personenkreis
hineinzulassen.
Heike Möller (Name geändert) kommt gegen 12 Uhr zum Impfbus. Sie räumt
unumwunden ein, die Corona-Impfung eigentlich abzulehnen. „Aber ich habe
bald eine Reha und da muss ich dann wohl geimpft sein“, sagt sie und füllt
den Impf-Fragebogen aus. Währenddessen macht eine ältere Frau gleich neben
dem Impfbus Stimmung gegen die Impfung. „Es ist ein Irrglaube, dass das
Impfen vor Ansteckung hilft. Es mildert nur die Symptome“, ist sie
überzeugt. Gegenargumente von Passanten prallen an ihr ab. Nach einer
halben Stunde entschließt sie sich doch zu einem ärztlichen
Beratungsgespräch. Sie will wissen, ob die Grunderkrankung, die sie hat,
ein Impfhindernis sei. „Die ist eher ein Grund mehr, dass die Impfung für
sie gut ist“, erklärt der Impfarzt. Es war nicht das, was die Frau hören
wollte. Sie geht ungeimpft nach Hause.
Wer sich jetzt noch impfen lassen möchte, kann das in den Impfzentren in
Tegel und der Messe tun oder bei vielen Haus- und Betriebsärzten. Darüber
hinaus stehen in einigen Einkaufszentren wie dem Alexa in Mitte, dem
Boulevard Berlin in Steglitz und dem Ringcenter in Lichtenberg [4][ohne
vorherige Terminvereinbarung Impfteams] bereit. Dennoch steigt die
Impfquote kaum noch (siehe Kasten).
Drei bis vier Impfbusse fahren zusätzlich täglich an andere Orte. Letzte
Woche haben sie an Ausgabestellen der Berliner Tafel Halt gemacht, diese
Woche warten sie hauptsächlich vor den Berliner Hochschulen auf
Impfwillige. Sind die Besucher der Tafel und Studierende diejenigen, die
noch zu selten geimpft sind? Nein, empirische Daten dazu gäbe es nicht,
sagt Milena Müller von der Senatsverwaltung.
Von den Leuten, die sich in Hellersdorf kostenlos Lebensmittel abholen,
nutzt jedenfalls kaum jemand das Impfangebot. Das liegt auch daran, dass
fast jeder, der hier ansteht, bereits geimpft ist. „In der DDR waren viele
Impfungen Pflicht. Das ist für mich auch heute so“, begründet das ein
wartender Mann. Nur drei russlanddeutsche Frauen in der langen
Warteschlange bekennt sich dazu, nicht geimpft zu sein. „Weil ich Angst
habe“, erklärt das eine von ihnen. Aber sie hätte auch keinen Grund zum
Impfen: „Ich mache gerade eine Umschulung. Wir werden zweimal pro Woche
getestet. Wie soll ich mich da anstecken?“
Dass sie für die Tests bald Geld bezahlen muss, hat die Frau noch nie
gehört. „Das kann ich mir nicht vorstellen, in meiner Gruppe ist doch kaum
jemand geimpft.“ Auch die zweite Frau bekennt sich zu ihrer Impfangst. Die
dritte hingegen sagt, sie will sich heute trauen. „Aber erst, wenn ich
meine Lebensmittel habe.“ Eine halbe Stunde später steigt sie tatsächlich
in den Impfbus.
Dessen MitarbeiterInnen haben zuvor in Impfzentren gearbeitet. Routiniert
helfen sie Impfwilligen beim Ausfüllen des Fragebogens. Doch vor Monaten
war mehr zu tun. In den fünf Stunden, die der Impfbus in Hellersdorf steht,
werden gerade mal 22 Personen geimpft. „Doch jede Impfung zählt“, meint ein
DRK-Mitarbeiter.
Unter den 22 war ein älteres Ehepaar, das zu denen gehört, an die der Senat
bei seinem aufsuchenden Angebot dachte. „Wir sind dankbar, dass der Senat
uns impft“, sagt der Mann, ein syrischer Flüchtling Ende 60. „Mit dem
Impfschutz fühle ich mich sicherer.“ Dass seine Frau und er bisher nicht
geimpft waren, liege an ihrer mangelnden Mobilität, sagt er: „Wir kommen ja
leider kaum aus dem Haus.“ Die Impfzentren seien alle zu weit weg, ihr
Hausarzt habe keine Impfungen im Angebot. Und weil die Presse schon einmal
hier sei, äußert er einen Wunsch: Der Impfbus solle in vier Wochen noch
einmal am selben Ort stehen. Das aber kann Impfarzt Ali El-Hisnawi nicht
garantieren. Er gibt dem Ehepaar stattdessen die Adresse des Ringcenters in
Lichtenberg.
11 Oct 2021
## LINKS
[1] /Archiv-Suche/!5800431&s=impfbusse+berlin&SuchRahmen=Print/
[2] /Ideen-fuer-eine-hoehere-Impfquote-gesucht/!5795528
[3] /Bund-Laender-Runde-zur-Pandemie/!5792998
[4] https://www.berlin.de/sen/gpg/service/oft-gesucht/artikel.1121199.php
## AUTOREN
Marina Mai
## TAGS
Impfung
R2G Berlin
Berlin-Hellersdorf
Schwerpunkt Coronavirus
Sandra Scheeres
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