# taz.de -- Streit um Coronaregeln an Schulen: Ausbruch oder Einzelfälle? | |
> Eigentlich sollen in Bremen keine ganzen Klassen mehr in Quarantäne | |
> geschickt werden. Doch das Gesundheitsamt handle nicht danach, | |
> kritisieren Eltern. | |
Bild: Was folgt aus Testergebnissen? Teststreifen in einem Mäppchen | |
Bremen taz | Im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern waren in Bremen | |
die Schulen seit Pandemiebeginn fast durchgängig geöffnet. Am 13. September | |
kündigte die Bildungssenatorin außerdem an, dass nur noch nachweislich | |
infizierte Kinder in Quarantäne bleiben müssen. Ein Corona-Ausbruch und die | |
Quarantäne einer ganzen Klasse am Gymnasium Kippenberg stellen dieses | |
Vorhaben nun kurz nach seiner Formulierung auf die Probe. | |
Thomas Theßeling, ein betroffener Vater, sagt, dass es am vorletzten Montag | |
einen Fall in der Klasse seines Kindes gegeben habe, der 5b am | |
Kippenberg-Gymnasium. Das sei mit einem Test entdeckt, das betroffene Kind | |
nach Hause geschickt worden. Am Tag darauf sei ein weiteres Kind mit einem | |
positiven Testergebnis nach Hause geschickt worden. Ab dem nächsten Tag, | |
also dem 15. September, seien sein Kind und alle Klassenkamerad*innen | |
in den Distanzunterricht geschickt worden, sagt Theßeling. | |
In einem Schreiben vom Gesundheitsamt an die Eltern steht, die Kinder | |
würden vom Gesundheitsamt als „Kontaktpersonen der Kategorie I mit einem | |
hohen Risiko“ geführt. Die Anordnung: häusliche Quarantäne für 14 Tage. D… | |
Beschluss der Bildungssenatorin galt zu diesem Zeitpunkt seit zwei Tagen. | |
Einige Eltern der Kippenberger Fünftklässler*innen und der | |
ZentralElternBeirat kritisieren dieses Vorgehen und fordern mehr | |
Verlässlichkeit. Für den ZentralElternBeirat steht nicht nur Bildung dem | |
Infektionsschutz gegenüber. In einem am 21. September veröffentlichten | |
Brief an Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) und | |
Bildungssenatorin Sascha Karolin Aulepp (SPD) heißt es auch: „Wieder einmal | |
scheinen Kinder-, aber auch Elternrechte völlig in den Hintergrund gedrängt | |
zu werden.“ Der offene Brief sei eine Antwort auf zwei Corona-Ausbrüche in | |
Bremer Schulen. In beiden Fällen wurden nicht nur betroffene Kinder in | |
Quarantäne geschickt, sondern die gesamte Klasse. | |
Alicia Bernhardt, Sprecherin der Gesundheitssenatorin, antwortet auf | |
Anfrage der taz, dass es rechtliche Grundlagen für diese Entscheidungen | |
gebe. „Bei zwei oder mehr Positivfällen in einer Kohorte wird von dem | |
Gesundheitsamt sorgfältig geprüft, ob es sich um einen Ausbruch handelt, | |
bei einem Ausbruch gilt jedoch das Infektionsschutzgesetz“, schreibt sie. | |
Coronafälle in einer Klasse würden als Ausbruch gelten, wenn sie in einem | |
zeitlichen und örtlichen Zusammenhang stehen. Das Gesundheitsamt werte die | |
Infektionen dann nicht als zufällige Einzelfälle, sondern als | |
zusammenhängende Ansteckungen. Die beiden Klassen in 14-tägige Quarantäne | |
zu schicken, sei vor diesem rechtlichen Hintergrund gerechtfertigt. | |
Derzeit seien in Bremen nachweislich 61 Schüler*innen infiziert und 474 | |
aufgrund dieser Ausbruchs-Regel in Quarantäne, schreibt Bernhardt. Das | |
betreffe insgesamt 14 Schulen. | |
„Ich halte das für rechtswidrig“, sagt Martin Stoevesandt vom | |
ZentralElternBeirat. „Beim Staats- und Organisationsrecht gilt es immer, | |
das mildeste Mittel zu finden. Das ist sicherlich nicht das mildeste | |
Mittel.“ Hinter dem Vorgehen des Gesundheitsamts vermutet er einen Konflikt | |
zwischen Gesundheitsbehörde und Bildungsbehörde einerseits und zwischen | |
Gesundheitsamt und Gesundheitsbehörde andererseits. „Das Gesundheitsamt | |
fährt fast eine Zero-Covid-Strategie“, sagt er. | |
Aus der Bildungsbehörde heißt es auf taz-Anfrage, Senatorin Aulepp setze | |
sich schon lange dafür ein, dass so wenig gesunde Kinder wie möglich in | |
Quarantäne müssen. „Aber die Einzelfallentscheidung liegt beim | |
Gesundheitsamt und das ist auch richtig so.“ | |
Thomas Theßelings Kind ist nun noch bis zum 28. September in Quarantäne. Er | |
und seine Frau sind berufstätig. „Wir müssen jetzt wieder zu Hause | |
bleiben“, sagt er. Bei ihm bleibe vor allem Hilflosigkeit. Und er sagt, | |
sein Kind sei in einer besonderen Situation: „Die Kinder in der Klasse sind | |
gerade auf eine neue Schule gekommen, die sind noch nicht richtig | |
angekommen und jetzt sind sie schon in Quarantäne.“ Er habe kein | |
Verständnis dafür, dass das Gesundheitsamt diese Umstände nicht | |
mitberücksichtigt. | |
27 Sep 2021 | |
## AUTOREN | |
Lisa Bullerdiek | |
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Sandra Scheeres | |
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