# taz.de -- Stromversorgung in Irland gefährdet: Hungrige Rechenzentren | |
> Wegen günstiger Bedingungen siedeln immer mehr Unternehmen ihre | |
> Datenverarbeitung in Dublin an. Doch das bringt viele Probleme mit sich. | |
Bild: Transportiert viel Energie für Google & Co: Strommast in Irland | |
DUBLIN taz | In Irland könnten demnächst die Lichter ausgehen. Der | |
staatliche Stromnetzbetreiber EirGrid warnt davor, dass es in den kommenden | |
fünf Jahren zu Stromausfällen wegen der Schließung älterer Kraftwerke und | |
wegen des steigenden Strombedarfs kommen könne. | |
Für den steigenden Bedarf sind zum großen Teil [1][Rechenzentren] | |
verantwortlich. Zurzeit gibt es 70 davon, 8 weitere sind im Bau und für | |
viele andere sind die Genehmigungen beantragt. Die meisten stehen in | |
Dublin, der Stadt mit der höchsten Konzentration von Rechenzentren in | |
Europa. Weltweit beanspruchen solche Zentren 2 Prozent des Stroms, in | |
Irland sind es jetzt schon 11 Prozent. | |
Patrick Bresnihan von der National University of Ireland hat vor dem | |
Parlamentsausschuss für Umwelt und Klimawandel erklärt, dass der Anteil des | |
Strombedarfs bis 2030 auf 70 Prozent steigen werde, sollten alle geplanten | |
Zentren gebaut werden. Phoebe Duvall von An Taisce, der | |
Nichtregierungsorganisation für Umwelt und Kulturerbe, warnte vor den | |
Folgen: „Im schlimmsten Fall könnte es wegen der Rechenzentren zu | |
fortlaufenden Stromausfällen und starken Netzeinschränkungen kommen“, sagt | |
sie. | |
Die Unternehmen siedeln ihre Datenverarbeitungszentren wegen der stabilen | |
kühleren Temperaturen gern in Irland an. Hauptgrund aber sind die günstigen | |
steuerlichen Bedingungen, mit denen Irland die Multis anlockt. So haben | |
Apple, Microsoft, Google, Facebook und Co ihre europäischen Hauptsitze | |
in Dublin. Apple hat in der Vergangenheit so gut wie gar keine Steuern | |
bezahlt. Nun baut das Unternehmen in Athenry in der strukturschwachen | |
westirischen Provinz Connacht ein neues Rechenzentrum. In den kommenden 15 | |
Jahren sollen hier acht Hallen für insgesamt 850 Millionen Euro entstehen. | |
Abgesehen vom Strom zapfen die Rechenzentren auch Unmengen Wasser ab. Das | |
geplante Center in Ennis, der Hauptstadt der westirischen Grafschaft Clare, | |
würde im Sommer zum Beispiel täglich 1 Million Liter zur Kühlung der Server | |
benötigen – das ist die Hälfte dessen, was Ennis derzeit verbraucht. Und | |
Wasser ist trotz des feuchten Klimas auch in Irland manchmal knapp, in der | |
Vergangenheit versiegten des Öfteren die Wasserhähne. | |
## Moratorium abgelehnt | |
Das kümmert die Regierung herzlich wenig: Sie hat den Antrag der | |
Sozialdemokraten für ein Moratorium von neuen Rechenzentren abgelehnt. | |
Umweltminister Eamon Ryan von der Grünen Partei bezeichnete ein solches | |
Moratorium als „stumpfes Instrument“. Er behauptet, nicht die | |
Rechenzentren seien für die Engpässe bei der Stromversorgung | |
verantwortlich, sondern „technisches Versagen“ in einigen Kraftwerken. | |
Darüber hinaus sind die Torfkraftwerke wegen EU-Auflagen abgeschaltet | |
worden, und in den kommenden vier Jahren werden weitere Kraftwerke | |
stillgelegt, die zusammen eine Leistung von 1.650 Megawatt haben. EirGrid | |
beklagt, dass man bei mehreren Auktionen seit 2018 keine Investoren für | |
Gaskraftwerke gefunden habe. Potenzielle Investoren zögern, weil die | |
Gaskraftwerke nur als Backup für Windkraftwerke genutzt und nach Bedarf | |
ein- oder ausgeschaltet werden sollen. Die sogenannten Kapazitätszahlungen, | |
mit denen genügend Reserven für Notfälle finanziert werden sollten, wurden | |
von der EU als staatliche Beihilfen eingestuft und verboten. | |
Bis 2030 sollen 70 Prozent des irischen Strombedarfs durch [2][erneuerbare | |
Energien] – hauptsächlich Wind – gedeckt werden. Im vorigen Jahr | |
verursachten die Rechenzentren 1,85 Prozent der irischen CO2-Emissionen. Je | |
mehr Zentren genehmigt werden, desto stärker wird diese Zahl steigen und | |
das Erreichen der Klimaziele erschweren. „Wenn man die Klimaziele erreichen | |
will, aber gleichzeitig die Rechenzentren expandieren lässt, ist es | |
ungefähr so, als ob man eine Rolltreppe in der falschen Richtung läuft“, | |
sagt Professor Barry McMullin von der Dublin City University. | |
Irgendetwas laufe schief, meint auch der Abgeordnete Mick Barry von People | |
Before Profit, wenn „die Regierung den Großunternehmen jeden Wunsch | |
erfüllt, während sie normalen Haushalten erklärt, man könne nicht | |
garantieren, dass die Lichter in diesem Winter nicht ausgehen werden“. | |
14 Oct 2021 | |
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[1] /Rechenzentrum-in-Potsdam/!5789879 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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sagte zur Begrüßung „lo“. Seitdem ist es immer hungriger geworden. |