# taz.de -- Die Wahrheit: Der Lieger von Eschnapur am Flipper | |
> Die schönsten Anekdoten über den sympathischen Greis MIR, auch bekannt | |
> als Michael Ringel und Maestro jedweder Galaxie, der am Sonntag | |
> Geburtstag feiert. | |
An diesem Sonntag wird der vormals 59-jährige Redakteur der Wahrheit | |
Michael „Joseph“ Ringel zum 47. Prä…, äh, nein, einfach nur 60 Jahre al… | |
Dieses große historische Ereignis nimmt die Restredaktion der Wahrheit zum | |
willkommenen Anlass, ausgewählte Anekdoten aus dem schillernden Leben des | |
beliebten Redaktionsdiktators zu erzählen. | |
Als MIR noch ein winzig kleiner Student von allerlei Wissenschaften und mit | |
vielen Träumen, aber wenig Geld war, da war einer der Träume besonders | |
stark: Eine Katze wollte er haben, aber sie durfte nicht sehr teuer sein. | |
Im Tierheim an der Straßenecke wurden ihm zwei Katzen zum Sofortmitnehmen | |
gezeigt. Die eine hatte keine Ohren und war deshalb ein bisschen billiger. | |
MIR schwankte lange zwischen den beiden Katzen, nahm aber letztendlich die | |
mit Ohren, weil sie hübscher war. Noch lange wälzte er sich in Albträumen | |
herum, weil er eigentlich lieber die andere gehabt hätte. | |
*** | |
Als sich der brotlose Student MIR an einem wolkenverhangenen Mittwoch in | |
die Matinee eines Westberliner Kinos begab, klingelte die Kasse des | |
Lichtspielhauses lautstark. Dies trug sich zu, als er gemessenen Schrittes | |
zu seinem Platze schreiten wollte. Nachgerade elektrisiert, ohne es sich | |
auch nur im geringsten anmerken zu lassen, wollte MIR dem Grund des | |
lautstarken Klingelns der Kasse auf den Grund gehen. Er baute sich vor der | |
Kartenverkäuferin auf, so gut es ihm in seiner empfindsamen Art möglich | |
war. Dann hob er fragend an, eindringlich deutend auf die klingelnde Kasse: | |
„Warum?“ | |
*** | |
MIR, bekanntlich Erfinder des nach ihm benannten Pullovers, der Söckchen | |
und der Natter, hatte zu vielen Wörtern nur das beste Verhältnis. So auch | |
zum Wort abgeraucht, dessen Existenzberechtigung er an einem Abend in einer | |
Burgerbar mit angeschlossener Spielhölle an einem | |
Star-Wars-Flipperautomaten demonstrierte. Dort gab der Star-Wars-Flipper | |
nach einer von MIR abgefeuerten Kugel nur noch Rauchzeichen von sich. Der | |
Brand am Ende dieses feuchtfröhlichen Abends wurde mit reichlich Wegebier | |
dänischer Provenienz gelöscht. | |
*** | |
Noch heute gibt es eine uralte Legende, die MIR versehentlich als den | |
„Lieger von Eschnapur“ in die Chroniken eines asiatischen Landes befördert | |
hat: Doch die Geschichte ist nicht schriftlich überliefert. | |
*** | |
Einmal sollte MIR vom Obersten Sowjet wegen seiner Verdienste bei der | |
Schlacht um Woronesch ausgezeichnet werden. Der grüblerisch veranlagte | |
Jüngling hatte sich nämlich klug aus der Sache herausgehalten, indem er das | |
Erdenrund erst deutlich später betrat. Auch in späteren Jahren sollte MIR | |
nur ausgesuchte Buffets, jedoch niemals Städte am Don belagern. Da | |
Generalsekretär Gorbatschow den Bonvivant ins Herz geschlossen hatte, bot | |
er ihm an, eine Kolchose, eine Oberschule oder eine Raumstation nach ihm zu | |
benennen. MIR lehnte verschmitzt ab, vielmehr verlangte er einen Becher | |
Kwas und dass dieser seltsame, violette Fleck auf der Glatze des | |
Generalsekretärs seinen Name tragen möge. Es ist aus Gründen der | |
Staatsräson aber bloß die Raumstation MIR getauft worden. | |
*** | |
Einmal war irgendwas in Swasiland, und ungefähr gleichzeitig geschah etwas | |
im niederrheinischen Moers. Einmal wären sich die beiden Ereignisse beinahe | |
begegnet, nämlich in oder an oder mit der Person des MIR. Auch die beiden | |
zerschlagenen Fenster des Nachbarn des MIR wiesen auf diese Ereignisse hin. | |
MIR aber setzte eine Miene der Unschuld auf, die ihm wie angegossen passte. | |
Dann passierte weiter nichts. | |
*** | |
An einem paradiesischen Oktobertag begab sich MIR auf die Pfade der Poesie | |
nahe des griechischen Olymps. Er nahm die Gondel zur Bergstation, von dort | |
war ihm eine hervorragende Weitsicht versprochen worden. An der | |
Mittelstation endete die Fahrt betriebsbedingt lyrisch. MIR reckte seinen | |
wohlgeformten Kopf aus dem Gefährt, nahm Witterung auf. Ein paar kesse | |
Trochäen, drei Daktylen, vier Anapäste und allen voran eine Horde | |
betrunkener Jamben kletterten keck aus der Gondel. MIR betrachtete sie | |
verächtlich liebevoll, dann ließ er sich zurück gen Talstation schaukeln. | |
In seine Kladde notierte er: „Versmaß ist aus.“ | |
*** | |
Als MIR einmal einem Hund begegnete, der so groß wie ein Haus war und Augen | |
wie Wagenräder hatte, musste er heftig lachen, denn von genauso einem Hund | |
hatte er kurz zuvor in den Nachrichten gehört. | |
*** | |
Einmal ist MIR über ein offenes Schuhband gestolpert. Auf diese Episode in | |
seinem Leben ist der Meister der Pointen nicht besonders stolz. | |
*** | |
Ein Autor hat MIR einmal auf einen Fehler hinweisen wollen, den er in einem | |
Text entdeckt zu haben glaubte. Unglückseligerweise handelte es sich um | |
einen Text von MIR. Bevor der Autor seinen Fauxpas einsehen konnte, hatte | |
MIR schon sein Habichtkostüm angelegt, tanzte um den unvorsichtigen | |
Skribenten herum und stieß dazu markerschütternd spitze Schreie aus. Davon | |
habe MIR bis heute nicht abgelassen, behauptet der Autor, wenn wir das | |
Gebrabbel des Irrenhäuslers richtig deuten. | |
*** | |
Auf Reisen achtet MIR darauf, festes Schuhwerk oder einen leichten | |
Reisewein mit sich zu führen. Und so sitzt er oft barfuß beim Wein vor der | |
Haustür. | |
*** | |
Einmal hatte MIR einen Text abzusetzen mit 238 Zeichen inklusive | |
Leerzeichen. „Geschrieben, getan“, dachte er bei sich – „238 Zeichen, w… | |
das mal kein Witz ist!“ Just als er zur Niederschrift der Pointe schritt, | |
klingelte es an der Tür. | |
10 Oct 2021 | |
## AUTOREN | |
Christian Bartel | |
René Hamann | |
Harriet Wolff | |
Corinna Stegemann | |
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