# taz.de -- Widerstand gegen Tagebau Garzweiler II: Der neue Hambi heißt Lütz… | |
> RWE will das nordrhein-westfälische Dorf Lützerath abreißen, um dort | |
> Braunkohle fördern. Klimaaktivist*innen machen es zum Kampfplatz. | |
Bild: Öffentlichkeitswirksame Unterstützung: Bauer Heukamp (l.) mit Neubauer … | |
HAMBURG taz | Noch 1 Tag, 13 Stunden und 55 Minuten zeigt der Countdown auf | |
der [1][Homepage der Initiative „Lützerath lebt“] kurz an, bevor er weiter | |
runterzählt. So lange dauert es an diesem Mittwochmorgen, bis in | |
Deutschland die Rodungssaison beginnt. Und die könnte das Ende des Dorfs | |
Lützerath in Nordrhein-Westfalen besiegeln. | |
Der Energiekonzern RWE will dort den Tagebau Garzweiler II vergrößern und | |
dafür sechs Dörfer abreißen, als nächstes Lützerath. Die meisten Häuser | |
sind schon weg, die Bewohner*innen umgesiedelt. Nur ein Bauer hält die | |
Stellung: Eckhard Heukampf hat als einziger Bewohner nicht an RWE verkauft. | |
Allein ist er trotzdem nicht: [2][An seiner Seite steht die Klimabewegung, | |
die Lützerath zur „ZAD“ erklärt hat – zur „Zone a defendre“, also z… | |
die es zu verteidigen gilt]. | |
„Es gibt wenige Orte im deutschsprachigen Raum, an denen die lokale und | |
globale Zerstörung der Umwelt so sichtbar wird wie hier“, sagt Jësse | |
Dittmar. Die 36-jährige Sprecherin der Initiative „Lützerath lebt“ wohnt | |
seit über einem Jahr nahe der Abbruchkante des Tagebaus in einem umgebauten | |
Schäferwagen aus Holz. Sie sei hergezogen, um der Klimakrise | |
entgegenzuwirken, sagt sie. „Die Grenze zur Einhaltung des Pariser | |
Abkommens verläuft direkt unter unseren Füßen.“ | |
Das [3][Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat im Auftrag der | |
Initiative „Alle Dörfer bleiben“ ausgerechnet,] dass das | |
Treibhausgasbudget, das Deutschland zur Verfügung steht, wenn es mit einer | |
50-prozentigen Wahrscheinlichkeit das 1,5-Grad-Ziel erreichen will, noch | |
die Abbaggerung von 200 Millionen Tonnen Braunkohle erlaubt. RWE will aber | |
bis 2038 noch 780 Millionen Tonnen aus Garzweiler I und II holen. | |
## Die Prominenz war schon da | |
Um das zu verhindern, versuchen Dittmar und andere, möglichst viele | |
Menschen nach Lützerath zu mobilisieren. Am Wochenende war die schwedische | |
Aktivistin Greta Thunberg hier und hat sich mit ihrer deutschen | |
Mitstreiterin Luisa Neubauer an der Abbruchkante fotografieren lassen. | |
„Defend Lützerath, defend 1,5° C“ stand auf den Schildern, die sie in die | |
Kameras hielten. Die Seawatch-Kapitänin und Politaktivistin [4][Carola | |
Rackete ist ebenfalls vor Ort] und mobilisiert. [5][Lützerath soll der neue | |
Hambi, der neue Danni werden]. | |
Die heiße Phase der Räumung könnte jeden Moment losgehen: Wenn ab 1. | |
Oktober die Schonzeit für Bäume in Deutschland vorbei ist, wird RWE große | |
Grundstücke absperren und alles abreißen, was dort noch steht, befürchten | |
die Aktivist*innen: verlassene Häuser, Scheunen und einige Bäume drum | |
herum. | |
Ab diesem Mittwoch laden sie deshalb zu einer Skillshare-Woche ein, in der | |
alle Interessierten lernen können, was man wissen muss, um ein Dorf zu | |
besetzen: Baumhäuser bauen, klettern, Knoten machen, sich irgendwo | |
einbetonieren oder festketten, Erste Hilfe. | |
## Showdown ab Allerheiligen | |
Ernst wird es vermutlich am 1. November. Dann wird die sogenannte | |
Grundabtretung gültig, also die Enteignung von Bauer Heukamp, die RWE bei | |
der Bezirksregierung Arnsberg beantragt hat. Die Bezirksregierung, die für | |
Bergbaugenehmigungen in der Region zuständig ist, gab dem Antrag statt. | |
Heukamp klagt noch dagegen, aber eine aufschiebende Wirkung hat das nicht. | |
Die Aktivist*innen fürchten, dass RWE Fakten schafft, bevor ein Gericht | |
entschieden hat. Ab dem 29. Oktober laden sie deshalb zu einem | |
„Unräumbar-Festivall“ ein. Anschließend sollen alle vor Ort bleiben, | |
solange das nötig ist. Auch Ende Gelände mobilisiert nach Lützerath. | |
Was Heukamp macht, wenn der Protest nicht erfolgreich ist, dem er eine | |
große Wiese zum Zelten und ein Mietshaus zur Verfügung gestellt hat, wisse | |
er noch nicht, sagt er. „Es gibt keinen Plan B.“ Der Kampf gehe an die | |
Substanz, aber aufgeben werde er deshalb nicht. „Es geht hier um mehr als | |
mein Haus und Hof. Es geht um das Leben zukünftiger Generationen.“ | |
Auch Dittmar und andere Aktivst*innen wollen mehr, als das Dorf zu | |
erhalten – sie wollen dort etwas Neues aufbauen: „Eine solidarische | |
Gemeinschaft, die nach den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet ist und | |
nicht nach der Wirtschaft“, sagt sie. Das müsse sich auch nicht auf | |
Lützerath beschränken. RWE will fünf weitere Dörfer in der Nachbarschaft | |
abbagern: Keyenberg, Berverath, Kuckum, Oberwestrich und Unterwestrich. | |
Auch dort wohnen noch Menschen, die sich gegen eine Umsiedlung wehren. | |
29 Sep 2021 | |
## LINKS | |
[1] http://luetzerathlebt.info/ | |
[2] /Mehr-Radikalitaet-bei-Klimaprotesten/!5795824 | |
[3] https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.819609.de/diwkompakt… | |
[4] /Aktivistinnen-zum-Klimastreik/!5803001 | |
[5] /Nach-der-Raeumung-des-Dannenroeder-Forstes/!5756251 | |
## AUTOREN | |
Katharina Schipkowski | |
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